296. Der Scheidevogt.

Zur Zeit der Aufteilung und Einkoppelung entstanden zwischen den Dörfern Albersdorf und Röst in Süderdithmarschen Grenzstreitigkeiten. Die Scheide konnte nicht ermittelt werden, bis ein Mann aus Albersdorf erklärte, daß er sie genau wisse und mit einem Eide seine Aussage bekräftigen [197] wolle. Zu dem Ende begab er sich an die Grenze der Albersdorfer Feldmark, füllte bei der Tensbüttler Furt, wo es durch die Gieselau geht, seine Schuhe mit Sand, ging dann nahe vor Röst und tat da seinen Eid, daß er auf Albersdorfer Grund und Boden stehe. Er glaubte den Meineid vermieden zu haben. Aber nach seinem Tode mußte er als Feuerkerl auf der Scheide umgehn (scheelgaan). Eine Flamme von Mannshöhe hat da gerade auf der Scheide in dunkeln Nächten lange umher gehüpft, bis das Moor trocken gelegt ward. Wenn sie recht hoch aufflackerte, erkannten sie die Leute und riefen: »Dat is de Scheelvaagt!« An der Stelle, wo er den Sand einfüllte, mußte jeder, der nachts da hindurch ging und kein reines Herz hatte, eine ziemliche Strecke weit den Teufel wie eine zentnerschwere Last auf seinem Rücken fortschleppen.

Auch zwischen dem Gute Röest und dem DorfeRabenkirchen in Angeln war einmal Streit um eine Hölzung. Der Edelmann füllte an einem Morgen Erde aus seinem Garten in die Schuhe, steckte Zweige von den Bäumen auf seinem Hofe auf den Hut, und tat nun im Gehölze, das den Rabenkirchnern eigentlich gehörte, den Schwur, daß er auf seiner Erde stünde und die Zweige über seinem Haupte sein wären.

Drei Männer aus Spandet im nördlichen Schleswig haben dem Dorfe Fjersted einmal die schöne Wiese Elkjœr abgeschworen; dafür erhielt Fjersted die schlechtere, Sepkjœr. Sie hatten auch Erde in die Holzschuhe genommen und büßten ihre Schuld, indem man sie nach ihrem Tode lange händeringend auf der Wiese umhergehn sah und sie ausriefen:


Med Ret og Skjel (Fug), Det ved vi vel, Elkjœr ligger til Fjersted Bye, Sepkjœr ligger til Spandet.


Mündlich. – Jensen, Angeln S. 232. – Herr Dr. Reimers auf Gramm. – Bei Jordkirch, Propstei Apenrade, sieht man mitunter zwei oder drei Lichter, die Braurup Trœdeeld die Brauruper Prozeßfeuer heißen, weil drei Bauern durch einen Meineid, indem sie Erde in ihre Schuhe nahmen, ihren Nachbaren Land abgeschworen und nun dafür brennen. – Kuhn, Märk. Sagen Nr. 52. Thiele, Danm. Folkes. II, 126.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Müllenhoff, Karl. Märchen und Sagen. Sagen, Märchen und Lieder. Zweites Buch. 296. Der Scheidevogt. 296. Der Scheidevogt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-4950-4