Das dritte Buch
Inhalt

In diesem Buch wird geredt von der Unschuld und gutem Gewissen, welch eine veste Mauer und Zuflucht es sey, ihm wohl bewust seyn, und umb Gottes, der Religion und der Freyheit willen Gewalt leyden. Darneben wird auch angezeigt, was unverzagte ritterliche Helden, welche gute Sache mit grossem Muth unnd Beständigkeit schützen, für unsterbliches Lob und Ruhm bey den Nachkommenen zu gewarten haben.


Ob wol der Tugend Trost, von dem wir jetzt gehöret,
Ein männliches Gemüth' auff alle Fälle lehret
Behertzt und freudig seyn in dieser letzten Zeit,
Da nichts, als Elend ist, als Krieg und schwerer Streit,
Doch ist diß nicht genug; wir müssen ferner wissen,
Wie eine gute Sach und heiliges Gewissen
Das Leyd und Kümmernüß deß Hertzens wenden kan,
Was Uebel und Gewalt uns auch wird angethan.
Ist etwas auff der Welt bequem und gut zu nennen,
Nach dem man frü und spat sol trachten, lauffen, rennen,
[298]
Und das den Herren sol ersuchen Groß und Klein,
So wird es wol gewiß der edle Friede seyn.
Wo er sein Lager hat wird Gottesfurcht geübet,
Gerechtigkeit erbaut, Scham, Erbarkeit geliebet,
Die Künste fort gepflantzt, die Güter nehmen zu,
Land, Statt, Mensch, Vieh und Feld geneust der süssen Ruh.
Erwacht der strenge Mars, da bleibt nichts unversehret,
Gar kein Gesetze gilt, kein Recht wird mehr gehöret,
Weil Waffen und Gewehr zu viel Getümmel macht;
Die Frömmigkeit reißt auß, die Zucht gibt gute Nacht.
Was können aber doch die armen Künste machen,
Was kan Apollo thun bey solchem wilden Krachen?
Tringt auch der Musen Thon und lieblicher Gesang
Durch solches Feldgeschrey unnd durch der Paucken Klang?
Die starcke Schwefelglut, der Schall von den Geschützen,
Von denen Jupiter auch könte lernen plitzen,
Macht, daß die Vögel sich begeben in die Flucht,
Daß Fisch und Wild entrinnt unnd neue Wohnung sucht.
Es kehrt sich alles umb, muß über Hauffen fallen,
Und was am schlimmsten noch ist unter diesem allen,
Der fühlet offtermals am meisten in der That,
Der an dem Wesen selbst am minsten Theiles hat.
Tisiphone wird loß, kömpt an den Tag gegangen,
Gefärbt mit Pech und Rauch, umbkrönt mit schwartzen Schlangen,
Läßt ihren Acheron, den brennenden Morast,
Hat Zwytracht, Gramschafft, Neid, Haß, Zanck und Mord gefast
Und wirfft sie auff den Plan; es rotten sich zuhauffen
Auch manche, die zuvor dem Hencker kaum entlauffen.
Wer Güter, Hauß und Hof verschlemmt, verpraßt, verzehrt,
Wer nirgend sicher ist, wen grosse Schuld beschwert,
Wer keine böse That für sich zu viel seyn schätzet,
Wer an deß Landes Fall Hertz, Augen, Sinn ergetzet,
Wem alles gleiche gilt, ob der, ob jener siegt,
(Dann fromme Völcker man so leichte nimmer kriegt)
Der kömpt und trägt sich fail; und diese sollen finden,
Was vor verloren ist, die sollen überwinden,
Die legt man in die Statt, die legt man auff das Feld,
Die werden als ein Bild der Tugend fürgestelt.
So folgt gemeiniglich ein grosser Krieg dem kleinen,
Und was noch weiter ist, es bleibt nicht bey dem einen,
Es schiessen mehr hernach; so ist das tieffe Meer,
Bald kömpt allhier ein Fluß, bald da ein andrer her.
Diß alles und noch mehr ist starck uns zu bewegen,
Daß niemand unbedacht sol Kampff und Streit erregen.
[299]
Gar leichtlich kan das Schwerd auß seiner Scheyden seyn,
Es steckt sich aber nicht so leichtlich wider eyn.
Ein christlicher Herr weiß, daß der, auff den er trauet,
Hoch auß den Wolcken her auff alle Menschen schauet,
Und daß er endlich ihm, der keinem Unrecht thut,
Sol geben Rechenschafft für jeden Tropffen Blut.
Er schaffet was er kan die Zwytracht zu vermeyden,
Er wil an seinem Recht' auch lieber Unrecht leyden,
Eh als durch ihn der Krieg, der Streit, der Mord, der Brand,
Diß Jammer sol entstehn nur umb ein Stücke Land.
