69. Der neue Adel in der Altmark.

Es war im Jahre 926, als Kaiser Heinrich der Vogler anfing, sich in der Altmark ernstlich gegen die Wenden zu rüsten. Diese vernahmen das und merkten wohl, daß es ihnen gelten würde. Sie befestigten sich daher in der Stadt Brandenburg, und weil es zornige, hastige Leute waren, so ließ ihr König Mizisla Kaiser Heinrichen entsagen mit seinen Legaten, die er zu ihm nach Stendal schickte. Kaiser Heinrich gab den Legaten zwar demüthige Antwort; aber er ließ einen alten Hund herbringen und stäupen und an einen Baum hängen, daraus die Legaten ihre eigentliche Antwort abnehmen konnten. Darauf beschrieb der Kaiser Heinrich der Finkler einen Landtag zu Stendal, berief seine Sachsen und Thüringer, Bünder und Märker, zeigte ihnen seine Noth an, und begehrte Hülfe. Weil ihm aber noch immer mehr Leute vonnöthen, besonders getreue Leute, die ihm zum Kriege dienstlich, so fing er an, auf dem Landtage, in Gegenwart vieler Fürsten, Grafen, Herren und Alten vom Adel, und machte alle seine Hofdiener, Handwerksleute zu Hofe, gemeine Amtleute und Kriegsleute zu eitel Edelleuten, sprechend: »Adel, Edel, Eid, Halt!« gab ihnen Sturm- und Kriegsrüstung zu Waffen und Helmzeichen, wie solches der Edelleute Waffen vielfältig mit sich bringen. Das ist auch die Ursache,[62] warum vornehmlich in der alten Mark so Viele von Adel sind, nämlich über funfzig Geschlechter; und es sind so viele Dörfer daselbst vor Zeiten nicht gewesen, als man Namen der Geschlechter findet, von welchen jetzt viele untergegangen.

Die Hauptleute und Befehlshaber erhöhete der Kaiser aber zu Grafen und Herren.

Als darauf nun der Kaiser seine Kriegsleute gemustert und seine neuen Edelleute vermahnet, sie sollten ihren Adel bedenken, und mit adeligen Thaten beweisen, da rückte er mit dem Haufen stracks über die Elbe. Sein Oberster war Johannes, Heinrichs des Kahlen Sohn, Markgrafen zu Stade, ein junger aber freudiger Kriegsmann und rechter Held. Dieweil nun ein harter Winter plötzlich kam, rückte er Anno 927 vor Brandenburg, schlug sein Zelt auf dem Eise auf, stürmte und gewann Brandenburg, würgete die Wenden, Heruler, Obotriten, und was darinnen lag, besetzte das stark mit Sachsen und vielen vom Adel, von welchem noch viele Geschlechter über der Elbe übrig sind, und sich in der Mittelmark, Neumark, Ukermark, Priegnitz, Mecklenburg u.s.w. vertheilet haben.

Darauf baute der Kaiser Heinrich da zu Brandenburg, zum Zeichen des Sieges, auf dem Harlunger-Berge eine runde Kirche, in der Ehre der Jungfrau Maria. Sodann rückte der Kaiser nach dem Siegeberge, dem Blockhause unter Werben, welches er Werben nannte. Er wollte daraus den Sieg erwerben, wie auch geschah. Als er da sein Feldlager hielt im Frühlinge, da kamen nämlich die Wenden gerüstet mit großer Heeresmacht, mit welchen der Kaiser eine heftige Schlacht hatte. Darin ließen die Neuen vom altmärkischen Adel ihre Thaten scheinen, und behielt der Kaiser durch sie das Feld.

[63] Enzelt Chronik der alten Mark. Halberstadt 1682. S. 72-75. (Ausgabe von Amersbach.) Dieselbe Chronik. Salzwedel, 1736. S. 65f.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Temme, Jodocus Deodatus Hubertus. Sagen. Die Volkssagen der Altmark. 1. Sagen der Altmark. 69. Der neue Adel in der Altmark. 69. Der neue Adel in der Altmark. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-3ED6-9