Fünfunddreißigste Erzählung.

Kluges Verfahren eines Mannes, um seine Frau von ihrer Neigung, die sie für einen Franziskaner gefaßt hatte, abzubringen.


In Pampeluna lebte eine Dame, die sehr schön, tugendhaft und keusch war und auch für die Frömmste im Lande galt. Sie liebte ihren Mann so sehr und gehorchte ihm so eifrig, daß er ihr in allen Stücken vertraute. Diese Dame fehlte bei keinem Gottesdienst und bei keiner Predigt und suchte ihren Gemahl und ihre Kinder zu bewegen, ihr nachzuahmen. Sie war jetzt 30 Jahre, in einem Alter also, in dem die Frauen das Attribut schön mit fromm und verständig zu vertauschen pflegen. Einmal ging diese Dame am ersten Fastensonntag in die Kirche, wo ein Franziskaner die Predigt hielt, den alle Welt wegen der Strenge und Gerechtigkeit seines Lebens, das ihn ganz mager und blaß gemacht hatte, für einen heiligen Mann hielt, der aber nichtsdestoweniger einer der schönsten Männer war. Die Dame lauschte andächtig der Predigt und hielt die Augen auf den ehrwürdigen Pater geheftet und merkte auf alle seine Worte. Die Milde seiner Worte drang bis in ihr [262] Herz, und die Schönheit und Anmuth seines Gesichts grub sich so sehr in ihre Augen ein, daß sie ganz in Entzücken gerieth. Nach der Predigt paßte sie genau auf, wo er die Messe hielt, und wohnte derselben bei. Sie nahm die geweihte Asche aus seinen Händen, die so schön und weiß wie ihre eigenen waren, und sie sah mehr auf sie als auf die Asche, überzeugt, daß eine so durchgeistigte Liebe, wie sehr sie auch ihr Herz erfreute, ihr Gewissen nicht belasten könnte. Von nun an ging sie alle Tage in die Predigt und nahm ihren Mann immer mit sich; beide waren so voll Lobes für den Pater, daß über Tisch und sonst nichts anderes zwischen ihnen gesprochen wurde. Diese anfangs rein geistige Liebe erfaßte aber schließlich ihre ganze Person, und das in ihrem Herzen glimmende Feuer durchströmte bald den ganzen Körper dieser armen Dame. Je länger es gedauert hatte, bis eine solche Gluth überhaupt sich ihres Herzens bemächtigte, um so schneller griff das Feuer nun um sich, und noch bevor sie sich ihre Leidenschaft eingestand, spürte sie schon das Glück einer solchen Leidenschaft an sich, und wie jeder von Gott Amor Ueberrumpelte widerstand sie keinem seiner Wünsche mehr. Das Beste dabei war aber, daß der Verursacher ihrer Leiden nichts von dem angerichteten Uebel ahnte. Sie ließ deshalb alle Furcht, einem so weisen Manne ihre Thorheit und einem so tugendhaften ihre frevelhafte Neigung zu zeigen, beiseite und schrieb ihm anfangs, allerdings nur zaghaft, von ihrer Liebe und übergab ihren Brief einem kleinen Pagen, mit der genauen Weisung, wohin er ihn zu tragen habe, und dem Befehl, sich garnicht von ihrem Manne auf dem Wege zu dem Franziskaner erwischen zu lassen. Der Page schlug den kürzesten Weg ein und kam zufällig durch eine Straße, in der der Ehemann der Dame in einem Laden saß. Der Edelmann sah ihn vorüberkommen und paßte auf, wohin er ginge. Als der Page ihn so bemerkte, wurde er verlegen und versteckte sich in ein Haus. Seinem Herrn fiel das auf, er folgte ihm deshalb, faßte ihn am Arm und fragte, wo er hingehe; als er nun seine unzusammenhängenden Entschuldigungen hörte und die Bestürzung, die sich auf seinem Gesicht malte, sah, drohte er ihm mit Schlägen, wenn er nicht die Wahrheit sprechen werde. Der Page sagte nun: »O Herr, wenn ich es Euch sage, wird Eure Frau mich umbringen.