[33] Ein lobspruch der stat Nürnberg

Vor kurzen tagen ich spaziert,
vor grünem holz ich umreviert,
zu schauen an des meien wunn;
mit heißen glanzen schin die sunn,
der ich entwich hin ein das holz;
da sach ich vil der tierlein stolz
von rehen, hinden und auch hirschen
dort in dem grünen holz umbpirschen.
in freuden schlich ich hin und wider
und gieng im wilden walde nider
auf einen dreieckichten anger,
von klee und edlen blümlein schwanger,
darauf die kleinen binlein flugen,
die süßen seftlein daraus sugen.
in dem erblicket ich ein brünnlein
aus dem fels fließen in ein rinnlein,
in einen quaderierten merbel,
darin das waßer macht ein werbel.
ich legt mich nider, het mein ru
und hört der vögel singen zu,
der stim in wildem tan erklungen;
die külen lüftlein sich herschwungen,
die bletter gunden lieblich rauschen;
also wart ich in stillem lauschen
gerucket in ein senften schlaf;
ein übersüßer traum mich traf.
mich daucht, ich kem auf einen plan,
darauf ein runder berg was stan;
daran da lag ein rosengart,
derselbig wol verhecket wart;
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mitten dardurch ein bechlein floß,
ringweis darumb ein walt ser groß.
ich blicket in den garten edel
durch die hecken, gestreuß und wedel,
also daucht mich in dem gesicht,
wie der gart trüg so edel frücht,
granat, muscat und pomeranzen
und was nur menschen hant mag pflanzen;
zuckerror und cyper weinreben
waren ringweis im garten neben.
manch edles brünnlein darin qual
aus gülden rören überal.
ich dacht, es ist das paradeis;
erst blicket ich hinein mit fleiß;
in dem wart mir ein augenblick:
in einem rosenbusch gar dick
ein wunderschöner vogel sas,
als ein adler geformet was,
kolschwarz, der het alda gehecket.
sein linke seit war im bedecket
mit liechten rosen, rot und weiß,
fein dividiert mit allem fleiß,
sein stim geleich was einem engel,
erst schlug mein herz der freuden schwengel;
der vogel schwang das sein gefider
umb seine junge hin und wider,
er ätzet und hielt sie in hut;
der edel vogel wenig rut,
dan man im trug groß haß und neit.
es stellten im nach allezeit
sperber, habicht, blafüß und drappn,
elster, widhopf, eulen und rappn
und wilde tier, löwen und luchs,
schwein, beren, greifen, wölf und fuchs,
wo sie in möchten hemisch zupfen,
sein schwungfedern im auszurupfen;
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doch wan sie im wolten zunahen,
kratzt er sie manlich mit sein klaen,
das sie empfiengen tötlich wunden.
vier fräulein umb den vogel stunden,
in weiß das erste fräulein edel,
von klarem gold trug es ein zedel;
in grün das ander fräulein wert,
das trug ein wag und bloßes schwert;
das drit in blau, das trug die sunnen,
des vögel, tier groß scheuch gewunnen;
das viert fräulein in harnisch bloß
trug ein stähelen hamer groß,
darmit sie das unzifer schrecket.
im augenblick wart ich gewecket
von einem alten persifant;
derselbig bei dem brünnlein stant.
ich sprach: ach warumb hast du mich
gewecket also trutziglich
aus meinem übersüßen traum,
dergleich ich mag erzelen kaum?
er fraget, wie der traume wer.
da sagt ich von dem garten her,
von seiner wunderbaren schön,
von fräulein und dem vogel kön,
all ding in einer kurzen sum.
der persifant sprach zu mir: kum,
ich zeig den garten dir geleich.
ein stat ligt im römischen reich,
dieselb ein schwarzen adler füret,
mit rot und weiß fein dividieret,
ist ganz änlich deinem gesicht,
wie ich von dir bin underricht,
die ligt mitten in diesem walt;
wolauf mit mir, wir sehens balt!
aufmacht wir uns in schneller eil
durch den walt auf drei vierteil meil;
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da füret mich der persifant
auf einen plan von gelbem sant,
darumb der walt gieng zirkelring;
aufwerts ich mit dem alten gieng
gen einer königlichen vesten,
auf fels erbauet nach dem besten,
mit türnen stark auf felses wimmer,
darin ein keiserliches zimmer;
geziert nach meisterlichen sinnen
waren die fenster und die zinnen;
darumb ein graben was gehauen
in hertem fels; erst gieng wir schauen
über ein schlagbruck beide sant
durch dise burg an einen stant;
da sach ich abwerts auf eim platz,
darauf da lag der edel schatz
in einer ringmauern im tal.
da sach ich ein unzelig zal
häuser gebauen hoch und nider
in diser stat hin unde wider,
mit gibelmauern underschiden,
vor feuer gwaltig zu befriden,
köstlich dachwerk mit knöpfen, zinnen.
der persifant sprach: sechst dus innen,
ir überköstlich gbeu und zier,
geschmucket auf wellisch monier,
geleich als eines fürsten sal!
