[141] Rede Gustav Adolfs zu Nürnberg

am 21. März 1632.


Wer wird, o Vaterland, wer wird dir doch vermelden
Die Thaten ohne Zahl des hochberühmten Helden,
Der voller Mut und Treu aus Schweden zu dir kam
Und, wie ein Vater thut, sich deiner Not annahm?
Wer wird den klugen Sinn doch klug genug beschreiben,
Die Reden mein' ich, die in tausend Büchern bleiben
Der Ewigkeit zu Trotz? Es sol die lange Nacht
Doch nie verdunkeln, was, du Held, hast vorgebracht. 1
Du warest ja, nicht nur den Krieg allein zu führen,
Geschicket und bereit, du wußtest auch zu zieren
Die Sprachen durch die Kunst, dir stund das Reden an,
Als hätt' es Cicero und der Muret gethan.
Ein Teutscher hat dich oft mit Freuden angehöret,
Wie du sein Vaterland durch seine Sprach' verehret
Im Lenzen deiner Zeit, teutsch, redlich, ohne List,
So daß kein teutsches Herz', o König, dein vergißt.
Das große Nürenberg, wie war es doch vol Freuden,
Als es nach mancher Not und ausgestandnen Leiden
Dich, Held, zum ersten Mal vor seiner Pfort' empfieng,
Da gleich dein mutigs Volk zum Feind' in Bayern gieng!
Die Fama macht' es kund, der König wär' fürhanden,
Der großen Stadt zum Trost, der Feinde Macht zu Schanden;
Der König, der sich längst der kugelrunden Welt
Durch hohe Tapferkeit zum Wunder vorgestellt.
So bald dieß Nürenberg, die edle Stadt, vernommen,
Wie daß der Helden Kron' zu ihnen würde kommen
Und reiten in die Stadt, da hat man sich mit Macht
Gerüstet und in Eil' die Reuter aufgebracht.
Nicht Reuter, wie man jetzt aus Bauren pflegt zu machen,
Die grob und tölpisch sein, da mancher was zu lachen
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Und zu verspotten hat, nein Nürenberg ist wert,
Daß sie von Königen und Fürsten wird verehrt.
Die Reuter zogen auf, sehr herrisch ohn' Gelächter,
Doch prächtig angethan. Erst kamen die Geschlechter,
Hernach die Bürgerschaft, zuletzt der ganze Rat,
Der kniend unsern Held Gustav empfangen hat.
Sie führten ihn hinein durch so viel schöner Gassen,
Gezieret überall, besetzet bestermaßen
Mit wolstafiertem Volk; es rief die ganze Schar:
»Glück zu, Gustavus, Glück, Glück sei dir immerdar!
O neuer Josua, o Held von Gott gegeben,
Der Höchste sei dein Schutz, der friste dir dein Leben,
Das unsers noch erhält; glückselig sei der Tag,
Der Tag, da Nürenberg dich frölich schauen mag!«
So rief das freie Volk. Ja vielen Stadtgenossen
Ist drauf ein Zährenbach die Wangen ab geflossen,
Als sie das tapfre Thun, die Sitten, Wort und Gehn
Der trefflichen Person erstarret angesehn.
»Wie solts doch müglich sein,« sprach der, »daß solche Gaben
Ein Mensch, der sterblich ist, könt ohn' die Gottheit haben?«
Und jenner rief: »Fürwahr, ich sag es ohne Spott,
Halb ist er nur ein Mensch, halb ist er wie ein Gott.
Der Himmel hat ihm selbst die Herschaft hie auf Erden
Gutwillig zugestellt, die prächtige Geberden,
Mit Freundlichkeit vermischt, dieß zeiget uns ja frei,
Daß dieses Häubt der Welt auch kaum einst sterblich sei.«
Bald ließ der weise Rat viel schöner Gaben bringen
Von Habern, Fischen, Wein und mehr dergleichen Dingen,
Die man nach altem Brauch verehret, wenn die Stadt
Ein hochgebornes Häubt zum Gast bekommen hat.
Noch wurden zum Geschenk mit Pauken und Posaunen
Ihm prächtig vorgeführt vier brausende Carthaunen
Mit aller Zugehör, das war Gustavus Lust,
Wie denen, so für ihn gestritten, ist bewust.
Noch hatt' er nicht genug, er muß auch das noch wissen,
Wie Nürenberg so hoch der Künste sich beflissen,
Da man zur Gab' ihm bracht zwo großer Kugeln für, 2
Von Silber ausgemacht, woran die höchste Zier
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War diese, daß man sie ganz künstlich ausgegraben,
Denn auf dem einen stund des Himmels Lauf erhaben,
Der ander deutet' an der runden Erden Kloß;
Sie waren beide schön, vergüldet, theur und groß.
Dieß war noch merkenswert: sie hatten ihre Decken,
Doch künstlich ausgehölt, im Fall man wolte schmecken
Lyäus süßen Saft im königlichen Sal,
So funden sich zugleich zwo Kugeln, zwo Pokal.
Herr Führer war bestellt, die Gaben einzubringen,
Er bat den König sehr, daß er vor allen Dingen
Die ihm getreue Stadt ließ anbefohlen sein,
Als die, nächst Gott, auf ihn nur hoffen thät allein.
Der König nahm es an, und zwar mit großen Gnaden:
»Der Gaben sind zu viel, damit ihr mich beladen«,
Sprach er aus Höflichkeit, »doch könt ihr diese Zeit
Mir liebers schenken nicht als teutsche Redlichkeit.
O lasset euch mit mir die Not sein angelegen,
Die Not, so alle trifft, die unser Feind erregen,
Daß sie in ihrem Grimm mit Morden, Raub und Brand
Verheeren jämmerlich das werte Vaterland.
O lasset euch nicht Geiz, noch Lust, noch Haß verführen!
O lasset unsern Feind kein Schrecken an euch spüren,
Er poche, trotze, wüt' und was er immer kan,
Ei, rennet ihr mit mir zu unserm Gott hinan!
Der Feind wird keine Kunst noch Arbeit unterlassen,
Mit unerhörter List, mit Schrecken, Dräuen, Hassen
Zu trennen euch von mir, euch, die ihr alle Macht
Vor Gottes Ehr' und Lehr' zu wagen seid bedacht.
Es ist ja offenbar, wie stark sie sich verbunden,
Die sich, das teutsche Reich zu tilgen, unterwunden;
Jetzt suchen sie zwar Fried', ach, wie ein falscher Schein!
