66. Gott läßt sich nicht spotten.

In einem Dorfe bei Osterburg saßen an einem Sonntage mehrere Bauern im Kruge und tranken und spielten Karte. Einer von ihnen, der erst vor Kurzem durch eine Heirath Hofwirth im Dorfe geworden war, ein wüster Gesell, tobte und fluchte fürchterlich, weil er ein paar Dreier verloren hatte. Darüber kam ein fremder Reisender in die Krugstube, der verkündete den Anwesenden, daß ein Gewitter im Anzuge sei, und daß man schon den Donner von ferne hören könne, und er bat sie, mit dem Spielen Einhalt zu thun, und lieber nach Bibel und Gesangbuch [59] zu greifen. Der neue Hofwirth aber schalt und rief: Was scheert uns das Gewitter; wir müssen weiter spielen, bis ich mein Geld wieder habe. Die Andern wollten sich damit auch nicht lumpen lassen, und sie spielten fort. Unterdeß war das Gewitter näher gekommen, und es donnerte und blitzte draußen erschrecklich, und wurde auch in der Stube so dunkel, daß man ohne Licht nur noch kaum sehen konnte. Die anderen Bauern hätten gern aufgehört, aber sie schämten sich vor dem Einen, der ihrer Furcht und Angst spottete. Endlich kam voller Schrecken über das Unwetter die Wirthin in die Stube gelaufen. Die entsetzte sich, als sie die Karten sah. Sie riß diese vom Tische weg, und rief den Bauern zu: Schämt Ihr Euch denn nicht, Ihr Leute? Es ist sündlich und gottlos, bei solchem Wetter zu spielen! Die Bauern nahmen nun das Gesangbuch zur Hand und ließen vom Spielen und Trinken ab, waren auch durch kein Verspotten des neuen Hofwirths zu etwas Anderem zu bewegen. Darüber wurde dieser erboßt, und er verhöhnte sie: Ihr furchtsamen Seelen! der Teufel wird Euch nicht gleich holen, und das Bischen Poltern am Himmel wird Euch auch nicht schaden. In seinem Uebermuth ging er immer weiter, bis er zuletzt ausrief: Der liebe Gott will uns nur Wasser vom Himmel schicken; ich will ihm einmal in Bier Bescheid thun! Damit nahm er seinen Krug Bier, und ging zum Schrecken aller Anwesenden hinaus vor die Thür. Auf einmal kam ein furchtbarer Blitz, als wenn die ganze Erde in Feuer stände, und mit dem Blitze kam ein Donnerschlag, daß das Haus von unten bis oben erzitterte. Zu gleicher Zeit aber hörte man draußen ein ängstliches Schreien. Da liefen Alle aus der Krugstube, und vor der Thür fanden sie den gottlosen Frevler knietief in die Erde geschlagen. Er war todtenbleich im Gesichte, und konnte sich nicht rühren. [60] Sein Krug war zerschmettert, und nur den Henkel hielt er noch in der Hand. Man führte ihn in die Stube zurück. Dort brachen ihm die Augen. Er konnte nur noch eben die Worte herausstammeln: Gott läßt sich nicht spotten! Dann sank er zusammen, und war todt.


Acten des Altmärkischen Vereins für Geschichte und Industrie.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Temme, Jodocus Deodatus Hubertus. Sagen. Die Volkssagen der Altmark. 1. Sagen der Altmark. 66. Gott läßt sich nicht spotten. 66. Gott läßt sich nicht spotten. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-3C2B-C