182.

Wie wir gesehen haben (179) ist ein Teil der Wiedergänger der Erlösung fähig. Kenntlich sind diese außer an der äußeren Erscheinung auch dadurch, daß sie vor christlichen Dingen keine Scheu haben und namentlich vor dem Kreuzeszeichen nicht entweichen. Redet man sie an mit dem Spruche: »Alle guten Geister loben Gott den Herrn,« so unterbrechen sie den redenden und setzen selbst den Spruch fort, oder sie antworten: »Ich auch.« Wer einem Wiedergänger, welcher erlöst werden kann, begegnet, muß ihn befragen, wodurch ihm geholfen werden könne, alsdann aber auch sein Begehren erfüllen, sonst wird er von jenem verfolgt und hat keine Ruhe mehr vor ihm. Wer das nicht mag, muß sich hüten, in der Osternacht hinaus zu gehen (Visbek, vgl. 178). Die meisten erlösbaren Geister sind entweder solche, welche ein Gelübde getan und nicht erfüllt oder ein Unrecht begangen haben, das wieder gut gemacht werden kann. Die Geister selbst möchten erfüllen und wieder gut machen, allein sie vermögen es nicht, da sie des Körpers entbehren, und die Erlösung besteht darin, daß ein Mensch es an ihrer Stelle tue. In der Regel verlangt der Wiedergänger, wenn man ihm versprochen, seinen Wunsch auszuführen, zur Bekräftigung einen Handschlag oder ein Pfand; man darf dann aber keinenfalls die Hand hinreichen, denn sie würde unter der Berührung verbrennen; [240] man halte vielmehr statt der Hand ein Taschentuch oder einen sonstigen Gegenstand hin. Das Fegefeuer hält die Geister fest, bis alles gesühnt ist. – Aus Oythe wird gemeldet, daß man das von dem Wiedergänger berührte Tuch zu vergraben habe. Wer wiedergeht, weil mit seinem Eigentume wider Wunsch verfahren ist, wird erlöst, sobald dem Wunsche seine Gewährung wird. – Einige Wiedergänger werden schon erlöst, wenn man ihnen auf ihre jammernden Klagen und Fragen das rechte Wort sagt. –

a.

Einer, welcher begierig war, Geister zu sehen, ging in der Osternacht aufs Feld. Kaum war er draußen, so begegnete ihm ein Bekannter, welcher noch nicht lange tot war, und stand auf einmal vor ihm. Der Lebende konnte nicht umhin, nach seinem Begehren zu fragen. Da sagte der Geist, er habe bei Lebzeiten ein Gelübde getan, in Compostella in Spanien eine bestimmte Geldsumme zu bezahlen; wenn das berichtigt werde, sei er erlöst, und wer das für ihn übernehme, werde einen großen Lohn empfangen. Der Mann sagte, das Geld wolle er gern bezahlen, aber er wisse nichts von Spanien und könne unmöglich hinreisen. Der Geist erwiederte, er möge nur am folgenden Morgen wieder an diese Stelle kommen, so werde er den Weg erfahren. Als der Mann nun am andern Morgen mit dem Gelde zur Stelle kam, ward er, ohne daß jemand da war, aufgehoben und vor einer großen Kirche niedergesetzt. Er ging hinein, bezahlte das Geld, und sowie er wieder aus der Kirche trat, ward er abermals aufgenommen und an die alte Stelle zurückgebracht. Als die Sonne aufging, war er wieder zu Hause. (Visbek.) – Ein Mann im Kirchspiel Dinklage hatte ein Gelübde gemacht, als er in den Krieg mußte, aber sein Versprechen nicht gehalten. Nach seinem Tode rumorte er im Hause, er trat nachts an das Bett seiner Frau mit einem weißen und einem schwarzen Arm. Die Frau holte sich Rat bei einem Geistlichen. Dieser sagte, wenn der Geist wiederkäme, solle sie ihm ein weißes Tuch reichen und fragen, was er wolle. Der Geist erschien eines Nachts wieder, und die Frau reichte ihm das Tuch und fragte nach seinem Begehr. Der Spuk faßte das Tuch, das alsbald dort, wo er es angefaßt hatte, versengt war, und sagte, er habe ein Gelübde gemacht und nicht gehalten. Die Frau forschte nach dem Gegenstand des Gelöbnisses und übernahm die Ausführung des gemachten Versprechens. Im selben Augenblick wurde der [241] schwarze Arm weiß, der Geist verschwand singend und ist nie zurückgekehrt.

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TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. Sagen. Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg. Erster Band. Erstes Buch. Fünfter Abschnitt. 182. [Wie wir gesehen haben (179) ist ein Teil der Wiedergänger der Erlösung]. a. [Einer, welcher begierig war, Geister zu sehen, ging in der Osternacht]. a. [Einer, welcher begierig war, Geister zu sehen, ging in der Osternacht]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-2892-5