Der König herrschet recht, regiert am allerbesten,
Erweitert wol sein Reich, der nach deß Himmels Vesten,
Nach Gottes schönen Statt bestellt sein Regiment,
Da nichts, als stäte Ruh, als Huld und Freundschafft brennt.
Der Wille, den der Fürst der Fürsten uns verschrieben,
Sein letztes Testament, das heist: Einander lieben,
Heist Fried und Einigkeit; diß ist der letzte Zoll,
Das Loß, durch welches man die Kirche kennen soll.
Ein hohes Hertze läßt den Krieg sich nicht erschrecken,
Erfordert es die Noth, pflegt doch ihn nicht zu wecken,
Im Fall er immermehr verhütet werden kan;
Ein wildes grimmes Thier läufft alle Menschen an.
Dergleichen Obristen zwar hat es wol gegeben,
Die nichts so sehr gesucht, als Auffruhr zu erheben,
Umb das man von der Kunst und grossen Dapfferkeit,
Mit welchen sie begabt, nur sage weit und breit.
Ein schändlicher Gebrauch! Ist auch ein Artzt zu loben,
Der wündschet, daß die Pest doch solte grausam toben,
Daß überall von ihm die Sage möchte gehn,
Der Mann könn' auff die Cur sich sonders wol verstehn?
Wer wolte den Patron nicht in der See erträncken,
Der sich, wann Sturmwind kömpt, mit Fleisse dürffte lencken
Auff Stein und Klippen zu, zu kriegen das Geschrey,
Wie sehr bescheyden er im Schiffregieren sey?
Wil aber sonsten ja kein Rath und Weg ersprissen,
Wil unser Nachbar gar von keinem Frieden wissen,
Wird uns das harte Joch und Dienstbarkeit zu schwer,
So sucht man billich dann das Schwerd unnd Faust-Recht her.
Diß hat ja die Natur die Bestien gelehret,
Nicht uns nur die Vernunfft, wann eines wird versehret,
So thut es, was es kan. Kein Würmlein ist so schwach,
Es gibet der Gewalt nicht, als bezwungen, nach.
[300]
Was kan nun besser seyn, dann für die Freyheit streiten
Und die Religion, wann die von allen Seiten
Gepreßt wird und verdruckt, wann die kömpt in Gefahr,
Wer sol nicht willig stehn für Herd und für Altar?
Der Zweck ist recht und gut; vom Teuffel ist er kommen,
Der auch dem Teuffel selbst (wie offtmals wird vernommen)
Umb seinen guten Sold getreulich dienen wil.
O weg, dergleichen Sinn, o weg das böse Ziel!
Ein solches Lästermaul ligt dort und hier darnider.
Wer Gottes wegen kriegt, für den kriegt auch Gott wider,
Dem reicht er seine Hand, dem springt er treulich bey,
Zu Trutze dieser Welt und aller Tyranney.
Was hat man jener Zeit in Franckreich doch gewunnen,
Wie hin durch gantz Pariß die neuen Hochzeitbrunnen
Gequollen sind durch Blut, durch Christenblut, gemacht,
Wie auch der Bräutigam fast selbst ward umbgebracht?
Was ward für Wüterey und Toben nicht getrieben?
Der streitbare Colin ward erstlich auffgerieben,
Auff Erden fortgeschleppt, ins Wasser eingesenckt,
Mit Feuer halb verbrandt, in Lüfften auffgehenckt.
Die andern folgten nach; da wolte nichts erschiessen,
Wie sehr man sich verkroch, es worden fortgerissen
Hoch, Nidrig, Reich und Arm; ein Mann, ein blosser Mann
Hat, wie er sich gerühmt, Vierhundert abgethan.
Ich meyne, daß man sey den Alten nachgegangen,
Busiris nämlich hat die Gäste so empfangen,
Und Diomedes auch, der gute milde Mann,
Nam frembde Leut' also mit seinen Rossen an.
Nun diß war in Pariß; was anderswo geschehen,
Ist über Menschen-That; kein Bitten, Seufftzen, Flehen,
Kein Klagen ward erhört; man übte solche Pein,
Daß auch der Hencker sol darvor erschrocken seyn.
Kein Hugenottenhauß, kein Winckel ward vergessen,
Der armen Leute Fleisch von Hunden auffgefressen,
Theils auch der faisten Schmeer von Aertzten auffgekaufft,
Der Rhodan selber stund, der sonst so strenge laufft.
