Nr. 148. Das vertriebene Gespenst.

Über den zellerfelder Kirchhof führet ein Weg, der sonst wenig gegangen wurde, am allerwenigsten aber des abends und des nachts zwischen elf und zwölf Uhr. Denn eine lange weiße Gestalt, wie eine weißgekleidete Jungfrau, hat früher diesen Weg bewacht und jeden zurückgeschreckt, der ihn hat gehen wollen. Wie man sich einmal davon unterhält, daß die weiße Gestalt mit einem Bunde Schlüssel da alle Nacht stehe, und jedem den Rest gäbe, der da durchgehe, entschließen sich zehn kräftige und mutwillige junge Burschen, der Sache auf den Grund zu kommen, und begeben sich mit Stöcken bewaffnet nach dem Gottesacker. Als sie oben beim Hospital angekommen sind, verlieren sie aber alle, bis auf einen untersetzten, aber sehr kampflustigen kleinen Mann, den Mut. Dieser spricht zu [134] seinen Kameraden: gebt mir einen tüchtigen Stock für meine kleine Eiche, dann will ich allein hingehen und sehen, was es giebt. Man giebt ihm einen tüchtigen Knüttel und mutig und trotzig geht er über den Kirchhof. Es ist gerade des nachts zwischen elf und zwölf Uhr gewesen. Da, wo der Weg bald aus der Mauer vom Kirchhof herabführt, steht die weiße Gestalt. Er geht darauf zu und sagt laut und deutlich: »Guten Abend!« bekömmt aber keine Antwort. Er wendet sich wieder um und spricht: »Guten Ohmd ho ich gesaht!« Wieder keine Antwort. Da geht er wieder zurück und spricht: »Guten Ohmd ho ich gesaht. Seid ihr denn epper tahb?« Die Gestalt antwortet nicht. Da wird er zackig, greift nach dem Schlüsselbund und schlägt mit dem Stocke nach der Gestalt. Da ist alles verschwunden und hat sich seit der Zeit nichts wieder auf dem Gottesacker sehen lassen.

Der annotierte Datenbestand der Digitalen Bibliothek inklusive Metadaten sowie davon einzeln zugängliche Teile sind eine Abwandlung des Datenbestandes von www.editura.de durch TextGrid und werden unter der Lizenz Creative Commons Namensnennung 3.0 Deutschland Lizenz (by-Nennung TextGrid, www.editura.de) veröffentlicht. Die Lizenz bezieht sich nicht auf die der Annotation zu Grunde liegenden allgemeinfreien Texte (Siehe auch Punkt 2 der Lizenzbestimmungen).

Lizenzvertrag

Eine vereinfachte Zusammenfassung des rechtsverbindlichen Lizenzvertrages in allgemeinverständlicher Sprache

Hinweise zur Lizenz und zur Digitalen Bibliothek


Rechtsinhaber*in
TextGrid

Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Pröhle, Heinrich. Sagen. Harzsagen. Sagen der Bergstädte Klausthal und Zellerfeld. 148. Das vertriebene Gespenst. 148. Das vertriebene Gespenst. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-83B8-C