schau durch die gaßen überal,
wie ordenlich sie sein gesundert;
der sein achtundzweinzig fünfhundert,
gepflastert durchaus, wol besunnen,
mit hundert sechzehen schöpfbrunnen,
wellich stehen auf der gemein,
und darzu zwölf rörbrunnen sein.
vier schlagglocken und drei klein ur,
zwei türlein und sechs große tor
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hat die stat und eilf steinen brucken,
gehauen von großen werkstucken;
auch hat sie zwölf benanter berk
und zehen geordneter merk
hin unde wider in der stat,
darauf man findt nach allem rat
allerlei für die ganze mennig
zu kaufen umb ein gleichen pfennig,
wein, korn, obs, salz, schmalz, kraut und ruben,
auch dreizehen gemein badstuben,
auch kirchen etwan auf acht ort,
darin man predigt gottes wort.
so bedeut jenes waßer groß
den bach, so durch den garten floß;
das fleußt dort mitten durch die stat
und treibt acht und sechzig mülrat.
da sprach ich zu dem persifant:
sag an, wie ist die stat genant,
die unten leit an disem berg?
er sprach: sie heißet Nürenberg.
ich sprach: wer wont in diser stat,
die so unzalbar häuser hat?
er sprach: in der stat umb und um
des volkes ist on zal und sum,
ein emsig volk, reich und ser mechtig,
gescheit, geschicket und fürtrechtig.
ein großer teil treibt kaufmans handel,
in alle lant hat es sein wandel
mit specerei und aller war;
alda ist jarmarkt über jar
von aller war, wes man begert.
der meist teil sich mit hantwerk nert,
allerlei hantwerk ungenant,
was ie erfunden menschen hant.
ein großer teil füret den hamer
für die kaufleut und für die kramer,
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so alda laßen ander war
und holen dise pfennwert dar
von allen dingen, wes man darf,
gemachet rein, künstlich und scharf;
das wol deins garten frücht bedeut.
auch seint da gar sinreich werkleut
mit drucken, malen und bildhauen,
mit schmelzen, gießen, zimmern, bauen,
dergleich man findt in keinen reichen,
die irer arbeit tun geleichen,
als da manch köstlich werk anzeiget.
wer dan zu künsten ist geneiget,
der findt alda den rechten keren;
und wellicher kurzweil wil leren,
fechten, singen und seitenspil,
die findt er künstlich und subtil.
diß als bedeut im garten neben
die zuckerror und die weinreben.
darumb diß edel gewerbhaus
gleicht wol dem garten überaus,
den du hast in dem traum gesehen.
da wart ich zu dem alten jehen:
wer kan ein sollich werk regiern,
gehorsamlichen ordiniern?
er sprach: da ist in diser stat
ein fürsichtiger weiser rat,
der so fürsichtiglich regiert
und alle ding fein ordiniert,
der alles volk in diser stat
in acht vierteil geteilet hat,
darnach in hauptmanschaft gar fleißig,
der sind hundert und zwo und dreißig;
fast jedes hantwerk in der stat
auch sein geschworne meister hat;
auch seint die amptleut one zal
zu allen dingen überal,
zu versehen all dienst und amt,
das aus unfleiß wert nichts versaumt.
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ir gsetz und reformation
ist fürgeschriben jedermon;
darin ist angezeigt wol,
was man tun oder laßen sol,
und wer sich darin übergafft,
der wirt nach gstalt der sach gestrafft.
auch ist verordnet ein gericht,
daran niemant unrecht geschicht,
dergleich ein malefizen recht,
geleich dem herren wie dem knecht.
also ein ersam weiser rat
selbs ein fleißig aufsehen hat
auf seine bürger aller stent,
mit ordenlichem regiment,
guter statut und polizei,
gütig on alle tyrannei.
das ist der edel vogel zart,
den du sachst in dem rosengart
hüten der edlen jungen sein,
die bedeuten die ganz gemein;
die ist auch widerumb und billich
eim rat gehorsam und gutwillich.
also ein rat und die gemein
einhellig und einmütig sein
und halten da einander schutz,
daraus erwechst gemeiner nutz;
aus dem so hat die stat bestant.
da sprach ich zu dem persifant:
wer seint die vögel und die tier,
die so aus grimmiger begir
ich sach gen disem vogel kempfen,
sein werten rum im zu verdempfen?
er sprach: die stat ist weitberümt,
mit lob erhöhet und geblümt,
bedeut des vogels süßen hal,
den du hörst klingen berg und tal.
