b.
In einem Bauernhause zu Grabstede, Ksp. Bockhorn, diente vor vielen Jahren eine Magd aus Horsten, deren Schwester starb. Nach einiger Zeit erzählte die Magd ihrer Herrschaft: »Jedesmal wenn ich abends aus dem Hause nach dem Schweinekofen gehe, sitzt meine verstorbene Schwester neben dem Troge und sieht mich bittend an.« Die Herrschaft erwiederte: »Wenn sie dir heute wieder erscheint, so frage sie dreist, was sie will.« Des Abends erschien der Geist wieder, und die Magd sprach: »Alle guten Geister loben Gott den Herrn! was ist dein Begehr?« Da antwortete der Geist: »Ich habe in meinem Leben gelobt, der Kirche zu Horsten
(Harz, Wachs, Flachs) zu geben, und habe mein Gelübde nicht gehalten, deshalb kann ich keine Ruhe im Grabe finden. Du kannst sie mir verschaffen, wenn du jene Gaben auf den Altar der Kirche legst; ich will dich dahin begleiten.« Die Magd versprach, sich die folgende Nacht zum Gange einzufinden. Als die Zeit da war, trat sie mit den gelobten Gegenständen aus dem Hause, und der Geist stand schon bereit. Obgleich die Nacht finster war, war es doch bei den Wanderern nicht finster; ein mildes Licht begleitete sie. Schnell legten sie den Weg nach Horsten zurück, fanden die Kirche offen und hell, traten hinein, und die Magd legte die Gaben auf den Altar. Der Geist begleitetete die Magd zurück bis an das Hoftor und sagte: »Ich danke dir, ich muß jetzt zurück in meine Ruhe, darum nimm Abschied von mir, aber reiche mir nicht deine Hand, sondern den Zipfel deiner Schürze.« Die Magd tat dies. Da ertönte von Bockhorn her der Glockenschlag eins, und der Geist war verschwunden, zugleich verlor sich die Helle, und die Magd konnte in der Finsternis kaum den Weg vom Tore bis zum Hause finden. Am andern Morgen sah sie, daß der Zipfel ihrer Schürze fehle. Der Geist der Schwester aber erschien nicht wieder.