10. Am ersten Sontage nach der H. drey König Tage

Zun Röm. am 6.

Auff den 13. Psalm

Wie lang wilt du, o lieber Herr.


Durch unsers Gottes Gütigkeit,
Die über uns schwebt jederzeit,
Vermahn ich euch, o lieben Brüder,
Bewahret euren Leib und Glieder,
Mit denen ihr umbhüllet seyd.
Laßt sie ein reines Opffer seyn,
Thut weg der falschen Wollust Schein,
Entsagt den schnöden Sachen allen;
Wolt ihr dem Höchsten wolgefallen,
So räumt ihm Leib und Sinnen ein,
[208]
Gleicht euch nicht dieser eiteln Welt,
Die nichts vom Himmel in sich helt;
Verneuret eure gute Sinnen,
Wolt ihr, was Gott euch heist, beginnen
Und leben, wie es ihm gefällt.
Er hat die Gnade mir gethan,
Daß ich darff sagen jederman,
Er solle sich nicht mehr erheben
Als ihm ist Maß und Ziel gegeben
Von ihm, der alles geben kan.
Ein jeder halte ja von sich
In rechter Demut mässiglich,
Nach dem Gott seines Glaubens Gaben,
Den wir von ihm nur einig haben,
Getheilt hat unter mich und dich.
Der Seelen Hauß, der Leib, ist wol
Von Bein, Haut, Blut und Adern voll,
Von Gliedern schön und außerlesen,
Doch hat ein jedes Glied sein Wesen,
Dem es genug thun muß und soll.
So sehn wir, daß es sich befind,
Daß wir ein Leib in Christo sind
Und Glieder, die deß Geistes Gaben
Von unterschiednen Kräfften haben,
Nach dem uns Gott die Gnade gönnt.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Opitz, Martin. Gedichte. Geistliche Dichtungen. Die Episteln der Sontage und fürnembsten Fest deß gantzen Jahrs. 10. Am ersten Sontage nach der H. drey König Tage. 10. Am ersten Sontage nach der H. drey König Tage. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-6292-8