[Wie lieblich ist der Sonne Schein]

Wie lieblich ist der Sonne Schein,
Wie lau der Lüfte Flut!
Wie könnt' ein Herz nun fröhlich sein,
Das hätte Freudenmuth.
Mein Herz, und hätt' es Freudenmuth,
So sollt' es fröhlich sein;
Es dringt der Sonne Liebesglut
So schmeichelnd auf mich ein.
Du dringst auf mich vergebens ein
Mit deiner Liebesglut;
Ich soll und darf nicht fröhlich sein,
So leid es auch mir thut.
[211]
Ich kann, so leid es auch mir thut,
Und mag nicht fröhlich sein;
O Sonne, wenn du's meinest gut,
So lade mich nicht ein!
O Sonne, lade mich nicht ein,
Du meinest es so gut,
Allein du weckest nur die Pein,
Die mir im Herzen ruht.
Die Pein, die mir im Herzen ruht,
Erweckst du diese Pein,
So wird kein andres frohes Blut
An dir heut' fröhlich sein.
Doch laß mit dir heut fröhlich sein
Nur jedes frohe Blut,
Und mich im Dunkeln laß allein
Ausbrüten diese Brut.
Ausbrüten diese Schmerzensbrut
In Schmerzen ganz allein,
Mir hilft dazu nicht laue Flut
Von Luft und Sonnenschein.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Rückert, Friedrich. Gedichte. Kindertodtenlieder. Winter und Frühling. [Wie lieblich ist der Sonne Schein]. [Wie lieblich ist der Sonne Schein]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-9F93-C