Ja, Frieden mein' ich, der euch sol ein Henker sein.
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Gott hat ja diese Stadt gleich selber auferbauet
Und euch und eurem Schutz so manche Seel' vertrauet.
Nun sind viel schöner Städt', und zwar durchs teutsche Land
So wol als anderswo, mir ziemlich wol bekant,
Noch wüst' ich keine fast, die besser mir gefallen
Hätt' als eur Nürenberg, die preis' ich noch ob allen;
Ja, sie behält die Kron, darum bedenkt es wol,
Wie man so großes Volk also regieren sol,
Damit ihr dermaleinst, wann ihr dies eitle Leben
Beschlossen, gute Red' und Antwort könnet geben
Dem Richter, der sich nicht mit Gaben blenden läßt.
Drum haltet ja am Wort und am Gewissen fest.
Ihr seid fast allzumal aus altem Stamm entsprossen,
Ihr seid Geschlechter ja, der Ehr' habt ihr genossen,
Der Ehr' und hohen Ruhms, den euch der Alten Fleiß
Erworben hat: wolan, vermehret diesen Preis!
Wo Phoebus Fackel steht, wo die Planeten stralen
Und samt des Monden Schein die See und Flüsse malen,
Wo Feur und Wasser ist, wo man die Luft begehrt,
Da wird eur Nürenberg gehalten lieb und wert.
Ei, folgt der Väter Bahn und lasset dies der Alten
Erworbnes hohes Lob bei euch ja nicht erkalten!
Thut was euch müglich ist, seid herzhaft, haltet an,
Bedenket, wie die Zeit viel Unglück ändern kan!
Gott lasse ja dem Feind die Sache nicht gelingen,
Der alles schleifen würd', im Fall er euch bezwingen
Und unterwerfen solt'. O, weh der guten Stadt,
Die schon so manche Not und Angst erlitten hat!
Das war der Sünden Schuld, die täglich in uns wütet,
Der folgt das Kreuze nach; doch hat euch Gott behütet,
Indem er eurem Feind erblendet sein Gesicht,
Daß er die großen Städt' im Reich erobert nicht.
Wie hätt' er doch gekönt so leicht sie alle trennen,
Ja, zwingen mit Gewalt; doch Blindheit ists zu nennen,
Die Schanz' also versehn. Seht, dieß kan unser Gott;
So werden seine Feind und all ihr Thun zu Spott.
Nun, das kan unser Gott, der euch auch hat beschützet,
Der sieget, wann die Welt vor Grimm gleich Flammen sprützet,
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Drum heißt er wunderbar; ich hätts ja nie gedacht,
Daß mich sein Krieg und Sieg gen Nürenberg gebracht.
Dieß ist ein schlechtes Werk. Denn, wie mich hat bewogen
Der Teutschen höchste Not, da bin ich ausgezogen
Aus meinem großen Reich und hab in kurzer Zeit,
Verlassen Scepter, Kron, Land, Ruh und arme Leut'.
O, wie manch tapfres Herz hat alles wollen wagen,
Ja, mit mir Gut und Blut schlecht in die Schanze schlagen,
Damit das reine Wort, der edle Seelenschatz,
Die Freiheit noch darzu, behielten Raum und Platz.
Nur war es mir um euch, ich hätte ja mein Leben
Der Ruh und Sicherheit auch wol gekont ergeben
Wie andre, da ich nun wie sonst ein schlechter Mann,
Stets schwebend in Gefahr, den Harnisch angethan.
Viel zwar ist vollenbracht; ein mehres muß geschehen;
Doch wo der Teutschen Macht wird treulich bei mir stehen
Und streiten neben mir, wolan, es sei gewagt,
Ein königliches Herz hält, was es zugesagt.
So lasset meine Wort euch Sinn und Mut bewegen,
Ja, lasset diese Red' auch stete Treu erregen
In eurem tapfern Geist; ei, sprecht auch andren zu,
Damit eur Vaterland komm' endlich einst zur Ruh.
Hie ist kein Zweifel zwar, ob soltet ihr nicht streben
Nach Freiheit, Ehr' und Gut; man muß die Sporen geben
Dennoch dem schnellen Pferd, im Fall es in der Eil'
Das Ziel erreichen soll. Hieran besteht eur Heil,
Daß ihr mit gleichem Sinn und Mut zusammensetzet,
Es wird durch Einigkeit der Fremden Macht verletzet
Und eigner Nutz bewahrt; denn wo man einig kriegt,
Jedoch in Gottes Schutz, da hat man obgesiegt.
Behaltet diese Red', ihr werdet solche Lehren
Von mir nicht manchen Tag noch alle Stunden hören.
Ich bin ein Priester jetzt, vom Höchsten abgesant,
Daß ich euch rühren sol Herz, Leben und Verstand.
Erduldet etwas noch, bis Gott durch meine Waffen
Dem Vaterland' und euch wird festen Frieden schaffen;
Bedenket, wie euch Gott auch bis auf diese Zeit
So wol beschützet hat, daß sich die Grausamkeit
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Des bittern Feindes noch nicht über euch erstrecket.
Nun hat der Höchste mich durch seinen Geist erwecket,
Zu führen eure Sach'; ei, thut was euch gebührt,
Es wird des Herren und nicht unser Krieg geführt.
Im Fall ihr nun bei Gott und mir beständig bleibet,
So ist kein Rauch so stark, der euren Glanz vertreibet
Der nimmergrauen Ehr', es wird in manchem Land
Eur unvergänglichs Lob der Tugend sein bekant.
Der Herr ist unser Schutz, der wird uns Hülf' erweisen,
Wann Menschenhülf' ist aus; ihn wollen wir auch preisen
In aller Angst und Not, ja mitten in dem Streit,
Und wenn die Not vorbei, dort in der Ewigkeit.«
Dieß war des Königs Schluß. O Held, vom Himmel kommen,
Ists Wunder, daß du so viel Länder eingenommen
Durch Tapferkeit der Faust, da deiner Reden Kraft
Hat vielmals größern Nutz als Spieß und Schwert geschafft?
O wertes Nürenberg, du hast es angehöret,
Du hast auch in der Not beständiglich verehret
Den vielbegehrten Gast, dann muß dein Lob vergehn,
Wenn weder Berg noch Baum in Franken mehr wird stehn.

