[111] 2.

O Gelöbnis der Sünde!
All' ihr auferlegten Pilgerfahrten in entehrte Betten!
Stationen der Erniedrigung und der Begierde
an verdammten Stätten!
Obdach beschmutzter Kammern, Herd in der Stube,
wo die Speisereste verderben,
Und die qualmende Öllampe, und über der
wackligen Kommode der Spiegel in Scherben!
Ihr zertretnen Leiber! du Lächeln,
krampfhaft in gemalte Lippen eingeschnitten!
Armes, ungepflegtes Haar!
ihr Worte, denen Leben längst entglitten –
Seid ihr wieder um mich,
hör' ich euch meinen Namen nennen?
Fühl' ich aus Scham und Angst wieder den einen Drang
nur mich zerbrennen:
Sicherheit der Frommen,
Würde der Gerechten anzuspeien,
Trübem, Ungewissem, schon Verlornem
mich zu schenken, mich zu weihen,
Selig singend
Schmach und Dumpfheit der Geschlagenen zu fühlen,
Mich ins Mark des Lebens
wie in Gruben Erde einzuwühlen.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Stadler, Ernst. Gedichte. Der Aufbruch. Die Flucht. Tage. 2. [O Gelöbnis der Sünde!]. 2. [O Gelöbnis der Sünde!]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-159F-2