259. Das Biikenbrennen.

Am Tage Petri Stuhlfeier dem 22. Februar ward inNordfriesland früher ein großes Fest gefeiert. Es war ein Frühlingsfest; denn dann verließen die Schiffer das Land und begaben sich wieder zur See. Am Abend des Tages zündete man auf gewissen Hügeln große Feuer, Biiken, an, und alle tanzten mit ihren Frauen und Bräuten dann um die Flamme herum, jeder Tänzer hielt in der Hand einen brennenden Strohwisch [174] und diesen schwingend riefen sie in einem fort: »Wedke téare!« oder »Vike tare!« (Wedke zehre!). Die Morsumer brannten ihr Feuer auf dem Hilligenhoog ab, der auf dem Hilligenört liegt, und früher mit Bäumen umgeben war. Die Archsumer, in deren Feldmark der Hügel liegt, hatten oft mit den Morsumern Streit darum; die Morsumer ließen sich aber nicht vertreiben. – Die Keitumer hatten ihre Biiken anfänglich auf demWedes-, Wends- oder Winjshoog, auf der Anhöhe Weenken. Auf Sylt heißt der Mittwoch noch heute Winjsday. Um Feuersgefahr zu vermeiden, wählte man später den Tipkenhügel. – Die Tinnumer benutzten je nach der Richtung des Windes bald den südlichen Wedhoog, bald den nördlichenWinjshoog. In Westerland und Keitum gab es außerdem einen Hellhoog, in Morsum einenHiilshoog.

Noch im vorigen Jahrhundert, alte Leute wissen es zu erzählen, wurde überall das Fest gefeiert und am andern Tage dann geschmaust. Die Prediger hatten schon lange dagegen geeifert, konnten aber die Sitte nicht ausrotten. Einst in der Nacht vor dem Petritage hatten die Rantumer wie gewöhnlich den Wede angerufen; die Feuer waren erloschen und die Leute waren schon alle zu Bette gegangen, als sie um Mitternacht wieder geweckt wurden und zu ihrer Verwunderung auf dem Biikenberge abermals ein gewaltiges Feuer lodern sahen. Als sie nun dahin eilten, um es zu löschen, da sahen sie ein schwarzes Ungeheuer, gleich einem großen Pudel von dem Hügel schleichen. Nun fürchteten sie, den Teufel leicht für immer beherbergen zu müssen, oder daß er doch oft seinen Besuch bei ihnen wiederholen möchte; darum so gelobten sie von nun an das Biikenbrennen zu unterlassen. Doch auf Westerlandföhr und Osterlandsylt zünden Kinder am 22. Februar noch heute die Feuer an.


Durch Herrn Hansen auf Sylt. – An demselben Tage ward früher auch auf Sylt auf den Thinghügeln dasFrühlings- oder Petrithing gehalten. DasSommer- oder Petri-Paulithing geschah am 29. Juni, und das Herbstthing am 26. Oktober. – In Dithmarschen zündet man am Walpurgisabend, dem Abend vor dem ersten Mai, auf Hügeln und Kreuzwegen große Feuer an, die man Baken nennt. Knaben und junge Leute tragen von allen Seiten Stroh und dürre Reiser zusammen, und unter Jubeln und Springen wird der Abend bei der Flamme hingebracht. Einige größere Bursche nehmen ganze Strohbündel auf eine Forke, laufen damit umher und schwenken sie so lange, bis sie ausgebrannt sind. Ebenso feiert man auch auf Fehmarn, das von Dithmarschen aus vorzeiten ist bevölkert worden, mit Bakenbrennen den Maiabend. – In derWilstermarsch stecken die Knechte und Jungen große brennende Schoofe am Osterabend in die Weiden (Pullwicheln); das nennt manOstermaenlüchten. Im östlichen Holstein zündet man auch am Osterabend, aber auch am Johannisabend solche Feuer auf Hügeln und Wegen an. – Über Johannis- und Maifeuer in unserm Lande Arnkiel I, 109. Laß, Husumsche Nachrichten I, 150. Schütze, Idiotik. IV, 371. (Dazu vgl. unten Nr. 336.) Schröder, Topographie von Schleswig II, S. 169. – In der Wilster- und Krempermarsch ruft man beim Aufsteigen jedes neuen Feuers, dessen man ansichtig wird: Ostermaan! Ostermaan!

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TextGrid Repository (2012). Müllenhoff, Karl. Märchen und Sagen. Sagen, Märchen und Lieder. Zweites Buch. 259. Das Biikenbrennen. 259. Das Biikenbrennen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-4FDF-0