483. Die Zahlen eins bis sieben.

Es war einmal ein Mann in Dithmarschen, der war ein Bauer, hatte Weib und Kind, sein Land gewährte ihm ein gutes Auskommen, [322] und wenn er auch sonst weiter kein Vermögen hatte, so lebte er doch glücklich und zufrieden. Da kam aber eine Seuche unter das Vieh, und seine Kühe starben und dann auch seine Pferde. Doch wußte er sich das erstemal noch neues Gut zu verschaffen, aber als die Seuche abermals und noch einmal seinen Stall leer fraß, da konnte er es nicht länger gut machen, wie es kleinen Bauern leicht geht, die nichts nachzusetzen haben, und er kam in die traurigste Lage. Milch, Rahm, Butter, alles fehlte im Hause; bei den Nachbarn ging's nicht viel besser und mit seinem baren Schilling in der Hand konnte er nichts bei ihnen bekommen. Die Not war groß. Sein Land mußte dies Jahr wüst und unbebaut liegen bleiben; denn die Pferde waren gestorben, die es bearbeiten sollten; und was war nun für den Herbst zu hoffen? In traurigen Gedanken über sein Unglück ging der Bauer in der Zeit, da sonst die Feldarbeiten begannen, übers Feld; er glaubte, Gott hätte ihn vergessen, und verzweifelnd schlug er die Hände über dem Kopf zusammen, wenn er an Weib und Kind gedachte. Da stand mit einem Male ein ganz kleines Männchen vor ihm in einem grauen Rock und mit einem dreieckigen Hut, das aber besonders klug aus den Augen sah. Der Bauer stutzte und wußte gar nicht, wo es herkam, da ja kein Fußsteig über sein Land ging; er wollte vorübergehn; aber das Männchen lief immer neben ihm her und redete ihn an: »So sag er mir doch, warum er so traurig ist, guter Mann. Vielleicht kann ich ihm helfen.« »Ach«, antwortete der Bauer, »wozu wäre das nütze und wie solltest du mir helfen können?« Der kleine Mann ließ aber gar nicht nach und fragte immer dringender wieder, bis ihm der Bauer alles offenbart hatte. Da kniff er seine kleinen Augen zu, schnalzte mit den Fingern und rief: »Wenn's weiter nichts ist, wenn's weiter nichts ist! Hör er also: Ich will ihm auf fünfundzwanzig Jahre vier Pferde geben, die können gegen zehn arbeiten und brauchen gleichwohl nicht gefüttert zu werden. Er kann sie jeden Morgen vorspannen und braucht sie nur abends in den Stall zu lassen; so will ich schon sorgen. Und in diesen fünfundzwanzig Jahren soll sein Land über und über reichlich tragen. Nur mache ich eine Bedingung: er soll, wenn die Zeit abgelaufen, mir eine Frage beantworten oder muß selber mein sein.« Der Bauer, ohne sich weiter zu bedenken und froh der Aussicht auf seine Rettung und sein Glück, sagte ja, er solle nur die Frage stellen, in fünfundzwanzig Jahren würde er schon die Antwort dar auffinden. »Nun«, sagte der Kleine, »so sollst du mir heute über fünfundzwanzig Jahre sagen, was die Zahlen von eins bis sieben bedeuten.« Er hielt seine Hand darauf hin und der Bauer schlug ein. Der kleine Mann ging nun noch mit dem Bauern bis ans Dorf, gab ihm einen vollen Beutel mit Geld und verschwand; als der Bauer zu Hause kam, standen die vier Pferde im Stall, und seine Frau sagte, daß ein fremder Knecht sie gebracht habe.

