[165] 12. Schwüle Wandrung

Ist verstummt denn jeder Quell,
Und versiegt in Sonnengluthen?
Bringt die Nacht auch, sternenhell,
Nichts von den ersehnten Fluthen?
Garten dürstet, Blüth' und Baum,
Und um Ruhe zu gewinnen
Schreit' ich, halb mit wachen Sinnen
Halb in angsterfülltem Traum?
Von der Linde senkt der Duft,
Kaum bewegt, zu Thal sich nieder,
Doch die Stelle, die mich ruft,
Treibt mich schnell von hinnen wieder.
Ach, mit Neid und Ungemuth
Hör' ich leises loses Lachen,
Und die Glücklichen sie wachen,
Unbekümmert um die Gluth!
Mir auch schwände wohl die Last
Und das Bangen im Gemüthe,
Fänd' ich nur bei dir die Rast,
Die mich scheuchet sonder Güte!
[166]
Ach, du wußtest mit Bedacht
Mich zu höhnen, mich zu strafen!
Aber du kannst ruhn und schlafen,
Da mir endlos ist die Nacht!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Roquette, Otto. Gedichte. Gedichte. Rheinisches Liederspiel. 12. Schwüle Wandrung. 12. Schwüle Wandrung. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-9C85-6