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In einem Kirchdorfe saßen einmal ein Zimmermann und ein Schneider zusammen im Wirtshause, disputierten über dies und jenes und kamen zuletzt ins Renommieren von ihrer Stärke und ihrem Mute und den großen Dingen, die sie schon durchgemacht hätten. Zuletzt sagte der Zimmermann zu dem Schneider: »Wollen wir mal eine Wette mit einander machen?« »Ja, nur zu,« antwortete der Schneider, »wenn was zu verdienen ist, bin ich gleich bei der Hand.« »Dann hör mal her,« sagte der Zimmermann, »ich will diese Nacht zwischen 12 und 1 Uhr im bloßen Hemde auf dem Kirchhof stehen, dann sollst du mir nicht das Hemd ausziehen können, und ich will mich gar nicht rühren, und wenn du es ausbringst, so gebe ich dir morgen eine Pistole.« »Das ist getippt,« erwiderte der Schneider, »ich will mal sehen, was ich mit dir zu tun kriege.« Der Zimmermann wußte aber, daß auf dem Kirchhofe jede Nacht zwischen 12 und 1 Uhr an einer bestimmten Stelle ein Geist stand, wie er selbst mehrmals gesehen hatte. Der Schneider aber wußte es nicht. »Es bleibt aber dabei,« sagte der Schneider, ließ sich noch ein gutes Glas geben und trieb den Zimmermann zum Weggehen an, damit er nicht zu spät komme. Der Zimmermann dachte nicht, daß es dem Schneider Ernst wäre, und dachte, wenn der wirklich dahin käme, würde er wohl wieder davon laufen, und begab sich nach Hause. Dem Schneider aber lag die Pistole am Herzen. Mit einem halben Rausch im Kopfe tappte er um Mitternacht nach dem Kirchhof und auf den bezeichneten Platz zu, wo richtig der Geistliche im bloßen Hemde stand. »Na bist du schon da, so komm mal her,« sagte [272] der Schneider und zog ihm sein Hemd aus: »Was sagst du nun? jetzt habe ich meine Pistole verdient.« Dann ging er mit dem Hemde nach Hause und legte es auf den Stuhl neben dem Bette. »Doch halt!« dachte er, »das ist unsicher, da kanns dir der Zimmermann noch wieder wegholen, lege es lieber unter den Kopf, dann ist's im sicheren Hafen.« Wie er eben im Bette war, kam eine Stimme vor die Tür und sagte: »Ich will mein Hemd wieder haben, sonst gehts nicht gut.« »Erst meine Pistole; hast du mir die mitgebracht, so kannst du auch dein Hemd wiederbekommen,« und damit schlief der Schneider ein. Andern Tags ging der Schneider zu dem Zimmermann und verlangte seine Pistole. »Was Pistole,« sagte der Zimmermann, »ich bin dir nichts schuldig.« »Nichts schuldig? weißt du nicht mehr, wie hoch die Wette war? Ich habe die Wette gehalten, nun halte du sie auch.« »Wieso gehalten?« fragte der Zimmermann. »Aber mein Gott, habe ich dir das Hemd nicht auf dem Kirchhof ausgezogen? Ich will es gleich holen.« Da geriet der Zimmermann in tausend Ängste und sprach: »Was hast du gemacht, nun sind wir beide unglücklich daran, was nun für Rat?« Sie gingen beide zu ihrem Pastoren, stellten dem die ganze Sache vor und fragten, was nun zu machen sei. »Das ist aber eine schlimme Geschichte,« erklärte der Pastor, »indessen ich will sehen, was zu tun ist.« Er sann hin und her und sagte zuletzt: »Wir wollen diese Nacht alle drei zusammen auf den Kirchhof gehen, ihr wißt ja, wo der Geist sich aufhält. Dann will ich mit ihm zu reden anfangen, und ihr müßt unter der Zeit sehen, ob ihr ihm das Hemd nicht wieder anziehen könnt, aber ja nichts dabei sprechen.« Sie gingen zusammen hin und als der Pastor mit dem Geiste zu reden begann, fingen sie an, dem Geiste das Hemd anzuziehen. Aber als der Geist das Hemd wieder anhatte, bekam der Schneider einen Backenschlag, daß er zu Boden fiel und gleich tot war, und der Zimmermann ist vor Schreck krank geworden und bald darauf auch gestorben. Der Pastor aber hat noch lange gelebt und diese Geschichte nachher oftmals erzählt. (Oldenbg.)

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Strackerjan, Ludwig. Sagen. Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg. Erster Band. Erstes Buch. Fünfter Abschnitt. 184. [Die Gespenster verhalten sich gegen die Menschen in der Regel nicht]. m. [In einem Kirchdorfe saßen einmal ein Zimmermann und ein Schneider]. m. [In einem Kirchdorfe saßen einmal ein Zimmermann und ein Schneider]. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-3757-5