Nun kehrte Freude und Zufriedenheit wieder ins Haus zurück. Gleich wurden neue Kühe gekauft und die Haushaltung wieder in den [323] alten Gang gebracht. Jeden Morgen ging der Bauer mit seinen vier Pferden aufs Feld und es war wunderbar anzusehen, wie rasch die Arbeit vonstatten ging. Abends brachte er sie in den Stall und ließ den Kleinen für sie sorgen. Seine Ernte war reichlicher und besser als die seiner Nachbaren, und so ging's von Jahr zu Jahr, und bald ward der Bauer ein reicher, vermögender Mann, baute sich ein neues prächtiges Haus und kaufte viele große und schöne Ländereien, um seinen Hof zu vergrößern. Wenn ihm einmal die Frage einfiel, die er beantworten sollte, so dachte er, darauf kannst du dich noch nächstes Jahr besinnen, und er verschob sie. Endlich aber waren fünfundzwanzig Jahre herum; da half nun kein Verschieben mehr. Er fing an zu grübeln und zu raten, was wohl die Zahlen von eins bis sieben bedeuten, dachte Tag und Nacht und quälte sich, konnte aber nichts herausbringen. Darüber ward er erst ganz traurig und still und dann krank und elend und zehrte so allmählich ab. Seine Frau und Kinder sahen das mit großer Betrübnis und wollten von ihm wissen, was ihm fehle, er aber schwieg hartnäckig. Je näher aber der Tag kam, je schlimmer ward es mit dem Bauern. Speise und Trank wies er von sich, unruhig und voller Angst lag er in seinem Bette, bald betete und bald weinte er. Seine Frau und Kinder wichen nicht von seiner Seite. Als es nun gegen Mittag des bestimmten Tages kam, schärfte er seiner Frau aufs dringendste ein, alle Türen und Fensterladen des Hauses zu verschließen und niemand einzulassen, der ihn sprechen wollte. Da entstand ein greuliches Wetter, ein Sturm brach los mit Donnern und Blitzen und der Regen strömte vom Himmel. Da klopfte es leise an die Tür; weil sie aber drinnen ruhig blieben, klopfte es noch einmal und immer wieder und aufs flehentlichste bat einer um Einlaß und Schutz gegen das böse Wetter. Da wagte sich die Frau an die Tür und erblickte einen langen, schönen Mann von freundlichen, wohlwollenden Mienen, in schlichten Kleidern mit einem Stock in der Hand. Er ließ nicht nach mit Bitten und sagte, daß er es verstehe, Kranke zu heilen; da ließ die Frau ihn mitleidig endlich ein. Nun befahl er ihr und den Kindern, ihn bei dem Kranken allein zu lassen; er setzte sich an sein Bett, sprach ihm Trost ein und wußte durch seine Rede und sein Benehmen den Mann zu gewinnen, daß er unter vielen Tränen ihm den Grund seines Unglücks bekannte. Da sprach der Fremde: »Guter Freund, ihr seid leichtsinnig gewesen; aber ich will euch helfen. So sage ich euch denn:


Eins ist eine Schiebkarre,

Zwei eine Karjole,

Drei ein Dreifuß,

Vier ein Wagen,

Fünf die Finger an der Hand,

Sechs die Werktage in der Woche,

Sieben das Siebengestirn.


Und nun steht auf und seid gesund und getrost.« Der Bauer erhub sich und fühlte sich wirklich wieder leicht und wohl; als er aber sich umsah, [324] war der Fremde verschwunden. Da merkten sie, daß es unser Herr Christus selbst müßte gewesen sein; wo aber der Herr selber kommt, da hat der Teufel das Spiel verloren. Das Unwetter dauerte indes noch immer fort und schien immer ärger zu werden. Gegen Abend kam mit einem Wirbelwind der Böse ins Haus und fragte sogleich nach den Zahlen. Da lachte der Bauer und sagte es ihm. Nun konnte er ihm nichts anhaben; fluchend auf den lieben Herrgott ging er in den Stall, nahm die Pferde und fuhr mit ihnen durch die Luft davon. Sogleich nahm das Wetter ab und als der Teufel in der Hölle ankam, war es wieder ganz still und heiter. Der Bauer aber lebte fromm und fleißig noch lange Jahre glücklich unter dem Segen des Himmels.


Mündlich aus Dithmarschen. – Oben bei Nr. 308 ward verabsäumt, daß in einer dithmarschen Erzählung, ähnlich wie hier, aus einem Erdmännchen und Kobold der Teufel wird, der den vor der Taufe versprochenen Knaben eines armen Bauern versucht. Auch jene unter Nr. 308 haben dieselbe Verwandlung erlitten. Dies bestätigt eine nordschleswigsche, leider unvollständige Sage, in der ein armer Bauer einem hilfreichen Bergmann seinen ältesten Sohn verspricht, sobald er zwölf Jahre alt ist undsieben Fragen nicht beantworten kann. Zur festgesetzten Frist stellt sich glücklicherweise ein Fremder ein, der beantwortet die Fragen für den Knaben; der Bergmann verschwindet mit Gestank. Vgl. Nr. 234. Dies ist zugleich offenbar dieselbe Sage mit der mitgeteilten.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Müllenhoff, Karl. Märchen und Sagen. Sagen, Märchen und Lieder. Drittes Buch. 483. Die Zahlen eins bis sieben. 483. Die Zahlen eins bis sieben. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-4E90-8