b.

In Neuenkirchen wird in der Zeit von November bis Lichtmeß des Sonnabend-Abends nach dem Angelusläuten eine Stunde geläutet. Dies Läuten heißt das Piwittläuten. Der Sage nach hat sich vor vielen hundert Jahren ein Bischof Piwitt von Osnabrück auf der Jagd verirrt und nach dem Läuten einer Kirchenglocke wieder zurecht gefunden. Darauf soll er die Verordnung erlassen haben, daß im ganzen Osnabrücker Lande von Allerheiligen bis Lichtmeß jeden Sonnabend-Abend geläutet werde. (In verschiedenen Kirchspielen der jetzigen Diözese Osnabrück – es sind die ältesten katholischen Kirchen des Osnabrücker Landes, nicht die evangelischen und später gegründeten katholischen Kirchen – ferner in verschiedenen Kirchen der alten Diözese Osnabrück, wozu früher das ganze oldenb. Münsterland gehörte, besteht die Sitte, daß von Allerheiligen bis Lichtmeß an den Samstag-Abenden und den Abenden vor Festen im Anschluß an das Angelus-Kleppen mit allen Glocken eine Viertel- oder eine ganze Stunde geläutet oder mit einer Glocke geläutet, mit den übrigen eingeschlagen wird. Außer dieser Zeit erfolgt das Läuten an den Vorabenden der Sonn- und Festtage, das sogenannte Vesperläuten, um 2, 3 oder 4 Uhr nachmittags, und das Angelusläuten geht in gewöhnlicher Weise vor sich ohne Nachläuten. Man nennt das Geläute am Abende von Allerheiligen bis Lichtmeß an einigen Orten im Osnabrückischen und Oldenburgischen wie z.B. Neuenkirchen »Piwitt-Läuten«, an anderen Orten wie z.B. Lohne, Oythe »Nachtsang«. In der katholischen Kirche in Neuenkirchen besteht das Piwittläuten darin, daß von Allerheiligen bis Lichtmeß an den Abenden vor Sonntagen mit der zweitgrößten Glocke geläutet, dagegen an den Abenden vor hohen Festtagen Allerheiligen, Weihnachten, Neujahr, Dreikönigen und Lichtmeß in drei Abschnitten gebeiert, in der letzten Viertelstunde mit allen Glocken geläutet wird. Erkundigt man sich nach der Entstehung dieses Nachtläutens, dann heißt es einmal, ein auf der Jagd verirrter Adliger, der durch Glockengeläute wieder zurechtgeführt sei, habe es gestiftet, ein andermal, ein Osnabrücker Bischof, Wiho II., der von 1092 bis 1101 den Bischofstuhl inne hatte, habe das Geläute angeordnet. Ein Bischof Piwitt hat nie in Osnabrück gelebt. Es liegt nahe, anzunehmen, ein Osnabrücker Bischof habe schon [335] in den frühesten Zeiten das Nachtläuten für die drei schlimmsten Wintermonate eingerichtet, um Kirchgänger, die damals oft schon an den Samstagen zu ihrem Kirchgange aufbrachen, vor Irrfahrten zu bewahren. Sollte das Läuten am Abende überhaupt für Wanderer zu später Stunde eingeführt sein, dann ist nicht einzusehen, warum es nicht für jeden Abend der betreffenden Wintermonate verordnet worden. Möller erinnert in der Vorrede zu seiner Geschichte der Weihbischöfe von Osnabrück (Lingen 1887) an folgende »Überlieferung«: Ein Osnabrücker Weihbischof hat sich einst verirrt und ist durch das Läuten eines Klosterglöckleins gerettet worden. Aus Dankbarkeit verfaßte er ein Lied, das anfängt mit den Worten: Piae vitae, und bestimmte, daß dieses Lied unter Glockengeläute von Allerheiligen bis Lichtmeß in den Klöstern abends gesungen werde. Der Brauch verbreitete sich, und so entstand das Piwittläuten. Möller weiß aus seiner Jugendzeit, daß damals das Piae vitae-Lied gar nicht unbekannt gewesen. In Familien wäre es durchweg Sitte gewesen, während des Piwittläutens für draußen sich aufhaltende Wanderer zu beten. Also das geht aus dem Gesagten hervor, in der Zeit von Allerheiligen bis Lichtmeß werden die Sonn-und Festtage zweimal am Tage vorher eingeläutet – Vesper- und Piwittläuten am Nachmittage und Abend – in den übrigen Monaten einmal – Vesperläuten.) Vgl. Abendläuten in Jever: 588e. – In den ältesten Kirchenrechnungen (17. Jahrh.) von Essen findet sich jährlich ein Posten, wonach am Lichtmeß-und Allerheiligenabend eine Stunde geläutet worden und den Läutern »nach altem Gebrauch« 3 Schillinge für beide Male gewährt sind. Das Piwittläuten findet auch hier noch heutigen Tages statt. In Wellingholzhausen bei Osnabrück geschieht das Piwittläuten in der Zeit von Allerheiligen bis Lichtmeß an allen Donnerstag- und Sonntagabenden. Während des Läutens ziehen die Kinder von Haus zu Haus und singen:


Nachtsang, Nachtsang,
Aule Lüe to Berre gaun,
Junge Lüe uppstauhn.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. Sagen. Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg. Zweiter Band. Drittes Buch. Erster Abschnitt. G. Amt Vechta (südlicher Teil). 537. Neuenkirchen. b. [In Neuenkirchen wird in der Zeit von November bis Lichtmeß des]. b. [In Neuenkirchen wird in der Zeit von November bis Lichtmeß des]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-2262-E