477. Ursprung der Welfen.

Crusius Schwäb. Chronik. I., 286. Brusch chronol. p. 509. Bucelin. Germ. stemmatogr. II., 363. Falkenstein antiqq. Nordg. III., 60.Ertl relatt. p. 261. Hueber Unsterbl. Gedächtniß etc. Ingolstadt 1670 S. 204. Grimm d.S. II., 233. Schmeller bayer. Wörterbuch IV., 66. A. Schott in Allgem. Zeitschrift f. Gesch. vonW.A. Schmidt 1846. II., 320. M.v. Freyberg Neue Beiträge zur vaterl. Gesch. I., 42.


Warin war ein Graf zu Altorf und Ravensburg in Schwaben, sein Sohn hieß Isenbart und Irmentrut dessen Gemahlin. Es geschah, daß ein armes Weib unweit Altorf drei Kindlein auf einmal zur Welt brachte; als das Irmentrut die Gräfin hörte, rief sie aus: »Es ist unmöglich, daß dies Weib drei Kinder von einem Mann haben könne, ohne Ehebruch.« Dieses redete sie öffentlich vor Graf Isenbart ihrem Herrn und allem Hofgesinde. »Und diese Ehebrecherin verdiene nichts anders, als in einen Sack gesteckt und ertränkt zu werden.«

[5] Das nächste Jahr wurde die Gräfin selbst schwanger, und gebar, als der Graf eben ausgezogen war, zwölf Kindlein, eitel Knaben. Zitternd und zagend, daß man sie nun gewiß, ihren eigenen Reden nach, Ehebruchs zeihen würde, befahl sie der Kellnerin, die andern elfe (denn das zwölfte behielt sie) in den nächsten Bach zu tragen, und zu ersäufen. Indem nun die Alte diese elf unschuldigen Knäblein in ein großes Becken gefaßt, in den vorbeifließenden Bach, die Scherz genannt, tragen wollte: schickte es Gott, daß der Isenbart selber heim kam, und die Alte frug, was sie da trüge? Welche antwortete: es wären Welfe oder junge Hündlein. Laß schauen – sprach der Graf – ob mir einige zur Zucht gefallen, die ich zu meiner Nothdurft hernach gebrauchen will. Ei, ihr habt Hunde genug – sagte die Alte und weigerte sich – ihr möchtet ein Grauen nehmen, sähet ihr einen solchen Wust und Unlust von Hunden. Allein der Graf ließ nicht ab, und zwang sie hart, die Kinder zu blößen und zu zeigen. Da er nun die elf Kindlein erblickte, wiewohl klein, doch von adlicher, schöner Gestalt und Art, fragte er heftig und geschwind: weß die Kinder wären. Und als die alte Frau bekannte, und ihn des ganzen Handels verständigte, »wie daß nämlich die Kindlein seinem Gemahl zustünden, auch aus was Ursach sie hätten umgebracht werden sollen,« befahl der Graf, diese Welfen einem reichen Müller der Gegend zu bringen, welcher sie aufziehen sollte; und gebot der Alten ernstlich, daß sie wiederum zu ihrer Frau ohne Furcht und Scheu gehen, und nichts anders sagen sollte, als: ihr Befehl sei ausgerichtet und vollzogen wor den.

Sechs Jahre hernach ließ der Graf die elf Knaben, adlich geputzt und geziert in sein Schloß, da itzo das Kloster Weingarten stehet, bringen, lud seine Freundschaft zu Gast, und machte sich fröhlich. Wie das Mahl schier vollendet war, hieß er aber die elf Kinder, alle roth gekleidet, einführen; und alle waren dem zwölften, das die Gräfin behalten hatte, an Farbe, Gliedern, Gestalt und Größe so gleich, daß man eigentlich sehen konnte, wie sie von einem Vater gezeugt, und unter einer Mutter Herzen gelegen wären.

Unterdessen stand der Graf auf, und frug feierlich seine gesammte Freundschaft: was doch ein Weib, die so herrlicher Knaben elfe umbringen wollen, für einen Tod verschulde? Machtlos und ohnmächtig sank die Gräfin bei diesen Worten hin; denn das Herz sagte ihr, daß ihr Fleisch und Blut zugegen waren; als sie wieder zu sich gebracht worden, fiel sie dem Grafen mit Weinen zu Füßen und flehte jämmerlich um Gnade. [6] Da nun alle Freunde Bitten für sie einlegten, so verzieh der Graf ihrer Einfalt und kindlichen Unschuld, aus der sie das Verbrechen begangen hatte. Gottlob, daß die Kinder am Leben sind.

Zum ewigen Gedächtniß der wunderbaren Geschichte begehrte und verordnete in seiner Freunde Gegenwart der Graf: daß seine Nachkommen sich fürder nicht mehr Grafen zu Altorf, sondern Welfen, und sein Stamm der Welfen Stamm heißen sollte. – Andere berichten des Namens Entstehung auf folgende verschiedene Art:

Der Vorfahre dieses Geschlechtes habe sich an des Kaisers Hof aufgehalten, als er von seiner eines Sohns entbundenen Gemahlin zurückgerufen wurde. Der Kaiser sagte scherzweise: was eilst du um eines Welfen willen, der dir geboren ist? Der Ritter antwortete: weil nun der Kaiser dem Kind den Namen gegeben, solle das gelten; und bat ihn, es zur Taufe zu halten, welches geschah.

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TextGrid Repository (2012). Schöppner, Alexander. Sagen. Sagenbuch der Bayerischen Lande. Zweiter Band. 477. Ursprung der Welfen. 477. Ursprung der Welfen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0004-F3A7-7