Fußnoten

1 Vortreffliche und königliche Rede Gustav Adolf des Großen, der Schweden, Gothen und Wenden Königes usw., Als J. Maj. mit einer gewaltigen Kriegesmacht auf die weitberühmte Reichsstadt Nürenberg zuzoge und daselbsten von einem hochweisen Rat und den Geschlechteren der Stadt auf das prächtigste ward empfangen, auch mit herlichen und königlichen Geschenken verehret und angenommen, welches geschehen den 21. Martii 1632.«

Rist.

2 Gaben. »Der Rat der Stadt Nürenberg hat J.K. Maj. alle mügliche Ehre angethan und dieselbe mit ansehnlichen Schenkungen, als Wein, Habern, Fisch und anderen schönen Sachen (dabei vier halle Carthaunen, samt aller zugehörigen Munition), auch zween große silberne Globi, als eine Himmels- und eine Erdkugel, welches zugleich Trinkgeschirr, inwendig vergüldet und auswendig schwarz eingelassen und gar künstlich und schön gemachet waren, verehret. Diese Geschenke haben Christoph Führer und Christoph Volkhammer, im Namen eines Ehrenfesten Rats, J.K. Maj. überantwortet und zugleich deroselben wegen Ihrer glücklichen Ankunft nacher Nürenberg Glück gewünschet.« Rist.

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