1309. Die Hexenkirchweih.

Mündlich.


Ein Bauernmädel wollte zu ihrer Base auf die Kirchweih gehen. Der Weg führte durch einen Wald. Weil es schon dämmerte, ging sie irre und konnte sich gar nicht mehr zurecht finden. Der Mond schien so hell, daß man eine Nähnadel hätte auflesen können, auch war es so still und schaurig, daß sich das Mädl fürchtete, und seelenfroh war, als eine Weibsperson auf sie zukam, in der sie des Schulzen alte Mutter erkannte. Die fragte: »Bärbele, wohin gehst denn?« »Zu mein Bäsla auf Kirwa,« antwortet die Dirne. »Ei da gehn wir mitsammen,« sagte die Alte, und trippelte stillschweigend neben her. Nicht lange, so begegnet ihnen wieder eine Frau, die fragte wieder: »wohin denn Bärbele?« und Bärbele antwortet wiederum: »Zu mein Bäsla auf Kirwa.« Kaum sind sie etliche Schritte weiter gegangen, kommt wieder eine und noch eine, und endlich gar viele, und alle fragen: »Bärbele wohin denn?« und Bärbele antwortet allen: »Zu mein Bäsla auf Kirwa,« und alle sagen zum Bärbele, sie wollten auch mit gehn. Endlich waren ihrer so viele, daß der Weg zu eng wurde, und rechts und links zwischen den Bäumen, so weit man sehen konnte, wimmelte es von Kirchweihgästen. Man hörte aber von keiner ein Sterbenswörtlein. Wie der Mond unterging, tanzten Flämmlein und Lichtlein auf dem Weg, auch gesellten sich zwei feurige Männer zu [297] ihnen und leuchteten dem Zug. So kamen sie auf einen freien Platz, da erblickte das Bauernmädel sogleich die Base, welche ihr auch freundlich entgegenkam. »Bäsla,« sagte das Bärbele, »ist denn die Kirwa an dem Platz und umdie Zeit?« »Ja freilich,« nickte die Base, »sei nur kreuzlustig und laß dir's wohl sein!« Anfangs wollte es aber dem Mädel gar nicht von Herzen gehen, bis sie gegessen und getrunken hatte, da wurde ihr's auf einmal ganz anders zu Muth, also daß alle Angst und Beklemmung weg war und das Bärbele die ganze Nacht hindurch recht ausgelassen tanzte und tobte, bis sie endlich in lauter Lust und Trunkenheit einschlief.

Als sie des Morgens erwachte, o Schrecken! lag sie auf einer Wiese bei dem Dorfe, in welchem die Base wohnte, und noch dazu auf einem Misthaufen, mit zerrissenen Kleidern in dem liederlichsten Zustande. Die Wiese, auf welcher sie lag, war die Schinderswiese, wo das Aas eingescharrt wurde. Zu Tod müd an allen Gliedern wankte sie in's Dorf, ihre Base zu suchen. Als sie nach dieser fragte, wurde sie ausgelacht, »denn die habe der Teufel geholt vor etlichen Monaten.« Das Bärbele wollte es aber nicht glauben, denn die Base hatte ihr ja gestern eigenhändig die Kirchweihnudeln und das Dürrfleisch in den Korb gethan. »Schaut nur her,« sagte sie, den Korb öffnend, – aber da war statt Nudeln und Dürrfleisch stinkendes Luder und Pferdemist zu sehen, das hatte sie gestern auf der Wiese genossen. Da fuhr das Bärbele vor Schrecken zusammen und wurde leichenblaß, denn jetzt konnte sie die ganze Geschichte begreifen. Man sagt, sie sei tiefsinnig geworden und in ein Kloster gegangen.

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TextGrid Repository (2012). Schöppner, Alexander. Sagen. Sagenbuch der Bayerischen Lande. Dritter Band. 1309. Die Hexenkirchweih. 1309. Die Hexenkirchweih. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-F144-8