[17] Ludwig Strackerjan.

Peter Friedrich Ludwig Strackerjan wurde am 20. August 1825 als das zwölfte von fünfzehn Kindern des Oberamtmanns Christian Friedrich Strackerjan zu Jever geboren. Er besuchte das Gymnasium in Oldenburg, studierte in Jena Jurisprudenz, machte 1847 das juristische Tentamen und wurde im November desselben Jahres beim Amte Oldenburg als Akzessist angestellt. Als solcher übernahm er im unruhigen 1848er Jahre die Schriftleitung der »Oldenburgischen Zeitung.« Nach bestandenem zweiten Examen trat er im Oktober 1856 das Amt eines Syndikus beim Magistrat in Oldenburg an und wurde im Jahre 1858 zum Amtsrichter in Oldenburg für die Abteilung Stadt ernannt. Diesen Posten bekleidete er über 15 Jahre. Er schied 1873 aus den Staatsdienst mit dem Titel Justizrat a.D., um als rechtskundiges Mitglied in das Direktorium der Spar- und Leih-Bank einzutreten. Das leutselige, volkstümliche Wesen Strackerjans, sein reiches Wissen namentlich auf dem Gebiete der engeren Heimat brachte es mit sich, daß er als Amtsrichter und Bankdirektor in Oldenburg eine Reihe von Jahren Mitglied des Stadtrats, wiederholt stellvertretender oder erster Vorsitzender desselben und zugleich in verschiedenen Kommissionen für städtische Angelegenheiten tätig war. Mehrmals war er auch Mitglied des Landtags. Als er starb, stand er als Präsident an der Spitze dieser Körperschaft. Sein Tod trat ein am 4. März 1881. Eine Witwe oder Kinder hinterließ er nicht. Zur Gründung eines eigenen Hausstandes war er nicht gekommen; anfangs fehlten die Mittel, später hielten ihn eingebildete oder begründete Bedenken davon ab.

[18] Damit haben wir kurz den Lebensgang Strackerjans nach seiner beruflichen Seite gezeichnet. Mehr Reiz hat für uns an dieser Stelle die Tätigkeit Strackerjans auf demjenigen Gebiete, das außerhalb seiner eigentlichen Berufspflichten lag, seine schriftstellerischen Arbeiten auf dem Gebiete der Heimatkunde, namentlich seine kulturhistorischen Studien. Strackerjans Interesse für die engere Heimat, ihre Geschichte und Eigentümlichkeiten war ein väterliches Erbteil, wie uns sein Bruder, der frühere Direktor der Realschule in Oldenburg, Karl Strackerjan, erzählt. 1 Wo Ludwig Strackerjans eigentliche Kraft lag, das zeigte sich sofort, als er als blutjunger Akzessist oder Referendar die Schriftleitung der Oldenb. Zeitung übernahm. Seine Politik war noch unreif, aber der Teil für örtliche Angelegenheiten blühte auf, da er sich namentlich um einheimische Nachrichten bekümmerte, und diese Pflege der einheimischen Berichterstattung führte dem Blatte eine Menge neuer Leser zu. Im Jahre 1850 veröffentlichte er eine Schrift »Aus dem Kinderleben« (Spiele, Reime, Rätsel), und mit dem Eintritt in den Magistrat der Stadt Oldenburg übernahm er die Leitung des Gemeindeblattes, zu dessen Gründung er selbst durch einen Aufsatz in der Oldenb. Zeitung die Anregung gegeben hatte. Eine von ihm angelegte Sammlung friesischer Personen- und Ortsnamen übergab er seinem Bruder Karl, welcher sie für seine Abhandlung »Die jeverländischen Personennamen«, Jever 1864, verwertete. Bis zuletzt suchte er dem Volksmunde plattdeutsche Sprichwörter und sprichwörtliche Redensarten abzugewinnen, welche er gelegentlich zu zusammenhängenden Aufsätzen verarbeitete, z.B. Lehre vom Essen, Hausinschriften (Von Land und Leuten, S. 37 u. 42), Geld und Gut im plattdeutschen Sprichworte (Gesellschafter 1870, S. 91), Gerätinschriften, Straßennamen (Ges. 1868, S. 62), Wetterregeln (Oldenb. Zeitung 1870, Febr. 2), »Deutscher Sprüche Ein Tausend« (Verlag des nordwestdeutschen Volksschriftenvereins, 1879). In seinem Nachlasse fand sich eine Menge von Drehorgelliedern. Eine Frucht dieser Sammlung war die Abhandlung »Die Zeitung an der Drehorgel« (Von Land und Leuten, S. 145). Von Strackerjans Liebhaberei für kulturhistorische Studien [19] zeugen noch Der Phiesewarder Bauernbrief (Ges. 1858), Vom Hausrechte (Ges. 1860), Ein Kriminalproceß (Ges. 1860), Graf Günther und die Jagd (Ges. 1862), Der Brand zu Oldenburg 1676 (Ges. 1863), Der Vareler Brand 1751 (Ges. 1864), Jan Krahner (Ges. 1864), Spaziergang nach Hundsmühlen (Ges. 1868), Das Armenwesen im Herzogtum Oldenburg (Ges. 1870), Frühere Münzzustände in Jever (Ges. 1872), Geschichtliche Notizen über die Verkehrswege im nördlichen Teile des Herzogtum Oldenburg (Zeitschrift für Verwaltung und Rechtspflege, Bd. 5), Fromme Laienbrüderschaften im mittelalterlichen Oldenburg (Kirchl. Beiträge 1881), Das Kloster Blankenburg (Ges. 1882), um anderer Aufsätze und Nachrichten in verschiedenen Zeitschriften nicht zu gedenken.

