[131] Die Einnahme Wesels

am 18. Aug. 1629.


Wann Maro, der Poet, das Lob der großen Helden,
Der Helden, die bei uns hoch steigen, sollte melden
Und möchte denn die Kron der theuren Prinzen sehn,
Die aus Uranien komt, hoch an der Spitzen stehn
Der weitbeschreiten Leut', er würde wahrlich sagen:
Ihn hat der Himmel selbst in seiner Schoß getragen,
Das Glück hat ihn gesäugt und an der Brust ernährt,
Eh' er dem Vaterland' aus Gnaden ist beschert.
Schau an den hohen Witz, die weltberühmten Thaten,
Die Thaten, da ihm Krieg' und Siege durch geraten,
Die Thaten, wann er gleich durch seine Feinde dringt,
Und hie den einen Sieg, den andren dort erringt.
Ihm folgen seine Leut', ein jeder ist geflissen,
Die rechte Kriegeskunst durch diesen Held zu wissen,
Und mühet sich, zu thun so viel er kan und mag,
Denn ein nicht fauler Geist jagt stets der Ehre nach.
Prinz Heinrich war bedacht, den Busch hinweg zu nehmen,
Dadurch die große Macht von Spanien zu zähmen;
Indem er aber hie ist emsig Tag und Nacht,
Da gibt er auch zugleich auf andre Sachen Acht.
Er merkte, wie dem Feind aus Wesel thäte kommen
Geld, Rüstung, Proviant; auch hatt' er wahrgenommen
Wie der Croaten Volk, das ärgste Volk der Welt,
Sich hatten diese Stadt zum Winkel gleich bestellt.
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Damit ihr großer Raub, den sie vorlängst gestolen,
In Wesel sicher wär' und läge gleich verholen;
Für Hollands Kriegesmacht, Prinz Heinrich wußt' es wol,
Befiehlt darauf, was der von Diden machen sol.
Nur der von Diden wird zu diesem Werk erwählet;
Fürwahr ein solcher Held, dem es an Witz nicht fehlet,
Auch nicht an Tapferkeit, der samlet in der Still
Ein Völklein, das mit List den Wesel fangen wil.
Es war in dieser Stadt ein Bürger, klug von Sinnen,
Der Peter Mülder hieß, den schmerzte das Beginnen
Des trotzigen Marans, weil nach der Spanier Lust
Die arme Bürgerschaft viel Drangsal leiden must';
Und dieser Mann fuhr fort, noch andre zu erregen:
Sein Bruder ließ sich erst, der Dietrich hieß, bewegen
Und einer noch dazu, der vielen zwar bekant,
Und, wie die Fama sagt, Rohtleder war genant.
Die drei die wurden eins, sie kamen oft zusammen
Und schlossen, diese Sach' in unsres Gottes Namen
Mit Lust zu greifen an; und wie sie sich bedacht,
Da haben sie das Werk den Staaten kund gemacht.
Hierauf begunte man, sich schleunigst zu verfassen,
Die Spanier hinaus, die Staaten einzulassen,
Wozu sehr dienlich war, daß gleich zur selben Zeit
Ein neu erbautes Werk gab gute Glegenheit
An einer Seiten, da ein Theil des Walles offen
Und ohne Bollwerk lag; sie hatten recht getroffen
Das Glück, die Zeit, den Ort, auch wußten sie zuletzt,
Wie tief vor dieser Kluft der Graben ward geschätzt.
Der Mülder hatt' ihm auch zwei Hammer lassen machen,
Zu brechen das Staket. Zuletzt nach diesen Sachen,
Da alles war bestellt, verließen sie ihr Haus
Und giengen listiglich zu dreien Thoren aus.
Der Anschlag blieb geheim; das hat der wol vernommen,
Der gegen Abend ist zuletzt heraus gekommen.
So giengs nach allem Wunsch. Als nun auf einem Plan
Die drei versamelt stehn, da bricht die Nacht heran.
Sie fallen auf die Knie und reichen ihre Hände
Dem Allerhöchsten zu; sie bitten, daß er sende
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Vom Himmel in ihr Herz Mut, Klugheit und Verstand
Und streite selbst vor sie und vor ihr Vaterland.
