Aus einem Brief Schubarts an Frau von Heppenstein in München
(Hohenasperg, im Juli 1785.)
Fanny, das köstlichste Gestein
im Brautschmucke der Natur
war ihrer Mutter Lust!
Sie spielte um die Winke ihrer Mutter,
wie das Lämmlein
um den rosenbewundenen Hirtenstab.
[402]Ein köstliches Mädchen war Fanny!
Beim Anblick der Größe hob sich ihr Geist,
trank Aetherströme, sonnte sich
im Urlichte ewiger Größe.
Und nur die Thräne der leidenden Menschheit
vermochte sie herunterzulocken
in Erdstaub.
Einst trat sie auf eines Thurmes Spitze,
um näher zu sein
Dem blauwogigen Himmel.
Sie dachte Gottes Größe! –
Und ach! die himmlische Fanny schwindelte.
Herunter sank sie an des Thurmes
felsigen Rippen. Es brach ihr Gebein
und Hirn und Blut bespritzte den Sand.
Und siehe! die Mutter
sah die zerschmetterte Leiche Fannys
und versank nicht! –
Hoch blickte sie gen Himmel – schwieg lange –
Dann stürzte sie die Worte hin:
Dein Wille geschehe, Jehovah!
Fanny's entfesselte Seele
flog gen Himmel empor.
Gnadelächelnd sprach der Ewige:
Hier bin ich, Fanny! –
Nun knieet sie in Sonnenstrahlen,
Das himmlische Kind – und erwartet
– die größere Mutter.