An Jacob Böhme's Grabe

Im Mai 1813.


Ich komm' aus weiter Ferne
Ein müder Wandersmann,
Mir zeigten lichte Sterne
Zu dir die liebe Bahn.
Als Knabe schon vernommen
Hab' ich ein Wort von dir,
Nun bin ich selbst gekommen,
Und bin so selig hier.
Dort hat die Welt ihr Wesen,
Hier weht so milde Luft,
Es müssen wol genesen
Die Krieger an der Gruft.
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Sie nahn voll Blut und Schmerzen
Und finden hier das Heil,
Der Todespfeil im Herzen
Wird schnell zum Liebespfeil.
Und seit ich hier gesessen,
Was ist in mir geschehn,
Wie viel hab' ich vergessen,
Wie viel hab' ich gesehn!
Ich war so weit gegangen,
Ich war so reich und arm,
Die Brust war von Verlangen,
Von Haß und Liebe warm.
In Quellen wollt' ich tauchen
Mein glänzend Angesicht,
Da kam zu mir dein Hauchen,
Da winkte mir dein Licht.
Des ew'gen Ursprungs Spuren,
Die Form aus erster Hand,
Der Dinge Signaturen –
Sind sie so schnell erkannt?
Wer möchte nicht erwerben
So hohen Meisterthron?
Wer nicht aus Liebe sterben,
Wenn das des Todes Lohn?
Doch läßt sich das nicht kaufen,
Sophia wird geschenkt;
Ich will Aurora taufen,
Was hier in mich gesenkt.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Schenkendorf, Max von. Gedichte. Gedichte. Erste Abtheilung. Leben und Liebe. An Jacob Böhme's Grabe. An Jacob Böhme's Grabe. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-C2D5-6