[240] Die Post-Elevin

Am öden Schalter sitzest du
Bei grellem Lampenscheine;
Die Federn liegen rings in Ruh' –
Nur emsig schreibt die deine.
Und wie ich trete jetzt heran,
Hebst du die Stirn, die bleiche,
Und fast erschrocken nimmst du dann
Den Brief, den ich dir reiche.
Und rasch umglüht dein Angesicht
Ein fliegendes Erröthen –
Doch ist es deines Amtes Pflicht,
Solch' holde Schaam zu tödten.
Dennoch, wie du den Schein mir schreibst,
Seh' ich die Finger beben,
Und ob du abgewandt mir bleibst,
Die zarte Brust sich heben.
[241]
Nein, jenen Schwestern gleichst du nicht,
Die mit verschnitt'nen Haaren
Und Brillen vor dem Angesicht
Sich zum Erwerben schaaren.
Du fühlst, ich ahn' es, tief den Bruch,
Der sich im Weib vollzogen,
Und siehst dich mit dem Contobuch
Um's beste Theil betrogen.
In dieser harten Tage Lauf
Gilt Nutzen nur und Nützen –
Dir geh' ein and'rer Himmel auf
Und möge dich beschützen!

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Saar, Ferdinand von. Gedichte. Gedichte. Drittes Buch. Bilder und Gestalten. Die Post-Elevin. Die Post-Elevin. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-AE83-F