Der Leichen grosse Zahl ist häuffig fürgeschossen,
Und hat ihn zugestopfft, so, daß er nicht geflossen,
Biß endlich noch das Blut, das auß den Cörpern trat,
Da Wasser auffgeschwelt und fortgeführet hat,
Und als das todte Heer so starck nach Tours geschwommen,
Hat fast die gantze Statt die Flucht von dar genommen,
Alarm, Alarm gerufft. Zu Arles tranck man nicht,
Dieweil an diesen Fluß sonst Wasser dar gebricht.
[301]
O Schande dieser Zeit! Wer hat vor Zeit und Jahren
Auch in der Heydenschafft dergleichen doch erfahren?
Noch ward auch Gelt gemüntzt unnd gar darauff gepregt:
Die wahre Gottesfurcht hat Billigkeit erregt.
O schöne Gottesfurcht durch Menschenblut besprenget!
O schöne Billigkeit, da alles wird vermenget,
Da nichts nicht als Betrug, als Falschheit wird gehört,
Da der Natur Gesetz' auch selber ward versehrt!
Was halff der Meuchelmord? Die Kirch' ist doch verblieben,
Grünt mehr jetzt da, als sonst, und sie sind auffgeschrieben
In Gottes rechte Hand, der wird auff jenen Tag,
Da niemand aussen bleibt, da nichts sich bergen mag,
Sie zieren allesampt mit einer Ehren-Cronen,
Die nicht verloren wird, wird reichlich sie belohnen,
Die theuren Märtyrer; sie werden nach der Zeit
Für allen herrlich seyn dort in der Ewigkeit.
Nun was sich nach der That mit Carlen zugetragen,
Wiewol er drauff geruht, beliebt mir nicht zu sagen.
Es bleibet einmal wahr: Gewalt und Tyranney
Sind auch noch auff der Welt nicht ihrer Straffe frey.
Sie tragen für und für den Hencker in dem Hertzen,
Der beißt und naget sie, der lescht die Marterkertzen
Nicht auß zu Tag und Nacht, er streckt sie ohne Ruh,
Da hilfft kein Seytenspiel und kein Orlandus zu.
Sie müssen hier noch sehn die höllischen Göttinnen,
Die machen ihnen warm, die geisseln ihre Sinnen;
Diß ist Ixions Stein, der allzeit sich bewegt,
Der Gast, den Tityus auff seiner Leber trägt.
Der Leib wird offte zwar mit Kranckheit übergangen
Durch einen leichten Fall, kan aber Hülff' empfangen;
In böser Leute Sinn scheußt Gott den harten Pfeil,
Der gar zu tieff verletzt, an dem man nicht wird heyl.
Die Träume bey der Nacht, das Schüttern in dem Schlaffe,
Das hin und wider sehn ist schon ein Schmack der Strafe
Die nochmals kommen sol, wo Rhadamantus wohnt
Und allen, wie gehört, mit Pech und Schwefel lohnt.
Wie schreibt Tiberius, wie muß er selbst bekennen,
Er pflege Tag für Tag mit grosser Qual zu brennen?
Wie still und sicher auch die Ziegen-Insel war,
So ließ ihn doch nicht frey die Furchte für Gefahr,
Und nicht umbsonst; sein Geist ward schändlich auffgegeben,
So pflegt es zuzugehn mit der Tyrannen Leben.
Nicht viel ziehn so hinab biß an Cocytus Schlund
Und sehen ohne Blut den schwartzen Hellenhund.
[302]
O wol hergegen dem, der wider sein Gewissen
Nichts denckt, nichts redt, nichts thut! Er kan der Ruh geniessen,
Wann alles mißlich ist; er triumphiert und steht,
Was Unrecht und Beschwer ihm unterhanden geht.
Wer frisch ist und gesund kan ruhig ligen bleiben,
Biß sich der helle Tag tringt durch die Fensterscheiben,
Auff einer harten Banck; ligt einer an der Gicht,
Er schläfft gewißlich auch in weichen Betten nicht.
So hat ein schlimmer Mensch auch gar zu guten Zeiten,
Genugsam mit sich selbst zu fechten und zu streiten.
Thut einer, was er sol und ist ihm wol bewust,
Er bleibt in aller Noth und Trübsal bey der Lust,
Wird nimmer umbgestürtzt, ist allezeit derselbe,
Und fiele schon herab das himmlische Gewölbe,
Daß alle Winckel hier gantz würden umbgestört,
So stünde doch sein Sinn getrost und unversehrt.
Drumb, sind wir schon jetzund beträngt an allen Enden,
So kan die Unschuld doch uns allen Kummer wenden,
Dieweil wir ja das Schwerd genommen in die Hand,
Durch Notturfft angereitzt, für Gott und unser Land.
Diß, diß ist unser Zweck; wer umb Gewinn sonst krieget,
Bringt wenig Ehre weg, wie trefflich er auch sieget.
