Daphnis der Lärchenfänger

Als Daphnis einst spazieren gieng
Und ohngefähr zwo Lerchen fieng,
Gedacht er an die Galatheen,
Sprach: »Allerliebstes Täubelein,
Ach, daß du möchtest bei mir sein,
Du möchtest drei Gefangner sehen.
Ein halbe Stund' ist kaum vorbei,
Da waren diese Vöglein frei,
Die nunmehr in dem Netze hangen;
Auch ist es wahrlich nicht so lang',
Als ich noch lebte sonder Zwang
Und bin doch itzt so stark gefangen.
Was hilft michs denn, daß ich so oft
Bezwing' ein Vöglein unverhofft
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Und bin doch selber fast verstricket
Durch Galathe; was nützt es mir,
Daß ich so manches schnelles Thier
Hab' aus den Lüften weggerücket?
Sol das noch rechte Freiheit sein,
Indem so manches Vögelein
Sich selber zum Gefangnen machet
Und beut sich mir zu dienen an,
Alsdenn mich die bezwingen kan,
Die meiner Schmerzen höhnisch lachet.
Ach nein, ihr Lerchen, ob ich zwar
Euch könt' erwürgen ganz und gar,
So wil ich doch aus Liebe schonen,
Ich wil euch nicht mit Ach und Weh,
Als mir zu thun pflegt Galathe,
Für unverfälschte Treue lohnen.
Dafür solt ihr bei Tag und Nacht.
Wenn Daphnis hält die Thränenwacht,
Der Galatheen Lob ausbreiten
Und zeigen allen Hirten an,
Weil Daphnis nicht mehr leben kan,
Sie sollen ihm sein Grab bereiten.
Wolan, ihr allerliebsten Thier,
Ich bin gefangen mehr als ihr
Und kan die Freiheit nicht erwerben;
Dennoch so sag' ich in der Stil'
Und schwer' euch, daß ich redlich wil
Der Galatheen Diener sterben.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Rist, Johann. Gedichte. Weltliche Gedichte. Daphnis der Lärchenfänger. Daphnis der Lärchenfänger. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-9B84-0