« [263] Der Edelmann argwöhnte nun, daß seine Frau etwas hinter seinem Rücken thue, und versicherte dem Pagen, daß er ihm nichts Schlimmes anthue, ihn vielmehr belohnen würde, wenn er aber lüge, werde er ihn für sein Leben einsperren. Der kleine Page zog die versprochene Belohnung der angedrohten Bestrafung vor, erzählte ihm alles und zeigte ihm den Brief, den seine Herrin an den Pater geschrieben hatte. Der Edelmann war sehr betroffen und betrübt, da er bisher seine Frau immer nur für sehr redlich erfunden und niemals einen Fehler an ihr entdeckt hatte. Er war aber verständig genug und verbarg seinen Zorn, und um der Absicht seiner Frau auf den Grund zu kommen, setzte er eine Antwort auf, als wenn der Pater ihr für ihr Entgegenkommen dankte und erklärte darin, daß er nicht anders wie sie dächte. Nachdem der Page geschworen, den ganzen Zwischenfall geheim zu halten, brachte er seiner Herrin den gefälschten Brief, worüber sie solche Freude empfand, daß ihr Mann sehr wohl die Veränderung in ihrem Gesichte bemerkte; anstatt nämlich von den Fasten magerer zu werden, war sie schöner und frischer als zur Zeit des Carnevals. Schon war Mittfasten herangekommen, und auch während der Osterzeit und der heiligen Woche ließ sie nicht ab, in ihrer Gewohnheit, dem Pater in Briefen ihre Neigung kund zu geben, fortzufahren. Wenn er die Augen zu ihr hin wandte und von der Liebe Gottes sprach, schien es ihr, als spräche er von ihrer Liebe, und soweit ihre Augen zeigen konnten, was sie im Stillen meinte, zeigte sie es freimüthig. Ihr Mann fuhr fort, ihr Antworten zu schicken. Nach Ostern schrieb er ihr an des Paters Stelle, sie möchte ihm die Möglichkeit geben, sie heimlich zu sehen. Sie wartete schon lange hierauf und rieth ihrem Mann, einige seiner Landgüter zu besuchen; er versprach ihr das, versteckte sich aber im Hause eines seiner Freunde. Die Dame schrieb nun dem Pater, er könne nun kommen, ihr Mann sei verreist. Der Edelmann wollte seine Frau bis zum Letzten auf die Probe stellen und ging zum Pater und bat ihn, ihm seine Kutte zu leihen. Der Pater, der ein sehr würdiger Mann war, sagte ihm, seine Regel verbiete ihm das, und er würde seine Kutte nicht zu irgend welchem Maskenscherz hergeben. Der Edelmann versicherte ihm, es handle sicht nicht um ein Vergnügen oder einen Scherz, vielmehr [264] um sein Lebensglück und seine Rettung. Der Mönch kannte ihn als ehrenhaften Menschen und borgte ihm sein Habit; jener deckte sich mit der Kapuze das Gesicht zu, so daß man seine Augen nicht sehen konnte, nahm einen falschen Bart und eine falsche Nase, ähnlich der des Paters, und legte Korksohlen in seine Stiefel, um die Statur des Mönchs zu erreichen. So vermummt ging er am verabredeten Abend in das Zimmer seiner Frau, welche ihn mit Andacht erwartete. Die Thörichte wartete garnicht, daß er erst zu ihr kam, sondern stürzte wie sinnlos gleich auf ihn zu und umarmte ihn. Er, mit gebeugtem Haupt, um nicht erkannt zu werden, machte das Zeichen des Kreuzes und wich von ihr zurück, indem er immer ausrief: »Wehe, welche Versuchung, welche Versuchung!« Sie antwortete: »Ihr habt nur zu rechten, ehrwürdiger Vater; es giebt keine stärkere, als die von der Liebe ausgeht, die Ihr mir heilen wollt, wie Ihr versprochen; ich bitte Euch, erbarmt Euch nun meiner, wo wir Zeit und Gelegenheit haben.« Während dieser Worte versuchte sie ihn zu umarmen, er aber floh vor ihr durch das Zimmer unter vielen Bekreuzigungen, indem er nur: »Versuchung, Versuchung!« rief. Als er aber merkte, daß sie ihm zu nahe kam, nahm er einen großen Stock unter seinem Mantel hervor und schlug auf sie so sehr ein, daß er ihr die Versuchung austrieb. Dann ging er, ohne von ihr erkannt zu werden, schleunigst fort, brachte dem Pater die Kutte zurück und versicherte ihm, daß sie ihm Glück gebracht habe. Am anderen Morgen that er, als käme er von auswärts wieder nach Hause zurück, fand dort seine Frau zu Bett und fragte sie nach der Ursache ihrer Krankheit, als wenn er nichts davon wüßte. Sie sagte, sie leide an einem Katarrh und könne Arme und Beine nicht bewegen. Der Mann hatte große Lust zu lachen, stellte sich aber sehr betrübt und sagte ihr, um ihr einen Gefallen zu erweisen, habe er für das Abendessen den Pater zu sich gebeten. Sie sagte ihm aber eiligst: »Das thue ja nicht, mein Lieber, lade nicht solche Leute ein, die nur Unglück in die Häuser bringen.