Wann (wie es mißlich steht) der Feind den Platz behelt,
So läßt er seinen Leib nur umb das schnöde Gelt.
Es ist ein schöner Spott, für gute Sachen sterben;
Diß ligt uns nunmehr ob, diß, diß hat zu erwerben,
Wer sonsten unter uns durch Krieg, durch Blut, durch Streit
Erlangen wil den Ruhm und Lob der Dapfferkeit.
Jetzt steht die Freyheit selbst wie gleichsam auf der Spitzen,
Die schreyt uns sehnlich zu, die müssen wir beschützen;
Es mag das Ende nun verlauffen, wie es kan,
So bleibt die Sache gut, umb die es ist gethan.
Wann die Religion wird feindlich angetastet,
Da ist es nicht mehr Zeit, daß jemand ruht und rastet.
Viel lieber mit der Faust wie Christen sich gewehrt,
Als daß sie selbst durch List und Zwang wird umbgekehrt.
Es thut zwar nicht sehr wol, sich feindlich lassen jagen,
Verlieren Haab und Gut, doch die Gewissen plagen,
Das tringt viel weiter noch, als nur durch Marck und Bein,
Sie wollen nicht beträngt, nicht überladen seyn.
Der Leib ist unterthan, der Geist ist nicht zu zwingen,
Geht ledig, frey und loß, pflegt sicher sich zu schwingen,
So weit es ihm gefällt, verläßt sein enges Hauß,
Fleugt dieses grosse Rund auch augenblicklich auß.
[303]
Die güldne Freyheit nun läßt kein Mann eher fahren,
Als seine Seele selbst; dieselbe zu verwahren,
Derselben Schutz zu thun, ist allzeit gut und rechte;
Wer sie verdrücken läßt, wird billich auch ein Knecht.
Wer kan sein Vatterland dann wüste sehen stehen,
Daß er nicht tausendmal muß einen Tag vergehen?
Die Gunst, die jederman zu ihm von Hertzen trägt,
Wird selbst durch die Natur von Kindheit an erregt.
Wie weit wir von ihm seyn, wie wol es umb uns stehet,
Wie glücklich es uns auch bey frembden Leuten gehet,
Brennt seine Liebe doch in uns bey Tag und Nacht
Und kömpt uns ewiglich nicht gäntzlich auß der Acht.
Das liebe Vatterland hat erstlich uns erzeugt
Und auff die Welt gebracht, hat erstlich uns gesäuget.
Von dieser Mutter kömpt uns alles Gut und Nutz,
Drumb sucht sie widerumb bey uns auch billig Schutz,
Und ist derselbe Mann verständig und bescheyden,
Der lieber für sie wil, als mit ihr, Schaden leyden.
Die uns das Leben gibt, erfordert es die Noth,
Für die gehn billich wir hergegen in den Todt.
Ich wil mich lieber ja von wegen ihr ergeben,
Zu sterben als ein Mann, als hier in Schanden leben.
Ich lasse nimmermehr mit besserm Lobe hin,
Das, was ich der Natur doch sonsten schuldig bin.
Dergleichen Krieg pflegt Gott und Menschen gut zu heissen,
Und pfleget selten auch zum ärgsten außzureissen;
Ob erstlich zwar der Lauff was mißlich gehen wil,
So kömpt doch erstlich Gott, und thut das Widerspiel.
Wer wundert sich doch nicht, der Niderland betrachtet,
Der Spanschen Hoffart Zaum? Wie war es so verachtet?
Noch hat der kleine Platz so viel, nächst Gott, gethan,
Was warlich die Vernunfft gar übel fassen kan.
Philippus war nun Herr, wo Phebus auffzustehen,
Das grosse Liecht der Welt, und nider pflegt zu gehen;
Er hatte mehrentheils fast unter seine Macht
Der Amphitrite Strom und grosses Reich gebracht;
Noch risse Holand loß. Die Marter, Pein und Plagen
Der grimmen Tyranney war länger nicht zu tragen;
Das sehr beträngte Volck ward endlich auffgehetzt,
Nach dem sein Blut genug das gantze Land genetzt
Und Alba solchen Grimm und Wüterey begangen,
Dergleichen nie gehört; die Ritterschafft gefangen,
Den edlen Helden Horn sampt Egmund weggerafft,
Die Stätte leer gemacht, die Leute fortgeschafft,
[304]
In Wald und Wüsterey Mann, Weib und Kind vertrieben,
Gejaget auff die See. Jedoch sind sie geblieben;
So wenig haben sich der grossen Macht erwehrt,
Und ihren harten Dienst in Freyheit umbgekehrt.
