Lebensfahrt
Der Nordwind streichelt die Wellen,
Die Grünwasser sinken und schwellen,
Die Sonne prallt goldig und heiß
Auf unsern lautjubelnden Kreis.
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Mit Mädchen, vollblütig wie Rosen,
Starkarmige Frohburschen kosen,
Wein, Lachen und lauter Gesang
Und plätschernder Meerwellen Klang.
Ich sitze stumm in der Mitte,
Wie immer der paarlose Dritte,
Ich denke an Klippe und Riff
Und unser schwachplankiges Schiff.
Wildfremd noch waren wir gestern,
Und lieben sich heute wie Schwestern,
Und morgen im maigrünen Wald
Vielleicht die Pistole schon knallt.
Die Wasser sich dehnen und blähen
Um klippige, zackige Höhen,
Ein greller, landsuchender Schrei,
Und Lachen und Lieben vorbei.
Ich einziger wurde gerettet,
Auf meerfeuchtem Sande gebettet,
Im Tang eine schneeweiße Hand –
Ich habe sie einmal gekannt.
Ich pfeife mein sorgloses Liedchen:
Natur, du kühltest dein Mütchen,
Wer weiß, ob mich morgen nicht auch
Fortpustet ein giftiger Hauch.
Münster, Februar 1890