Hiemit so ward es Nacht; die Welt lag in der Stille,
Der Himmel stand verdeckt mit einer schwarzen Hülle,
Der Mond lief ohne Glanz, die Wolke ohne Licht,
Was nötig war zu sehn, das sahe man jetzt nicht.
Als nun nach Mitternacht der Hahnenschall die Zeiten,
Und was bald folgen wolt', jetzt anfieng auszubreiten,
Auch Venus ihren Lauf hin nach dem Morgen nahm,
Da war die rechte Zeit, daß der von Diden kam.
Er kam ohn' alle Furcht sehr klüglich angezogen,
Und als ein weiser Held hatt' er zuvor erwogen,
Was nütz- und schädlich war. Sein Völklein stand bereit,
Den Graben durchzugehn mit großer Mannlichkeit.
Sie warfen schnell das Loos, wer sich zum ersten wagen,
Doch auch den ersten Preis von hinnen solte tragen;
Und wie dieß nach Gebrauch des Krieges war vollbracht,
Da nahm ein jeder sich und seine Schanz in Acht.
Sie fielen mutig an, das Bollwerk zu ersteigen,
Da gleich zum selben mal kein Feind sich that' erzeigen.
Die Mülders alle beid und denn ihr dritter Mann,
Doch Peter mitten ein, die giengen vornen an.
Der Mülder war bewehrt mit seinem großen Hammer,
Der seines gleichen kaum hatt' in Vulkanus Kammer,
Damit zerbrach er schnell Staketen, Holz und Pfahl;
Er machte Raum und Platz den Andren allzumal.
Bald kommen die heran, so Röhr' und Lanzen führen,
Die dringen kühnlich durch, wie Helden wil gebühren;.
Die Stadt komt aus dem Schlaf, die Stadt wird aufgeweckt
Und wer sich wehren wil, mit Schlägen zugedeckt.
Es wird der starke Feind, noch eh' es recht wil tagen,
Fast mitten in der Stadt zum dritten mal geschlagen;
Da wird manch kühner Held fast auf den Tod verletzt,
Bis daß die Gassen und die Pforten sind besetzt.
Der Mülder läuft in Eil mit seinen Spießgesellen
Der nächsten Schmitten zu, was mehr noch zu bestellen;
(Doch war der Schmidt sein Freund), drum komt er ihm ins Haus
Und nimt nach seiner Lust die stärksten Hammer aus.
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Er und die bei ihm sein, die eilen nach der Pforten,
Die Bräunisch wird genant, damit an allen Orten
Ihr Volk hereinher dring' und ja bald Meister sei,
Drum schlagen sie das Schloß an diesem Thor' entzwei.
Die Brücke wird gefällt, die Ketten abgetrennet,
Die Reuter kommen all in vollem Lauf gerennet,
Sie reiten sporenstrichs die Gassen auf und ab
Und helfen da dem Feind, eh' ers begehrt, ins Grab.
Hierauf komt alles Volk zum Thoren eingedrungen,
Nachdem nunmehr die Stadt fast gänzlich war bezwungen.
Dieß Volk hat zum Beschluß die Reuter, so die Wacht
Bei Stücken, Kraut und Lot gehalten, abgemacht.
Den half ihr Küraß nit, in welchen sie sonst prangen
Und große Striche thun, auch ward der Rest gefangen,
Mehr noch denn tausend Mann, samt dem was sie gehabt;
Der Gubernator selbst, Lozano, ward ertappt.
Die Spanier wurden schier bei hundert aufgerieben,
Der Ueberwinder sind kaum fünf mal zwo geblieben.
Hierauf ergaben sich den Siegern nach Begehr
Die Schanzen williglich ohn' alle Gegenwehr.
So ward die feste Stadt durch List in wenig Stunden
Erobert und in ihr ein großer Schatz gefunden;
Da ward Graf Heinrichs Gold gehoben aus dem Staub,
Auch Montecuculi und der Croaten Raub,
Das ungerechte Gut, dieß alles ward genommen,
So meist gestolen war, an Fremde wiedrum kommen.
Wer raubet, wird beraubt, das sagt ein solcher Mann,
Der selbst die Wahrheit ist und niemals liegen kan.
