§. 19. Irrlichter.

1.

Unter den Irrlichtern versteht das Volk geisterhafte Wesen, meistens Arme Seelen, welche der Erlösung harren. Sie sind im Kleinen, was die feurigen Männer im Grossen.

Sie zeigen sich vorzüglich an sumpfigen Stellen, in Wiesen, welche an oder in Wäldern sich hinziehen, an Wassern, besonders kleinen Bächen; bald hart am Boden, bald über demselben, als Flämmchen, wie von einem Spahnlichte, aber blaulicht von Farbe. Immer gehen sie denselben Weg hin und zurück, gerne den Bächen entlang, Berg auf und ab, oft in größter Schnelligkeit laufend und hüpfend. Das Ziel ihres Wanderns bildet gewöhnlich das Wasser, weil sie über das Wasser nicht dürfen, wiewohl sie vom Wasser angezogen werden, oder ein Marterl, das Denkmal, daß ein Mensch hier verunglückt ist, wie denn die Irrlichtchen grossentheils die [98] Seelen derer sind, welche im Freyen ihr Leben durch Zufall oder mit Gewalt verloren, – oder ein Kreuzweg.

Nicht selten vertheilen sie sich auch auf dem Wege in mehrere Lichtlein, und dann scheint es, als wären es ihre Bekannte, die sie abgeholt, um mit ihnen zu gehen; auf dem Rückwege zur selben Stelle verschwinden dann die Gefährten und das erste muß wieder allein wandern. Wenn ihrer mehrere sind, tanzen sie herum, stossen dabey auf einander, vereinigen sich, fahren wieder aus einander, springen über einander hinüber, laufen im Kreise herum, dann wieder gerade aus, drehen sich um und um, kommen oft dem Wanderer unter die Füsse, daß er über sie schreiten muß, bald marschiren sie in gleichen Abständen hintereinander, gehen auf dem Kreuzwege auseinander, jedes auf einen anderen Weg, und eilen dann, wieder zusammenzukommen. Ihre Bewegung ist überhaupt eine enterische und von einem Zischen und Knistern begleitet, gleich dem des übergehenden Wassers auf heisser Platte. Ihr Weg ist oft ein weiter, meist im Frühling.

Die Zeit ihres Erscheinens ist Advent und Fasten, dann auch die Abende jener Sommertage, an welchen Regen nach heisser Sonne erfolgt. – Jene Seelen aber, welchen in der Allerseelenzeit die Gläubigen in der Kirche Wachslichtchen brennen, sind an diesen Tagen von der Strafe des Wanderns und Hupfens frey. Neuenhammer.

Wer sie sieht, darf sie nicht beschreyen, sonst wird er irre geführt, noch weniger verhöhnen.

[99] Der Irrlichter waren sonst so viele wie Sterne am Himmel; jetzt hört man wenig mehr davon.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. Sagen. Aus der Oberpfalz. Zweyter Theil. Achtes Buch. Licht und Feuer. 3. Feuergeister. 19. Irrlichter. 1. [Unter den Irrlichtern versteht das Volk geisterhafte Wesen, meistens]. 1. [Unter den Irrlichtern versteht das Volk geisterhafte Wesen, meistens]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-DE9B-7