[40]
disem guten gerücht und nam
sint all neidig von herzen gram,
setzen ir zu aus haß und neit,
oft wider alle billichkeit;
doch halten Nürenberg in hut
dise vier fräulein wolgemut.
das erst fräulein in weißem kleit,
bedeut der von Nürnberg weisheit,
wan in etwas zuhanden gat;
wan teglichen sie halten rat
mit leuten erfaren, gelert,
die bei in sint gar hoch geert,
fürsichtig zukünftigs betrachten,
fleißig sie auf all umbstent achten,
wer, was, wie, wenn, wo und warum,
durchgründen entlich ort und sum;
wo in der feint ein lüg ist stellen,
sie durch practik und list zu fellen,
so sie durch weisheit das versten,
durch mittel, weg sie im entgen,
durch weisen, gütigen beschid
der stat sie oft erhalten frid.
das ander fräulein, grün bekleit,
bedeut ir streng gerechtigkeit,
darob sie halten nach dem besten,
gegn inheimischen und den gesten;
die freiheit und original
sie niemant schwechen überal,
nemen niemant groß oder klein
und geben jederman das sein,
was sie im schuldig sein von recht,
keiser, köng, fürst, graf, ritter, knecht,
halten jeden nach seinem stant,
und auch tun sie gewalt niemant
und erbieten sich alle zeit
zu der waren gerechtigkeit,
dardurch sie iren feinden frechen
oft unbilliche feintschaft brechen.
[41]
das drit fräulein, in blau gekleit,
bedeut der von Nürnberg warheit,
der sie sich halten unverwenklich
in allen sachen überschwenklich.
dem heiligen römischen reich,
den buntgenoßen desgeleich
hat Nürnberg mit den warhaft alten
bestendigliche treu gehalten,
darob oft große not erlitten;
von keiser Heinrich wart bestritten,
zerstöret vor vierhundert jarn;
noch ließ sie ware treu nit farn,
in allen sachen eidespflichtig,
bleibt sie redlich, stanthaft, aufrichtig,
dergleich ir gleit, sigel und brief
litten nie keinen übergrif.
wo man sie verklagt auf reichstegen,
besten mit warheit sie allwegen;
so dan die helle warheit leucht,
ir gegenteil mit schanden fleucht.
also Nürnberg ist freuntlich leben,
niemant zu krieg ist ursach geben
und überhöret mer dan vil;
so dan kein glimpf mer helfen wil,
kein warheit noch gerechtigkeit,
der feint sein unverdienten neit
nicht laßen wil und seins hochmutz,
dan helt ir das viert fräulein schutz;
bedeut der ganzen stat Nürnberg
gewalt, macht, reichtum, kraft und sterk
wan sie ringweis umb sich ist haben
zwo ringmauer, ein tiefen graben,
daran hundert achtzig und drei
türne und vil starke bastei.
dergleich sie mit gwalting gebeuen
ir ringmauer teglich verneuen,
[42]
das dir die gartenheck bedeut;
auch büchsenmeister und hauptleut
on zal, geschütz auch in das felt,
großen vorrat an pulver, gelt,
an krieges zeug, koren und schmalz,
an wein, habern, fleisch, hirß und salz,
das sie ein großes volk vermag
im felt zu halten jar und tag.
so wirt die stat bei tag und nacht
gar wol behütet und bewacht;
auch hat die stat on underlaß
ir eigen reuter auf der straß.
also durch die vier stück erzelt
Nürnberg sich oft im frid erhelt.
darmit hast du in kurzer sum
nach laut deines traums umb und um
ein überlauf der werten stat,
der gmein samt einem weisen rat,
irs ordenlichen regimentz.
solt ich nach der experienz
all ding von stuck zu stuck erzelen,
alle ämpter, die sie bestellen,
die groß weisheit irer regenten
in geistlich, weltlich regimenten,
all ordnung, reformation,
all gsetz, statuten, die sie hon,
ir lonen, strafen und verbiten,
ir löblich gewonheit und siten,
ir große almosen der stat,
ir künstlich gebeu und vorrat,
ir kleinot, freiheit und reichtum,
ir redlichkeit, taten und rum,
darmit sie reichlich ist gezieret,
gekrönet und geblesenieret,
mir würt gebrechen zeit und zung.
weil du nun bist an jaren jung,
[43]
so rat ich dir, verzer dein tag
alhie, dan glaubst du, was ich sag.
mit dem der alte persifant
nam urlaub und bot mir die hant
und schid aus durch die burg von mir.
also in freudreicher begir
gieng ich eilent ab von dem berg,
zu beschauen die stat Nürnberg,
darin ich verzert etlich zeit,
all ding besichtigt nah und weit;
geschmück und zier gemeiner stat,
einigkeit der gemein und rat,
ordnung der burgerlichen stent,
ein weis, fürsichtig regiment
vilfeltig beßer ich erkant,
dan mir erzelt der persifant.
aus hoher gunst ich mich verpflicht,
zu vollenden diß lobgedicht,
zu eren meinem vatterlant,
das ich so hoch lobwirdig fant
als ein blüender rosengart,
den got im selber hat bewart
durch sein genad biß auf die zeit,
got geb noch lang, mit einigkeit.
auf das sein lob grün, blü und wachs,
das wünschet von Nürnberg Hans Sachs.

Anno salutis 1530. am 20. tag Februarij.

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TextGrid Repository (2012). Sachs, Hans. Gedichte. Spruchgedichte (Auswahl). Ein lobspruch der stat Nürnberg. Ein lobspruch der stat Nürnberg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-B23A-3