« »Wie, meine Liebe?« fragte ihr Mann, »Du hast mir diesen doch so sehr gelobt, und ich meine, wenn es überhaupt einen heiligen Mann giebt, dann ist er es.« Seine Frau antwortete: »Sie sind gut in der Kirche und bei ihren Prediaten, in den Häusern aber sind sie [265] die reinen Antichristen. Laßt mir ihn deshalb nicht vor die Augen kommen, denn, krank wie ich schon bin, könnte es mich tödten.« Ihr Mann antwortete: »Da Ihr ihn nicht sehen wollt, will ich ihn nicht zu Euch führen; aber ich werde ihn bei mir bewirthen.« »Haltet das, wie Ihr wollt«, erwiderte jene, »daß ich ihn nur nicht sehe, ich hasse diese Leute wie den Teufel.« Nachdem der Edelmann den Pater bewirthet hatte, sagte er ihm: »Ich glaube, mein Vater, daß Ihr so von Gott geliebt seid, daß er Euch keine Bitte verweigern wird. Ich bitte Euch deshalb inständig, habt mit meiner Frau Mitleid, die seit acht Tagen von einem bösen Geist besessen ist und alle Welt kratzen und beißen will. Selbst das Krucifix und geweihtes Wasser hilft nichts. Ich glaube aber, wenn Ihr die Hand auf sie legt, wird der böse Geist entweichen, ich bitte deshalb, thut dies.« Der Pater antwortete: »Mein Sohn, Alles ist dem Gläubigen möglich. Seid Ihr nicht fest überzeugt, daß die Güte Gottes keines Menschen Bitte, die im Glauben an ihn gerichtet ist, zurückweist?« »Ich glaube fest daran«, sagte der Edelmann. »Seid auch versichert, daß Gottes Macht so groß wie seine Güte ist. Gehen wir also, in unserem Glauben stark, um diesem schnaubenden Löwen zu widerstehen und ihm die Beute zu entreißen, welche durch das Blut Jesu Christi Gott gebührt.« So führte der Edelmann den Pater zu seiner Frau, welche auf einem Ruhebett lag. Sie war sehr erstaunt, den zu erblicken, von dem sie sich geschlagen wähnte, und wurde heftig und zornig; da aber ihr Mann zugegen war, senkte sie die Augen und verhielt sich ruhig. Der Mann sagte zu dem Pater: »So lange ich neben ihr bin, plagt sie der Teufel nicht; sowie ich aber fort bin, besprengt sie mit Weihwasser und Ihr werdet sehen, wie der böse Geist sein Wesen in ihr treibt.« Dann ließ er ihn mit seiner Frau allein, blieb aber in der Thür stehen, um ihr Verhalten zu beobachten. Als sie nur noch den Pater im Zimmer sah, begann sie wie eine Verrückte zu schreien und nannte ihn einen schlechten Kerl, Lumpen, Mörder, Betrüger. Der Franziskaner glaubte nicht anders, als daß sie wirklich vom Teufel besessen sei, und wollte ihren Kopf zwischen seine Hände nehmen, um über ihm seine Gebetformeln zu sprechen; sie kratzte und biß ihn aber dermaßen, daß er aus größerer Entfernung zu ihr sprechen [266] mußte, und während er sie reichlich mit Weihwasser besprengte, beschwor er den bösen Geist. Als der Mann sah, daß er seine Rolle gut gespielt hatte, ging er wieder ins Zimmer zurück und bedankte sich bei ihm für seine Bemühung. Bei seinem Eintritt ließ die Frau von ihren Verwünschungen und Schimpfreden ab und küßte ganz still das Krucifix aus Furcht vor ihrem Mann. Der Pater, der vorher ihre ganze Wuth mit angesehen hatte, war ganz überzeugt, daß auf seine Bitten Gott den Teufel aus ihr vertrieben hatte, und ging fort, von Dank gegen Gott wegen dieses Wunders erfüllt. Als der Mann nun seine Frau wegen ihrer thörichten Untreue genugsam bestraft glaubte, wollte er ihr nichts von seinem eigenen Thun weiter sagen. Er war zufrieden, ihre Neigung durch seine Klugheit besiegt und sie in einen solchen Zustand versetzt zu haben, daß ihr, was sie vorher geliebt hatte, jetzt tödtlich verhaßt war und sie ihre Thorheit verabscheute. Von dieser Zeit an ließ sie auch die Personen der Kirche ganz aus dem Spiele und widmete sich noch mehr als vor dem Zwischenfall nur ihrem Mann und ihrer Wirtschaft.

