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Ein Förster hatte einen Sohn. Dieser bekam den Dienst nicht, als der Vater starb und ging also in die Fremde, sein Brod zu suchen. Auf dem Wege verirrt er sich in einer Wildniß; er hat nur mehr ein Stück Brod, das ißt er; nun ward er durstig und sucht nach einer Quelle. Er findet einen Fußsteig, geht ihm nach und gelangt zu einem Brunnen, aus welchem eine wunderschöne Frau Wasser schöpft. Sie bietet ihm einen Trunk, er trinkt. Sie frägt ihn, wohin er ziehe. Er antwortet: »in die Fremde, einen Dienst zu suchen.« Den kannst du bey mir haben, wenn du willst, entgegnete sie ihm. Sie war schön, und so folgte er ihr in ihr Haus am Brunnen. Bald fanden sie sich zusammen und hielten Verlobung; doch eine Bedingung mußte er zuvor eingehen, nämlich, daß er an keinem Donnerstage nach ihr frage, wenn sie zu wenig wäre. So lebten sie glücklich vierzehn Jahre lang, und sie ben Knaben hatte sie ihm geboren, als er doch neugierig wurde, welches das Geheimniß seines Weibes sey. Noch war das vierzehnte Jahr nicht um, da sah er an einem Donnerstage durch das Schlüsselloch in ihr Gemach und erblickte sie in einer Badwanne sitzen, unten in der Gestalt eines Fisches. Des anderen Tages tritt das Weib zutraulich zu ihm hin; er aber stößt sie zornig zurück: mit einem Drachen wolle er nicht leben. Da weinte sie bitterlich: hätte er nur die zweymal sieben Jahre durchgemacht, wäre sie erlöst gewesen, denn sie sey von ihrer Mutter aus verwünscht; nun müsse sie in der Luft herumfliegen bis an den jüngsten Tag. »Des Windes [194] Heulen wird meine Stimme, das Wirbelgestäube meine Speise, meine Thränen mein Trank seyn,« wehklagte sie. Da wollte er sie zurückhalten, sie aber entwich ihm und flog immer um's Haus. An jedem der sieben Fenster saß eines ihrer Kinder: zu diesen weinte sie hinein, Abschied zu nehmen, und die Kinder winselten ihrer Mutter nach und wurden von ihr nachgezogen; ihre Stimmen sind das feine klagende Winseln des Windes. Dümpfel.