Die Romantik des Geschmacklosen
Das Essaybuch von Max Brod ›Die Schönheit der häßlichen Bilder‹ (das von Kurt Wolff in Leipzig verlegt ist) erscheint mir als das beste seiner letzten Bücher. Da sind alle die Arbeiten gesammelt, die zerstreut herauskamen und unser Entzücken erregten. (Viele haben in der ›Schaubühne‹ gestanden.)
Den Titel hat das Buch, weil die meisten Aufsätze sich liebevoll damit befassen, die untergehende Geschmacklosigkeit als romantisch, als abwegig, als etwas nicht Alltägliches hinzustellen. Es gibt von Max Brod ein wundervolles Gedicht in dem schönen Bande ›Der Weg des Verliebten‹. Da steht drin, daß in einem Lande, wo Wunder, Helden und Fehden, Satansmessen und Vampyre an der Tagesordnung sind, die Romantiker einsam im Gebirge wohnen und ihrerseits ein Land erfunden haben, »von dem sie schwärmen. Dort gibts saure Weine, Hausbälle, Ehen, sogar Singvereine.« Das ist es. Wie hat er das rührende sterbende Kaiserpanorama besungen! Es muß wohl mit allen Einzelheiten auf der ganzen Welt gleich sein – denn so, wie es in Prag ist, so ist es in Berlin, und so wird es wohl auch in Paris sein und[100] sonstwo. Sorgfältig hat er die Kleinigkeiten, die Environs, unter denen eine Sache vor sich geht, gesammelt, untersucht, analysiert. Er hat eine wundervolle Art, den Kitsch ernst zu nehmen, ihn für alles verantwortlich zu machen. Da heißt es in›Vorstadtbühne‹: »Dann brach eine Dämmerung ein, die ruckweise fortschritt, so, als vergäße der liebe Gott immer eine Weile, es dunkeln zu lassen, besänne sich jedesmal und hole es dann plötzlich mit Energie ein . . . « In der Art. Es reizt ihn, die zusammengeballten Klischees unsrer Umgebung wieder aufzulösen, zu zeigen, woher sie kommen. Verstaubt, aber unversehrt, entsteigen herrliche Gebilde dem Orkus. Hier scheint mir der Reiz zu liegen. Varieté, Kunst, Literatur – das schöne Buch verdient, daß viele sich daran erfreuen.