›Dienstlich‹
In Diedenhofen hat ein Leutnant einen Fähnrich erschossen. Bei einer nächtlichen Sauferei: der Leutnant erklärte schlucksend, er wolle sich nunmehr das Leben nehmen. Nun, das sagt man schon so des Nachts um halber zwölf. Aber dem da schien es ernst zu sein, denn er zog einen Revolver und fuchtelte damit herum. Der Fähnrich, der das Unheil kommen sah, nahm seinem betrunkenen Vorgesetzten das Schießgewehr weg. Darauf wurde der nüchtern und »befahl wiederholt dem Fähnrich dienstlich«, ihm den Revolver zurückzugeben. Was dieser auch tat, – der Leutnant holte sich von seinem Burschen Patronen und schoß den Fähnrich tot.
Es wird Sache der Gerichte sein, sich mit diesem Tatbestand näher zu befassen. Wir haben uns bloß mit dem Wort ›dienstlich‹ zu beschäftigen. Es steht immer in diesen Berichten, die wir zur Genüge kennen. Wenn ein Offizier eine Weibergeschichte hat, einen Zusammenstoß mit Vorgesetzten aus privaten Gründen, – immer wird die Sache irgendwo dienstlich. Bis dahin stand man sich als Mitmensch und Gegner gegenüber, – wenn man aber nicht mehr weiter kann, befiehlt man ›dienstlich‹. Praktisch: die Kommandogewalt gilt immer. Das ist eine gefährliche Waffe in Händen von Leuten, die noch nicht weit[119] genug sind, um zwischen Privatverhältnissen und dem Dienst zu unterscheiden. Im Gegenteil: nachts um zwei, wenn man nicht mehr gerade stehen kann, hört die Gemütlichkeit, aber auch der Dienst auf.
Das Wort imponiert. Niemand nimmt mehr Anstoß daran, wenn so ein junger Leutnant nachher im Gerichtssaal erklärt: »Ich befahl dem Angeklagten dienstlich . . . « Und wenn man näher hinhört, saßen sie alle zusammen beim Jeu und waren alle zusammen heillos betrunken. Das ist eine Farce, die abgetan werden muß. Sie bilden einen Staat im Staate – denn wenn jemand bei einer Rauferei sich auf den Postassistenten ausspielt, wird er ausgelacht. Hier fliegt der andere in den Kasten, wenn er nicht noch im Rinnstein mit den Händen an der Hosennaht salutiert: »Zu Befehl, Herr Leutnant!« – Der Dienst gehört in die Kaserne. Beim Sekt hat er nichts zu suchen.