[412] §. 50. Wildenstein,
ganz zerstörte Burg in den Bergen hinter Tännesberg. Sie war Eigentum der Zenger; einer dieses reichen Geschlechtes fuhr mit vier Ebern. Nach der Sage wurde von der hochgelegenen Burg aus die Herrschaft, wenn sie auf der Regensburger Brücke herausfuhr, deutlich gesehen. Die Ruinen sollen grosse Schätze bergen, doch hat man bis jetzt nur altes eisernes Rüstzeug gefunden.
Einst trieb der Hirt die Schafe den Berg hinauf zur Weide; es war Charfreytag. Da sah er eine schwarzgekleidete Frau mit einem weissen Tuche um das Haupt aus der Mauer heraustreten. Dieses wiederholte sich jedes Jahr, und der Junge, dadurch vertraut geworden, sprach sie an. Hierauf erwiederte sie ihm, daß sie an jedem Charfreytage unter der Passion erlöst werden könnte, wenn man durch die offene Thüre in's Gewölbe hineintrete und von jedem der dort liegenden drey Geldhaufen drey Hände voll nehmen würde; doch müsse man, ehe der Passion zu Ende, rücklings zur Thüre wieder hinausgegangen seyn. Der Hirt theilte dieses seinen Genossen mit. Zwey davon unternahmen es, auf das Gewölbe zu graben, denn der ganze Berg ist unterminirt. Aber erst unterm Passion erschien die schwarze Frau und sagte ihnen dasselbe, was früher dem Jungen. Sie sahen nun die Thüre offen stehen, traten ein, und kamen zu den Schätzen. Aber es saß[413] eine zweyte schwarze Gestalt darauf, und als noch dazu grosses Krachen und Stürzen sich vernehmen ließ, erschracken sie gegen die Warnung der Frau so sehr, daß sie davonliefen. Das Brechen und Fallen hörte aber nicht auf, der Wald in der Nähe schien sich aus den Wurzeln zu heben, und ein entsetzliches Wehklagen wie von vielen Weiberstimmen verfolgte die Flüchtigen. Den ganzen Tag irrten sie herum, und als es Mitternacht wurde, schien ihnen der Weg wie durch eine Mauer versperrt. So legten sie sich nieder und schliefen ermattet ein. Am Morgen lehnten sie an der Kirche von Tännesberg.