Daß er auch für die Schönheiten der Natur und Landschaft nicht unempfänglich war, beweiset die Herausgabe »Oldenburger Spaziergänge und Ausflüge«, 1875, ein Führer durch die schönsten Partien des Oldenburger Landes. Das Buch hat bis heute 4 Auflagen erlebt; anfangs ein mageres Heftchen, ist nach und nach ein kleiner Bädeker daraus geworden, der sich sehen lassen darf. Eine Frucht Strackerjanscher Wanderungen war auch das Büchelchen »Die Osenberge«, 1879. In dieser Abhandlung hat der Verfasser sich selbst gezeichnet. Es war sein Schwanengesang. Gründliches Wissen, scharfe Beobachtung, Humor, Gemüt und poetische Auffassung vereinen sich hier zu einem Bilde, dem der Leser die Hochachtung nicht versagen kann.

Die bedeutendste Arbeit hat der Verblichene geleistet in seinem zweibändigen Werke »Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg«, Oldenburg 1867. Er selbst schreibt darüber am 24. August 1880: »Die Sammlung geht in ihren allerersten Anfängen in meine Schülerjahre zurück, wurde aber erst in den 60er Jahren kräftiger angefaßt. Ich gab mir viele Mühe, das Material herbeizuschaffen, schrieb Briefe über Briefe, versandte ein gedrucktes Zirkular in 3-400 Exemplaren und hatte Erfolg, ich darf wohl sagen glänzenden Erfolg, obgleich ich auch vor Täuschungen nicht ganz bewahrt geblieben bin . ..... Es ist kein Lesebuch, was ich zusammengeschrieben, aber eine zu wissenschaftlicher Benutzung wohl geeignete Schrift und auch geeignet, darin zu lesen. Der Schriftsteller über oldenburgisches Land und Leute findet in ihr eine rechte Quelle alter Volksüberlieferung. Das Buch ist vielfach rezensiert, wird [20] von Germanisten viel benutzt usw.« Mit Recht, schreibt der Realschuldirektor Strackerjan, hat sich der Verfasser dieser Arbeit gefreut. Sie war die einzige, welche zu einem gewissen Abschlusse gebracht wurde, sich einen bevorzugten Platz in den Bibliotheken eroberte und Ludwig Strackerjan einen Ruf verschafft hat, der weit über die Grenzen Oldenburgs geht. Einzelnes in den »Aberglauben und Sagen« hat später dem Verfasser noch Anlaß zu eingehenden Untersuchungen gegeben. Im Gesellschafter 1869 veröffentlichte er einen Aufsatz über die Katze im deutschen Volksglauben, und die Wahrnehmung, daß der Vorspuk auch von Leuten festgehalten wird, die sonst allen Aberglauben abweisen, brachte ihn dazu, in einer größeren Abhandlung seine Gründe für die Unhaltbarkeit des Vorspukglaubens zu entwickeln. 2

Was sich nach dem Tode Strackerjans in dessen Nachlaß an fertigen kulturhistorischen Aufsätzen vorfand, hat der Bruder, Realschuldirektor Karl Strackerjan, 1881 unter dem Titel »Von Land und Leuten, Bilder und Geschichten aus dem Herzogtum Oldenburg von Ludwig Strackerjan« veröffentlicht. Auf einige dieser Aufsätze ist bereits hingewiesen worden, die Überschriften der anderen lassen wir hier folgen: Erinnerungen aus der Marsch, Hünensteine im Oldenburgischen, Kirchhofslinde zu Oldenburg, Eine Pastorei im Jahre 1700, Das Regenkleid, Strafrecht vor 200 Jahren, Edo Wiemken der Ältere, Die Ocholter Lünse, Eine Herbstdeichschau, Wetterstimmungen, Die räumliche Entwicklung der Stadt Oldenburg vor und nach dem Freibriefe von 1345, Wie's der alte Lüning gemacht hat, Die Torsperre in Oldenburg. – Im Jahrbuch für die Geschichte des Herz. Oldenburg Heft VII, 1898, wurde aus dem Nachlasse Strackerjans veröffentlicht eine Abhandlung: Zur oldenburgischen Stadtgeschichte im 16. und 17. Jahrhundert.

Fußnoten

1 In der Einleitung zu »Von Land und Leuten, Bilder und Geschichten aus dem Herzogtum Oldenburg«, von Ludwig Strackerjan. Oldenburg 1881.

2 »Wie ist der Vorspuk zu erklären?« in Von Land und Leuten. S. 83 ff.

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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. Sagen. Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg. Erster Band. Ludwig Strackerjan. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-2587-A