Der Stimmungssänger
Das Lokal verdunkelt sich, tieflila und bonbonrosa
Hörst du nicht das Lieböslied,
wie es leis die Nacht durchzieht?
Zwei Herzen, die scherzen, ahnen oft nicht,
daß plötzlich beim Scherzün entflammen die Herzün . . .
Du bist etwas ganz Wunderbars:
Ich hab dich so gerne –
Bist mir Sonne, Mond und Sterne,
meine Venus du und mein Mars . . .
Sag mir noch einmal Jöä, du schöne Frau!
Sag mir noch einmal Jöä!
Ich weiß genau:
Ich drück dich an mein Herriz – die Nacht und ich sind blau
am Busen einer schönen Frau –!
[103] Orchester
Ein bayerischer Gast verlangt stürmisch nach Knödeln. Der Stimmungssänger zieht sich zwei aus dem Hals und reicht sie ihm.
Orchester
Ich denke an dich spät und früh,
du meine Madamm Butterflüh!
Mit dir – da möcht ich einmal sein
in Rüdesheim am Rhein beim Wein!
Du trägst ein Kind unterm Herzelein . . .
Ja, wer mag der Vater nur sein –?
Drei Musketiere! Drei Kavaliere!
Für die Freiheit stehen sie ein!
Zieht blank, Musketiere, und steckt den Degen ein
mang die Freiheit, die Frauen und der Wein!
Him – plam, plam
Hum – plim, plim
Jau – didau didau –
plim – plim...
Ich schenk dir Küsse ohne Zahl.
Wir sind hier ein durchaus feines Lokal.
Vor Monokeln liegen wir auf dem Bauch;
kommt der Kronprinz einmal, vor dem Kronprinzen auch!
Zähl nicht jede Flasche, die der Kellner dir nimmt
halbgefüllt . . .
Du süßes Engelsbild!
Bald ist der Moi
vorbeu!
Bleib mir treu!
Und kaufe ihr einen Veilchenstrauß,
sonst fliegt die Person aus dem Ausschank hier raus!
Zonny boy!
Und kaufe ihr einen Täddy-Bären,
sonst darf die Nutte hier nicht mehr verkehren!
Zonny boy . . .
Die deutsche Frau sei dem Manne geheiligt –
auch ist sie an den Getränken beteiligt . . .
Keine Inkorrektheit, die uns entwischt!
Zwischen servil und frech gibt es hier nischt.
Hier herrscht Ordnung!
Dort seh ich die Lo – die süße Kokwette –
sie kommt grade von der Damentoilette!
[104]O sieh doch nur, wie der Mondenschein strahlt!
Dabei hat das Luder nicht mal bezahlt!
Sie macht ein unschuldvoll Gesicht
und denkt, die Toilettenfrau merkt es nicht . . .
Doch es gibt eine Frau, die dich niemals vergißt
und dir alles im Leben verzeiht –
aber wenn du ihr weggelaufen bist,
dann kommt es, daß sie schreit:
»Heinmal sagt man sich Hadjöö,
wenn man sich auch noch so liebt!
Einmal sagt man sich Adieu,
det mir det Aas keen Trinkjeld jibt!
Da hat se natürlich keen Jeld vor . . . !«
Und wir spielen vermittels des Weins
dem Mittelstand große Welt vor
von abends bis morgens um eins!
Stoßt auf! Mit dem Rebenpokale!
Die Celli und Geigen ziehn!
Wir sind die Vergnügungslokale
und der Stolz der Weltstadt Berlin –!
· Theobald Tiger
Die Weltbühne, 08.04.1930, Nr. 15, S. 548.