§. 55. Flossenbürg.

Flossenbürg ist eine Riesenburg gewesen; zu Anfang dieses Jahrhunderts war der herrliche Bau noch ganz gut erhalten, jetzt liegt er in Trümmern. Drey Besitzer sollen sich an ihm arm gebaut haben, noch zeigt man im Orte am Fusse des Berges den Stadel, wo die Steinmetzen wohnten, beym Schnappauf. Einst sagte der Burgherr zu seinen Gästen, indem er auf die in graue Kittel gekleideten Menschen im Thale, welche ihm als Knechte dienen mußten, hinabwies: »Das sind meine Gänse.«

Das höchste Stockwerk der Burg heißt noch jetzt der Grafenbau. Dort ist auch der Sitz in Stein gehauen, [417] wo einst der Burgwächter saß, und noch sieht man das Loch im Estrich, welches der Schaft des Speeres, den er in der Hand hielt, zurückließ. Das Schloßmännchen, eine steinerne Figur, haben die Flosser entführt. Im Burghofe weisen Spuren noch auf den ehemaligen Teich, und den Brunnen, der jetzt verschüttet ist: noch liegen die Eymer darin. Die Burg war so groß, meynt das Volk, daß zwey Regimenter Soldaten darin Platz gehabt hätten; sie mußte auch stark und groß seyn, da sie als eine Hauptwehr gegen die Böhmen und Wenden galt.

Getrennt von der Burg ist ein grosser viereckiger Thurm, unten aus plattbehauenen, höher hinauf aus Kropfquadern gebaut: kein Thor, eine hohe Legbrücke führte hinüber vom Schlosse; die ehemaligen Herren spielen nun darin mit eisernen Karten, und oft hört man Musik.

Die Schweden beschossen die Burg vergeblich; Verrath öffnete die Thore, Feuer verzehrte den Riesenbau. Noch sieht man die Spuren des Brandes. Auf dem Plattenberge, wo die Schweden lagerten, soll eine silberne Kanone vergrabern seyn. Auch findet man in der Nähe Kugeln, aussen von Blev, innen von Eisen.

Auf der Burg zeigt sich eine weisse Jungfrau. Einst weckte sie einen Landmann drey Nächte nacheinander und versprach ihm alle vergrabenen Schätze, so er sie heben wollte, ohne ein Wort zu sprechen. Der aber rief, als er Hand an die schwere Kiste legte: »Die Kiste mag der Teufel heben!« – und sogleich war sie verschwunden und die Jungfrau weinte bitterlich. Doch [418] hat sie die Hoffnung, daß ein Kindeskind desselben Mannes sie erlösen werde.

Jedes Jahr steht während des Passions der Eingang zu den Schätzen offen.

Es ist ein wahrhaft großartiger Anblick, das Granitgebilde, auf dem die riesige Burg steht; es sind ungeheure Tafeln, welche sich übereinander lagern, gleich als wären sie aus dem Schoße der Erde in flüssiger Form hervorgedrängt worden, um sich, jede auf die vorhergegangene zu legen, und diese zusammendrücken; der ganze Abhang des Schloßberges aber ist weithin mit einem wahren Steinmeere bedeckt, darunter der berühmte »lange Stein,« der längste in der Oberpfalz, kaum drey bis fünf Fuß breit in gerader Linie den Berg hinablaufend.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Schönwerth, Franz. Sagen. Aus der Oberpfalz. Zweyter Theil. Eilftes Buch. Erde. 5. Burgen. 55. Flossenbürg. 55. Flossenbürg. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-EE70-6