586. Das schlafende Heer.

In katholischen Zeiten, als noch überall im Lande Klöster waren, führten die Mönche im Kloster zuMönch-Neversdorf das gottloseste Leben. Kein Frauenzimmer in der ganzen Gegend hatte vor ihnen Ruhe. Mit Gewalt rissen sie die Leute aus dem Schlafe, nahmen sie mit und zwangen sie dann dazu, in den Nächten ihnen einen großen unterirdischen Gang auszugraben und auszumauern, der bei Puttlos am Wasser der Ostsee ausmündet. Hierher begaben sie sich oft und trieben ihr ärgerliches Leben mit den Schifferfrauen. Die Mönche sollen allzumal einen Bund mit dem Teufel gehabt haben.

Ihr Leben und ihre Untaten kamen endlich dem Könige zu Ohren. Da schickte er Kriegsvolk aus, das Kloster zu zerstören und die Mönche allesamt gefangen zu nehmen. Aber die Mönche brachten es mit der Kunst dahin, daß sie das Heer bezauberten und es in den großen unterirdischen Gang einzog und da in tiefen Schlaf versank. Hier wird es nun schlafen, bis einst die Türken die ganze Welt erobert haben. Da wird über unser [395] Land ein weißer König herrschen, der auf einem weißen Pferde reitet. Sein Heer wird das letzte in der ganzen Christenheit sein und auch geschlagen werden. Dann aber wird er sein Pferd an einen Weidenbaum binden und in sein Wunderhorn stoßen. Alsobald werden die Schläfer erwachen und ein Heer wird kampfgerüstet aus dem Neversdorfer Gange hervorsteigen und die Türken schlagen, also daß nur ihrer sieben entrinnen.

Durch Herrn Schullehrer Kirchmann in Eutin. – Bechstein, Thüring. Sagen IV, 139.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Müllenhoff, Karl. Märchen und Sagen. Sagen, Märchen und Lieder. Drittes Buch. 586. Das schlafende Heer. 586. Das schlafende Heer. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-4701-4