521. Die Zwerge verbrannt.

Einst hatten sich eine große Menge der Önnerersken in Niß Schmidts Hause im westlichen Morsum auf Sylt eingenistet und trieben ihr Wesen im Keller. Die Leute konnten kein Bier und Brot vor ihnen bergen; alles stahlen sie weg. Eines Tages aber ertappte die Wirtin einen von ihnen, da er eben beim Bierzapfen beschäftigt war. Die Frau stellte den Zwerg ernstlich zur Rede; er entschuldigte sich, so gut er konnte und versprach, [354] wenn sie ihn los ließe, einen solchen Segen in die Biertonne zu legen, daß sie nie leer werden sollte, so lange nicht ein Fluch darüber gesprochen würde. Seit der Zeit ward die Tonne nie leer, wie fleißig auch alle daraus schöpften. Doch eines Tages kam der Hauswirt in den Keller, um sich einen Trunk zu holen. Unbekannt mit dem Segen, der an der Tonne haftete, wunderte er sich darüber, daß das Bier ohne Aufhören herauslief, und brach endlich aus: »Dit is dag en Düwelstenn, dear nimmer leddig uud!« (Das ist doch eine Teufelstonne, die nie leer wird!) Augenblicklich verschwand der Segen, die Tonne war leer und die Önnerersken stahlen wieder Brot und Bier wie früher, ohne dafür Ersatz zu geben. Wirt und Wirtin waren in großer Not und wußten dem Übel nicht abzuhelfen. Sie fragten die Nachbarn um Rat; da sagte eine alte Frau, die in ihrer Jugend mit den Önnerersken viel Verkehr gehabt und oft mit ihnen gespielt hatte, daß einmal einer ihr offenbart hätte, daß es nur ein Mittel für die Menschen gebe, die Önnerersken los zu werden. Sie müßten nämlich das Haus in Brand stecken und ein Wagenrad vor jede Tür stellen; dann müßten die Önnerersken mit dem Hause verbrennen. Der Mann entschloß sich, sein Haus anzuzünden und stellte vor jede Tür ein Wagenrad. Als es nun in Flammen stand, da kamen die kleinen Gäste vor die Tür und steckten die Hände durch die Speichen und flehten um Erbarmung. Aber die Morsumer hatten kein Mitleid. Da rief der, welcher der alten Frau den Rat gegeben hatte, ihr zu: »Spölke, Spölke! (Gespielin!) wat heest dü mi forratt!« Es half aber alles nichts, man ließ das Haus verbrennen und ward so die Zwerge los.


Durch Herrn Hansen in Keitum auf Sylt. – Wolf, Niederl. Sagen 207. Grimm, Irische Elfenmärchen S. XXXVII. Fluchen bricht den Zauber.

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TextGrid Repository (2012). Müllenhoff, Karl. Märchen und Sagen. Sagen, Märchen und Lieder. Drittes Buch. 521. Die Zwerge verbrannt. 521. Die Zwerge verbrannt. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-49B3-4