Das Goldtuch

»Ihr Mägde, schaut, was ihr im Schreine habt!
Nicht darfst du mir von hinnen unbegabt,
Mein blondgelockter Enkel, der mir bot
Mit priesterlichen Händen Gott im Brot!«
Mathilde sprach's, die Fürstin, sterbeschwach.
Richburg, die Schaffnerin, seufzt': »Weh und Ach!
Hingabst den Armen alles du! Allein
Dein goldgewoben Bahrtuch liegt im Schrein!«
– »Die goldne Decke! Gebt dem Bischof die!
Bahrtuch und Totenhemd, das mangelt nie!«
Der Bischof zaudert... »Nimm die Decke! Kränk
Mich nicht!« Der Jüngling zieht mit dem Geschenk...
Sie atmet aus. Es läutet lang und schön
Mit allen Glocken von des Münsters Höhn...
Fern in der Ebne gleißt's wie Sonnenblick:
Mathildens Bahrtuch kehrt zu ihr zurück.
Abspringt ein Reiter, der den Turm ersteigt.
»Den Bischof warf das Roß. Ein Toter schweigt.
Wir bringen ihn! Verdoppelt das Geläut!
Ihr Glöckner, zwier bekommt ihr Löhnung heut!«

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Meyer, Conrad Ferdinand. Gedichte. Gedichte (Ausgabe 1892). 7. Frech und Fromm. Das Goldtuch. Das Goldtuch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-35F4-F