Durch alles dieses Blut, durch so viel tausend Cronen
Auß Peru her geholt, durch hundert Millionen,
Und hundert noch darzu, kam Spanien so weit,
Daß jetzund Niderland der Herrschafft ist befreyt,
Das werthe Niderland; sie haben zugenommen
Durch solchen Zwang und Trang, sind in die Schlösser kommen
Verborgen in ein Schiff mit Wasen zugedeckt,
Gleich wie Ulüsses sich in Trojens Pferd versteckt.
Ist je deß Feindes Heer zu starck auff sie gezogen,
So haben sie ihn doch mit Kriegekunst betrogen,
Sich sicher eingeschantzt und Wälle fürgemacht,
Darhinter seinen Zorn und Wüten außgelacht,
Er schlug sein Lager auff, die Stätte wegzubringen;
Vergebens und umbsonst, sie waren nicht zu zwingen,
Wie sehr man sie auch trieb. Er faste Leyden an,
Ließ keinen ein noch auß, verrante Weg und Bahn,
Von aussen zu stritt' er, der Hunger war darinnen,
Doch er vermochte nicht die Mauren zu gewinnen;
Der Hunger zwang den Leib, die Hertzen blieben stehn.
Man sahe groß und klein wie blosse Schatten gehn;
Das Kind nach an der Brust (wer denckt doch ohn Erbarmen,
An solche grosse Qual!) fiel auß der Mutter Armen,
Die Mutter auff das Kind, und blieben beyde tod,
Noch hielten sie doch auß auch sonder Speis' unnd Brod,
Und blieben hungrig starck, biß daß die wüsten Wellen
Und Thetis selber kam, sich für sie darzustellen.
Da gieng Baldeus weg, sein Hauffen gab die Flucht
Und hat den nassen Ort bißher nicht mehr besucht.
Jetzt wohnt Apollo da mit seinen Pierinnen,
Die wunderschöne Statt hat alle hohe Sinnen,
Hat alle Wissenschafft in ihren Kreiß gebracht
Und an deß Krieges Statt der Künste Sitz gemacht.
Ostende, wo bleibt diß? Das hat der Feind gewonnen,
Wo das gewonnen heißt mit so viel Geldes-Tonnen,
Durch so viel Schweiß und Blut da haben angesiegt,
Da nichts nicht, als ein Heer verfaulter Körper ligt,
Da Sand erobert wird. Ach, also Lob erwischen,
So triumphieren, heißt mit güldnen Netzen fischen;
Und war das minste doch, das hier der Spanier that;
Die Kälte legte sich im Winter für die Statt,
[305]
Im Sommer kam die Pest. Nach dreyen gantzen Jahren
Da giengen sie darvon, die noch bey Leben waren,
Die andern hielten auß. Was also sich ergab,
Das war ein Todenfeld und stinckicht Leichengrab.
So thun sie Widerstand, das Volck zu Stahl und Eisen
Von Wiegen an gewehnt, sie dürffen auch wol reysen,
Biß an die Gades hin, wie Hemskerck hat gethan,
Der unbewegte Held; der unverzagte Mann
Schlug nicht, wie Hercules, an eben diesem Orte
Den grossen König tod, er kam fast an die Pforte
Bey der die Sonne schläfft, umbschloß das weite Meer
Mit Feuer und Metall und schlug da grosse Heer,
Biß daß man ihm den Fuß vom Leibe weggeschossen,
Noch stund sein strenger Sinn, sein Leben ward beschlossen,
Der Sieg noch lange nicht; die Seinen stritten fort
Und donnerten mit Plitz und Hagel umb den Port:
Die See ward heiß darvon, die Menschen auff den Lande
Vergiengen halb vor Furcht' und sturben halb vor Schande;
Sie stackten Fahnen auß, doch leyder allzuspat,
Der traurig' Admiral fand gar zu schlechten Rath.
Hier sahe nun der Feind auß diesem grossen Wercke,
Da ward er recht gewahr, daß Tod und Höllenstärcke,
Daß Phlegethon auch nicht dem Sinne Wage helt,
Der vor sein Land und Recht sich zu der Wehre stelt.
So pflegt das edle Volck die Feyheit zu beschützen,
Geboren umb die Flut und umb die rauen Pfützen,
Gehärtet durch den Wind, daß niemals wird bewegt,
Das, wann es nöthig ist, die Häuser mit sich trägt.
O Feind (so sagen sie) nimb alles, wo wir leben,
Wir wollen sonder Scheu uns in die See begeben,
Wir wollen sonder Scheu, wo jetzt die Schiffe gehn,
Dir bloß zu Hohne nur, befreyt und sicher stehn.
