6.

Eine alte Frau sitzt Abends mit ihrem Manne bei sehr großer Dunkelheit vor der Hausthür. Auf einmal wird es an einer Stelle sehr hell und etwa zehn Schritt von sich sehen die beiden eine schneeweiße Jungfrau stehen. Diese fängt an zu klagen, daß sie schon hundert Jahre verzaubert säße und niemand sie erlösen wolle. Die alte Frau wird bange und sagt zu ihrem Manne, er möchte doch hineingehen und die Thür verschließen, doch er meint, »es habe nichts zu sagen.« Die Frau flüchtet schnell ins Haus hinein, fällt aber, als sie in die Stubenthür tritt, todt nieder. Der Mann, von Natur jähzornig und ein arger Säufer, geht jetzt auf die weiße Jungfrau zu, um den Tod seiner Frau an ihr zu rächen. Da fängt es plötzlich an furchtbar zu donnern und zu blitzen, zugleich ist alles, der helle Schein und die Jungfrau, verschwunden. Ein Birnbaum aber, der da stand, ist in tausend Stücke zersplittert. Dieß ist in Einbeck auf dem Münster »an der kleinen bêke« geschehen. An der Stelle aber, wo es geschehen ist, sind drei Birnbäume in einander gewachsen. Der Mann hat, so lange er noch lebte, Abends vor dem Schlafengehen stets ein lautes Klagen gehört und ist bald darauf ebenfalls gestorben.

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TextGrid Repository (2012). Schambach, Georg. Märchen und Sagen. Niedersächsische Sagen und Märchen. A. Sagen. 117. Die weiße Jungfrau bei und in Einbeck. 6. [Eine alte Frau sitzt Abends mit ihrem Manne bei sehr großer Dunkelheit]. 6. [Eine alte Frau sitzt Abends mit ihrem Manne bei sehr großer Dunkelheit]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-BD1A-2