334. Gott einmal verschworen, bleibt ewig verloren.

In dem Dorfe Fissau lebte vor vielen Jahren ein alter Hexenmeister; dem war es nicht genug über Menschen und Vieh böse Krankheiten zu bringen, sondern er verführte auch Jünglinge und Jungfrauen zu seiner höllischen Kunst und überlieferte ihre Seelen dem ewigen Verderben. In einer dunklen Nacht begab er sich einmal mit einem jungen Mädchen, ohne daß ein Dritter davon wußte, nach Eutin auf den Kirchhof und das Mädchen mußte den Ring der Kirchentür anfassen und ihm die Worte nachsprechen:


Hier faat ik an den Karkenrink,

Un schwöre Gott af un sien Kind.


Das Mädchen war erst wenige Tage vorher in der Kirche konfirmiert; nun hatte sie seit der Zeit keinen frohen Tag mehr und lebte in tiefer Schwermut. Sie ward nachher an den Schmied des Dorfes verheiratet, ward Mutter mehrerer Kinder; still und fleißig arbeitete sie den Tag über in ihrem Hause, aber die Nächte hindurch lag sie und weinte ihre bittern Tränen. Nichts gab ihr Freude und Ruhe und sie welkte so hin, bis endlich ihr letzter Tag da war. Da ward nach altem Brauch der Prediger zur Sterbenden gerufen; er betete und tröstete sie, sie aber sprach: »Ach, Herr Pastor, bete er nur immer zu; mir hilft doch nichts; denn ich bin eine Hexe«, und erzählte ihm die Geschichte jener Nacht. »Es ist kein Sünder so groß, der sich nicht legt in Christi Schoß«, tröstete sie der Prediger und bat sie, ihm nach ihrem Tode Nachricht zu geben, ob sie die ewige Seligkeit erlangt hätte oder nicht; im ersten Falle sollte sie ihm als Taube, im andern aber als Krähe erscheinen. Als man mitten im [226] Todeskampfe der Sterbenden noch einen Trunk reichte, seufzte sie laut: »O, wie brennt dat na de Höll herin!« und verschied.

Schon war eine längere Zeit seitdem verstrichen, als eines Sonntags nachmittags der Prediger in seiner Laube im Garten saß, und eine Krähe laut schreiend sich darauf niedersetzte. Der Prediger ging hinaus, um das Tier zu verjagen; aber es blieb sitzen und rief immer lauter. Da erinnerte er sich der Frau des Schmieds und fragte: »Also bist du doch nicht zu Gnaden gekommen?« Da antwortete die Krähe: »Gott einmal verschworen, bleibt ewig verloren!«

Herr Schullehrer Kirchmann in Eutin. – Als auf dem Dengelsberg bei Ehlersdorf (am Kanal) einmal drei Hexen verbrannt wurden, flogen zwei Raben über sie hin und riefen auch jene Worte; man kennt sie auch in Dithmarschen. – Der Reim »Gott verschworen, ewig verloren« kehrt in Süddeutschland wieder. Mones Anzeiger VI, 307.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Müllenhoff, Karl. Märchen und Sagen. Sagen, Märchen und Lieder. Zweites Buch. 334. Gott einmal verschworen, bleibt ewig verloren. 334. Gott einmal verschworen, bleibt ewig verloren. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-486A-3