19.

Es war ein Ritter, schön von Gestalt, aber wilden Gemütes und lockeren Wandels. Keine Dirne der Umgegend konnte sich für sicher erachten, so er in der Nähe war, und die Holzfräulein verfolgte er mit wütigem Ingrimme. Da ging er einmal in den Wald, um diese armen Wesen in gewohnter Weise zu quälen, verirrte sich aber und kam an einen grossen Baum, unter welchem das schönste Mädchen des Dorfes eingeschlafen war. Der Anblick der holden Maid entzündete in ihm das wilde Feuer; er schlich sich näher und faßte die Dirn in seine Arme und wollte eben auf den im Traume lächelnden Mund einen Kuß drücken, als aus dem Dickicht das Holzfräulein in gellendem Tone hervorrief:


Liebes Kind,

So geschwind,

Wie der Wind,

Kommt die Sünd'.

Sey bedacht,

Nimm dich in Acht,

Liebes Kind.


Da erwachte das Mädchen aus ihrem süssen Traume; sie hatte geträumt, es stehe ein schöner Ritter vor ihr und werbe um ihre Hand; aufgeschreckt aus ihren Traumgebilden, entfloh sie dem bestürzten Ritter.

Dem Mädchen lag aber der schöne Ritter immer im Sinne, sie dachte stets an ihn und wollte des andern Tages wieder in den Wald, um an der glücklichen[375] Stelle ihren schwärmerischen Gedanken nachzuhängen. Aber kaum setzte sie den Fuß über die Schwelle der Hütte, so tanzte das Holzfräulein gegen sie her und sang:


Schau, schau,

Des Ritters Frau!

Laß dir nur Zeit!

Nicht zu bereit!

Schau, schau,

Du wirst des Ritters Frau.


Darauf warnte sie in ernsten Worten vor dem Verführer, versprach aber ihre Hilfe, wenn das Mädchen auch als Rittersfrau jede Woche ihr einen Aschenkuchen mitbacken und ihren Gemahl von Verfolgung der Holzfräulein abbringen wollte. Und das Mädchen sagte zu.

Der Ritter ging aber alle Tage in den Wald, in der Hoffnung, seine böse Absicht zu erreichen. Wie er nun einmal so herumirrte, stand das Holzfräulein auf einem Stocke und rief ihm zu, er möge herantreten. Sie wisse, was ihm fehle, wolle ihm aber rathen, von seinem bösen Treiben abzulassen; nur wenn er das Mädchen zu seinem ehelichen Gemahle mache, werde er sie besitzen. Da erkannte der Ritter reuevoll seine Schuld und bat das Holzfräulein, für ihn um die Hand der Geliebten zu werben.

Als der Zug zur Trauung in die Kapelle ging, zeigte sich das Holzfräulein zum letztenmale; es erinnerte die Braut ihres Versprechens: so lange sie es halten werde, solle Glück in der Burg herrschen. Neuenhammer.

[376] Noch jetzt gibt es in dieser Gegend Häuser, in welchen nicht versäumt wird, jedesmal dem Holzfräulein einen oder zwey Kuchen mitzubacken und auf dem Herde zu lassen. Diese Kuchen sind Scheiben, so groß wie ein Teller, etwa zwey Finger dick: sie werden aus demselben Taige, wie das Brod, geformt, gewalzt, dann auf der oberen Fläche mit der Gabel öfter durchstossen, damit nicht Blasen auffahren, und vorne am Ofen, da wo die Kohlen liegen, gebacken. Daher springt die Asche auf sie, und davon heissen sieAschenkuchen. – Grössere Kuchen werden für die Leute im Hause gebacken, auch dann, wenn das Brod unvermutet ausgegangen ist. Diese Kuchen sind wohl eine der ältesten Brodformen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. Sagen. Aus der Oberpfalz. Zweyter Theil. Eilftes Buch. Erde. 4. Wald. 34. Sagen. 19. [Es war ein Ritter, schön von Gestalt, aber wilden Gemütes und lockeren]. 19. [Es war ein Ritter, schön von Gestalt, aber wilden Gemütes und lockeren]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-E55C-2