Man fand an Barschaft fünfmal hunderttausend Kronen,
Damit des Königs Volk aufs ehest abzulonen;
Doch war der Rat zu jung, zu wankelbar das Glück,
Ducaten lagen hie noch vierzigtausend Stück;
Auch kriegte man viel Blei, Spieß', Harnisch, Pulver, Waffen,
Das alles Herr Lozan ins Lager solte schaffen;
Das hatte man versehn, Prinz Heinrich kams zu Nütz,
Voraus die großen Stück, als siebenzig Geschütz;
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Hie stunden, wie man sagt, viel Hundert starker Wagen
Vol Kleider, Speis' und Kraut, das auch nach wenig Tagen
Dem Volke solte zur Erquickung sein gesant;
Doch der von Diden hat dieß Schicken abgewant.
Die Bürgerschaft ist zwar mit Plündern noch verschonet,
Doch die zur selben Zeit aus Brabant hie gewonet,
Die gab man alle preis, viel Kleinod' auch zumal,
Und zwei und zwanzig Faß vol spanischer Real,
Fünf Tönnlein noch dazu vol neuer Pistoletten;
Die konte da kein Feind, wie stark er war, erretten,
Zwar gestern war es ihr, heut' ist es andrer Leut
Und wird den Siegern nun geteilet aus zur Beut.
Ein solcher großer Sieg, ein solches Ueberwinden,
Ein solcher Schatz und Raub, desgleichen kaum zu finden
In vielen Städten war, solch ein gute Nacht
Hat Diesen große Freud' und Jennen Leid gebracht.
Der Haag ist voller Lust, ganz Amsterdam thut springen,
Auch Harlem, Leyden, Delft und Mittelburg, die singen
Den Helden solch ein Lied, das Phoebus selbst behagt,
Den Helden, die sich vor ihr Vaterland gewagt.
Sie preisen diese That, sie jauchzen Gott mit Händen,
Der einzig, wo er wil, den Sieg weiß hin zu wenden,
Der, wann es ihm gefällt, die Feinde macht zum Spott.
O billig ehren sie den Herren Zebaoth!
Was sagt der theure Prinz, der große Stadtbezwinger,
Der Jäger von dem Busch, der Freiheit Wiederbringer,
Der immer ohne Ruh', der alle Tag zu Pferd,
Was sagt er, als er nun den stolzen Sieg erfährt?
Gott lobet er zuerst, hernach die kühnen Kinder,
Die ihren Dienst gethan, die Bürger auch nit minder,
Die sich, ihr Vaterland, Gewissen, Gut und Ehr'
Erlöset von dem Zwang und vielen Bürden mehr.
Bald gab er drauf Befehl, die Stücke loszuschießen,
Und solts Herr Grobendonck gleich noch so sehr verdrießen,
Hie war kein Pulver nicht, hie war kein Blei zu theur;
Der Musquetierer Volk gab allzumalen Feur.
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Die Lanzen wurden auch mit dürrem Stroh umwunden,
Das brante lichterloh, so daß in wenig Stunden
Das Lager, wie es schien, in Flammen war gesteckt,
Das draußen Freud' und Lust und drinnen Leid erweckt.
Der Himmel selbst war froh, samt so viel tausend Frommen,
Die noch auf Erden sein, die Spanier ausgenommen,
Insonderheit Lozan, den solch ein Glück berührt,
Daß er nach Arenheim gefänglich ward geführt.
Wie der und Galleron nun losgelassen waren
Und drauf ganz sorgenlos hin auf ihr Antorff fahren,
Da schlug man ihnen schnell zum Lohn die Häubter ab;
Gefangen sein war gut, und frei zu gehn ihr Grab.
Das heißt, dem Tröpfeln, das von Dächern fällt, entgehen,
Dagegen auf der Saat im Schnee und Regen stehen.
So spielt das blinde Glück, so gehts in aller Welt,
Der Eine fleugt empor, indem der Andre fällt.
Nun dieses ist vorbei, der Wesel ist gefangen,
Der Busch wär' spanisch noch, wann dieser wär' entgangen.
Prinz Heinrich und Herr Gent die leben ohne Not,
Lozan und Galleron die ligen beide tot.

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TextGrid Repository (2012). Rist, Johann. Gedichte. Zeitgedichte. Die Einnahme Wesels. Die Einnahme Wesels. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-9AAA-4