So weit der Himmel reicht und da die Wolcken treiben,
Ist eben, wo man wohnt, ist, wo wir können bleiben
Und unser Weib und Kind, gar weit von deiner Hand.
Wo du nicht bist, allda ist unser Vatterland.
Ach, Teutschland, folge nach, laß doch nicht weiter kommen,
Die, so durch falschen Wahn so viel schon eingenommen,
Zu Schmach der Nation; erlöse deinen Rhein,
Der jetzund Waffen trägt vor seinen guten Wein.
Gott, die Religion, die Freiheit, Kind und Weiber,
Sol dieses minder seyn, als unsre schnöde Leiber,
Die gleich so wol vergehn? Was Notturfft bey uns thut,
Es gehe, wie es wil, das bleibet recht und gut.
[306]
Der Nutz ist offenbar; die Freyheit zu erwerben,
Für Gottes Wort zu stehn, und ob man müste sterben,
Zu kriegen solches Lob, das nimmer untergeht,
Das hier mit dieser Welt wie in die Wette steht,
Diß, diß ist der Gewinn und süsse Lohn der Zeiten,
So allen Helden bleibt, die rittermässig streiten.
Sie werden widerumb von fornen an geborn
Und wären sie zuvor auch hundert mal verlorn.
So ward der Hercules vor einen Gott erwehlet,
Und sein Gestirne wird auch noch von uns gezehlet,
Umb daß er unverzagt viel Thaten auff sich nam
Und dem beträngten Volck in Noth zuhülffe kam.
Deß Menschen Leben ist umbzäunt mit engen Blancken,
Hat wenig Platz und Raum, sein Lob fleugt sonder Schrancken,
Wird nirgend eingesperrt und bricht sich an den Tag,
So weit der Sonnenglantz die Welt bestrahlen mag.
Umb dieses pflegte ja Themistocles zu wachen,
Sich, wie Miltiades, durch Ruhm bekant zu machen
Mit grosser Tapfferkeit; diß ist das Seytenspiel,
Der schöne Klang, so ihm für allen wolgefiel.
Es ists, nach welchem noch viel hohe Seelen streben
Und sterben auch mit Lust, auff daß sie immer leben.
Ein auffgewachtes Hertz' und prächtiger Verstand
Begehrt gerühmt zu seyn durch die gelehrte Hand,
Die nicht verschwinden kan. Die Stätte zwar veralten,
Die Mauren fallen umb; kein Stein kan immer halten:
Was ein sinnreicher Geist mit seiner Feder pflantzt,
Ist vor der Zeit Gewalt versichert und beschantzt.
Wem aber für den Tod durch ihn nicht wird gerathen,
Der bleibet jederzeit sampt allen seinen Thaten
Verdeckt mit hoher Nacht. Die Art hat Lethes Fluß,
Daß, welcher auß ihm trinckt, vergessen werden muß.
Es haben ihrer viel in nunmehr alten Zeiten
Wol grossen Ruhm verdient umb ihren Muth und Streiten,
Sie ligen aber jetzt versteckt und ungeehrt,
So daß man gantz und gar von ihnen nicht mehr hört.
Was hilfft es, daß ein Mann durch Tugend, Witz und Kriegen
Weit über alle steigt und bleibt hernach verschwiegen?
Was Gutes man von ihm bey seinem Leben spricht,
Geniessen seiner doch, die nach ihm kommen, nicht.
Was der Poeten Volck und sonst gelehrten Sinnen
In ihre Fäuste kömpt, da wircken keine Spinnen
Ein Webe drüber her; ihr grünes Lorbeerlaub
Kehrt alles sauber ab und leydet keinen Staub.
[307]
Durch sie bleibt nichts hindan, durch sie wird angezündet
Das Liecht, mit welchem man sich auß dem Dunckeln findet,
Durch sie wird sonderlich das Kleinod auffgelegt
Das manchen Rittersman zu Wettelauff' erregt.
Der Alexander selbst pflag neben seinem Degen
Homerus weises Buch ihm zu der Hand zu legen,
Auch wann er lag und schleiff; diß war sein schönes Bild
Das ihm der Tugend Ruhm stäts unter Augen hielt.
Es ward ihm auch zur Zeit Achillens Grab gewiesen,
Den der Poete hat mit solcher Art gepriesen;
O Jüngling, hub er an, wie wol stehts doch mit dir,
Umb daß Homerus dich erhalten für und für!
Und recht, dann wäre nicht die hohe Kunst gewesen,
Durch welche wir noch jetzt deß Helden Mannheit lesen,
So wäre mit dem Grab', in das er ward gestreckt,
Auff eine Zeit sein Leib und Name zugedeckt.