Als Hircan so geendet, fuhr er fort: »Hieraus, meine Damen, könnt Ihr die Verständigkeit des Mannes und die Schwachheit einer im übrigen so achtungswerthen Frau ersehen, und wenn Ihr recht in diesen Spiegel geschaut haben werdet, so glaube ich, werdet Ihr anstatt Euch auf Eure eignen Kräfte zu verlassen. Euch zu dem wenden, in dessen Händen Eure Ehre liegt.« Parlamente sagte: »Ich freue mich, daß Ihr nun auch unter die Prediger gegangen seid, besser wäre es noch, wenn Ihr so fortführet und allen Damen, mit denen Ihr sprecht, solche Reden hieltet.« Hircan antwortete. »So oft Ihr mich nur anhören wollt, will ich so zu Euch reden.« »Das heißt«, warf Simontault ein, »wenn Ihr nicht dabei seid, wird er anders reden.« Parlamente erwiderte: »Mag er es halten, wie er will; zu meiner eigenen Beruhigung will ich aber glauben, daß er immer so spricht. Mindestens kann die von ihm erzählte Geschichte denen von Nutzen sein, welche der Meinung sind, eine seelische Liebe sei ungefährlich; ich finde im Gegentheil, sie ist gefährlicher als irgend eine andere.« Oisille sagte: »Immerhin ist es keine verächtliche Sache, einen ehrwürdigen, tugendhaften und gottesfürchtigen Mann zu lieben, und man kann davon nur gewinnen.«

[267] »Ich bitte Euch, glaubet mir«, sagte Parlamente, »daß nichts dümmer und nichts leichter zu täuschen ist, als eine Frau, die niemals geliebt hat. Denn die Liebe hat schneller ein Herz erfaßt, als man es gewahr wird, und diese Leidenschaft bereitet solchen Genuß, daß, wenn sie sich gar mit dem Mantel der Tugend umhüllen kann, es viel Mühe macht, einzusehen, daß auch Ungehöriges daraus entstehen kann.« Oisille fragte: »Was für Ungehöriges könnte daraus entstehen, einen achtbaren Mann zu lieben?« Parlamente erwiderte: »Es giebt viele Männer, die einen guten Ruf mit Bezug auf die Damen haben; aber vielleicht giebt es nur einen einzigen Menschen zu unserer Zeit, der in Wirklichkeit ein Gott so wohlgefälliges Leben führte, daß man ihm seine Ehre und sein Gewissen anvertrauen könnte. Die, welche anders denken und jenen glauben, sind schließlich doch die Getäuschten, und während Gott der Ausgangspunkt ihrer Neigung war, machen sie zuletzt mit dem Teufel gemeinsame Sache. Ich habe genug gesehen, die ein Verhältniß unter dem Deckmantel von Gottes Worten begannen, und als sie sich später zurückziehen wollten, konnten sie es nicht mehr, denn jener Vorwand hatte sich fest in ihre Seele eingenistet und sie blind gemacht. Eine lasterhafte Liebe trägt ihre Verurtheilung in sich selbst und kann in einem verständigen Herzen nicht Raum finden; den Gegensatz hierzu, und das nennt sich Tugend, bilden die so fein gesponnenen Fäden, daß man eher gefangen ist, als man sie überhaupt merkt.« »Hiernach müßte nie eine Frau einen Mann lieben wollen«, sagte Emarsuitte, »aber Euer Glaubensbekenntniß ist so hart, daß es nicht lange dauern wird.« »Ich weiß das wohl« gab Parlamente zur Antwort, »aber ich werde nicht aufhören zu wünschen, daß eine jede sich mit ihrem Manne zufrieden gäbe, wie ich es mit dem meinigen thue.« Emarsuitte fühlte sich durch dies Wort getroffen, wechselte die Farbe und sagte: »Entweder müßte jeder Mann ein Herz wie Ihr haben, oder Ihr müßt Euch besser als die übrigen Frauen dünken.« »Beginnen wir keinen Streit«, sagte Parlamente, »Hircan möge uns vielmehr sagen, wem er das Wort giebt.« »Ich gebe es Emarsuitte«, sagte dieser, »um sie mit meiner Frau auszusöhnen.« »Da die Reihe an mich gekommen ist«, erwiderte diese, »will ich weder Mann noch Frau schonen, damit alle gleich behandelt werden. [268] Und da Ihr gesehen habt, daß es Euch schwer fällt, einzugestehen, daß sich auch unter den Männern Güte und Tugend findet, so will ich über diesen Punkt eine Geschichte erzählen.«

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TextGrid Repository (2012). Navarra, Margarete von. Erzählungen. Der Heptameron. Vierter Tag. 35. Erzählung: [Kluges Verfahren eines Mannes]. 35. Erzählung: [Kluges Verfahren eines Mannes]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-5EF2-B