Das Mädchen mit den hellen Augen

Das Mädchen mit den hellen Augen,
Die wollte keines Liebste sein;
Sie sprang und ließ die Zöpfe fliegen,
Die Freier schauten hinterdrein.
[207]
Die Freier standen ganz von ferne
In blanken Röcken lobesam.
»Frau Mutter, ach, so sprecht ein Wörtchen
Und macht das liebe Kindlein zahm!«
Die Mutter schlug die Händ' zusammen,
Die Mutter rief: »Du töricht Kind,
Greif zu, greif zu! Die Jahre kommen,
Die Freier gehen gar geschwind!«
Sie aber ließ die Zöpfe fliegen
Und lachte alle Weisheit aus;
Da sprang durch die erschrocknen Freier
Ein toller Knabe in das Haus.
Und wie sie bog das wilde Köpfchen,
Und wie ihr Füßchen schlug den Grund,
Er schloß sie fest in seine Arme
Und küßte ihren roten Mund.
Die Freier standen ganz von ferne,
Die Mutter rief vor Staunen schier:
»Gott schütz dich vor dem ungeschlachten,
Ohn Maßen groben Kavalier!«

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TextGrid Repository (2012). Storm, Theodor. Gedichte. Gedichte (Ausgabe 1885). Zweites Buch. Ältere Gedichte. Das Mädchen mit den hellen Augen. Das Mädchen mit den hellen Augen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-1D83-F