Der Bücher Gutthat ists, daß viel noch wird gefunden
Was längst hat fort gemust. Ist nicht Athen verschwunden,
Der freyen Künste Marckt? Wo ist jetzt Griechenland?
Wo ist der Musen Quell, durch alle Welt bekant?
Wo sind die Musen selbst? Sie haben müssen stertzen,
Ihr Sitz ist umbgekehrt: In der Gelehrten Hertzen,
In ihren Hertzen steht, was allzeit übrig bleibt,
Was keine Feindes Macht und Raub er Zeit vertreibt.
In Büchern wird jetzund noch Socrates gehöret,
Und die Akademie, wo Plato saß, geehret;
In Büchern bleibt noch jetzt deß Phebus Tempel stehn,
Da Aristoteles pflag auff und abzugehn.
In Büchern streitet auch Lysander noch zu Lande,
Themistocles zur See, ligt Cimon in dem Bande;
Die Stelle selber ist vom Türcken abgestrickt,
Parnassus der ist gantz in Barbarey erstickt.
Durch dieses wilde Volck, durch diese Pest der Erden
Hat Kunst und Wissenschafft gedämpffet müssen werden,
Hat eine grosse Schar der armen Christenheit
Nun müssen dienstbar seyn so trefflich lange Zeit.
Deß wüsten Heeres Haupt, der blutige Tyranne,
Denckt täglich, wie er doch sein Thun noch höher spanne,
Sieht uns mit Freuden zu, sitzt an der Port' und lacht,
Daß Teutschland durch sich selbst wird feindlich hingebracht.
Sein Wundsch gelinget ihm. Da uns doch wil gebühren
Mit höchster Einigkeit die Macht auff ihn zu führen,
Mit welcher, leyder, wir uns selber schädlich seyn,
Umb dieses seufftzen jetzt die Christen groß und klein,
[308]
Die unter seiner Last gar kaum sich können wenden;
Sie schreyen auff uns zu mit auffgereckten Händen:
Zerreiß, o werthes Volck, doch nit dein eygnes Land,
Greiff dieses lieber an, beut lieber uns die Hand:
Nimb dieses schöne Reich doch auß deß Feindes Rachen,
Daß einig durch Gewalt und ungerechte Sachen
Ist worden hingeraubt, nimb wider deine Statt,
Die vor der Zeit mit Rom so weit regieret hat.
Judea bittet auch mit unerschöfftem Flehen,
Reicht seine Palmen her, die häuffig da zu sehen,
Das Zeichen deß Triumphs, zeigt auff den edlen Ort,
Da Gottes Sohn für uns geschlachtet und durchbohrt
So schwär gelitten hat, und wo er ist gelegen;
Es seufftzet und begehrt, wir wollen doch erwegen
Daß dieser Christenfeind und Bluthund sonder Ruh
Gedencke, wie er auch mit uns dergleichen thu
Und unter glattem Schein' hieher sich könne tringen,
Das ihm dann leichter sey anjetzund zu vollbringen,
In dem ihm Thür und Thor von uns steht auffgethan,
So daß er, wann er wil, kan geben dritte Mann.
Nun wider auff den Zweck und rechtes Ziel zu kommen,
Darvon mich Griechenland mit sich hinweg genommen,
Die Ehre, die ein Mann durch Krieg zu hoffen hat,
Bewegt ihn billich auch zu ritterlicher That.
Was kan doch schöner seyn, als unter vielen Helden,
Von derer Tapfferkeit die Bücher ewig melden,
Auch auffgeschrieben stehn mit Schrifft, die nicht verlischt,
Die gar kein Regen nicht, noch schwartzer Staub verwischt?
Es wird zwar offtermals, was würdig ist zu schauen,
Auff Holtz, Stein, Ertz und Gold, geschnitzt, gemahlt, gehauen
Durch guter Künstler Fleiß; gehn hundert Jahr' herbey,
So sieht man kaum, worauff das Werck gestanden sey.
Was die Geschicklichkeit auff ihrem Amboß schläget,
Mit ihrem Eisen gräbt, von ihrem Golde präget,
Das gläntzt je mehr und mehr; der todenbleiche Neid
Kömpt nur biß an das Grab, thut keinem weiter Leid.
So viel von Lügen auch durch falsche Lästerzungen
Der Sachen Billigkeit kan werden auffgetrungen,
Hat mißlichen Bestand, bleibt in die Länge nicht;
Die blosse Warheit tringt doch endlich an das Liecht,
Reißt durch der Boßheit Dampff, gleich wie der Sonnen Wagen
Durch aller Wolcken Dunst pflegt unverletzt zu jagen,
Und treibt den Nebel fort; wie sehr man sie versteckt,
So bleibt sie von der Zeit doch nicht ohnauffgedeckt,
[309]
Die nach uns kommen wird, die nichts weiß von Schmarotzen,
Die nicht bestochen wird, die weder Gunst noch Trotzen
Noch sonst Practicken hört, dardurch wol mancher Mann
Betreugt und widerumb betrogen werden kan.
Da wird der gantzen Welt ohn alle Scheu verkündet,
Was sonst vertuschet wird, die Fackel angezündet,
Die klärlich offenbart, was beydes schlimm und gut
Gehandelt worden sey, die keinem Unrecht thut.
Dann wird die Tyranney durch stäte Schmach bezahlet,
Mit ihrer rechten Farb' auffs Leben abgemahlet;
So wird Caligula nach solcher langen Zeit,
So wird noch Nero jetzt sampt andern angespeyt.
Dann werden außgestellt zu aller Menschen Hassen,
Die die Religion im Stiche sitzen lassen,
Der Freyheit abgesagt, und wo der Wind geweht,
Umb zeitlichen Gewinn den Mantel hingedreht.
Auch dieser Schande kan nicht unvergessen bleiben,
Die ihnen nicht begehrt den Unfall abzutreiben,
Die, wann sie schon gekunt, der Armen Creutz und Pein
Mit treuem Rath und That nicht beygesprungen seyn.
Wir Menschen sind geborn einander zu entsetzen,
Und keinen durch Gewalt gestatten zu verletzten.
Wer dem, der unrecht stirbt, nicht beyspringt in der Noth
Und seinem Feinde wehrt, der schlägt ihn selber tod.
Der aber ist fürwar den Göttern zu vergleichen
Und weit mehr, als ein Mensch, der seine Hand wil reichen
Der unterdrückten Schar, die Rettung bey ihm sucht
In Widerwertigkeit, und nimpt zu ihm die Flucht,
Der aller Leute Zorn wil lieber auff sich laden,
Der seiner Nutzbarkeit wil selber lieber schaden,
Als seines Gottes Ruhm unnd was deß Nächsten Nutz,
In eusserster Gefahr verlassen ohne Schutz.
Was dann ihm immermehr für Trübsal widerfähret,
So hat er seinen Trost, zu welchem er sich kehret,
An dem er sich erhelt, spricht sein Gewissen an,
Den Zeugen, der nicht fehlt und nicht betriegen kan;
So richtet er sich auff, so bleibt er sicher stehen,
Ja, solte schon die Welt zu tausend Trümmern gehen,
So wird er doch nicht bleich, erligt nicht durch den Fall,
Laufft seiner Unschuld zu, der vesten Wand von Stahl.
O werthes Volck, wolan, das du durch dieser Zeiten
Gewitter, Wind unnd Sturm, durch so viel Müh und Streiten
Der rechten Sachen hilffst, gib ja den Muth nicht auff,
Halt veste, wancke nicht, vollende deinen Lauff.
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Hilfft ja nichts anders zu und muß es seyn gestorben,
So weichet der Verlust doch dem, was wird erworben.
Das Lob, dem Neid und Zeit gar keinen Schaden thut,
Wird wolfail eingekaufft umb eine Handvoll Blut.
Laßt doch den frembden Stoltz uns nicht mit Füssen tretten,
Der auch der Sonnenbahn gedenckt mit einer Ketten
Zu schliessen in sein Reich; befreyet unser Recht
Von solcher Hoffart doch, der eine Welt zu schlecht.
Laßt uns doch hertzhafft seyn, den Namen unsrer Alten,
Der unvergänglich ist, auch jetzund zu behalten,
Die ewigen Triumph mit ihrer Macht ereilt
Und unter sich den Raub der Völcker außgetheilt,
Von denen man hernach viel Lieder hat erdichtet
Auff unser Mutterteutsch, wie Tacitus berichtet,
Und wie man auch jetzund in Cimbrien hier find,
Da sehr viel Reimen noch von alters übrig sind.
Ey folgt, ey folget nach, begebt euch bey die Helden
Von derer kecken Sinn' auch noch die Schrifften melden;
Bewahrt der Eltern Ruhm und werthen Namen rein,
Daß wir von teutscher Art und Alle-Männer seyn.
Daß eure Tapfferkeit die jetzt und künfftig leben
Biß an den Himmel sich bemühen zu erheben,
Und das Gerüchte sey weit über Meer und Land:
Noch hat die gute Sach' am letzten Oberhand.

Ende deß dritten Buchs.

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TextGrid Repository (2012). Opitz, Martin. Gedichte. Geistliche Dichtungen. Trostgedichte in Widerwertigkeit deß Kriegs. Das dritte Buch. Das dritte Buch. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-62D4-1