Warum mein Kontoauszug neulich
einen Fehler hatte

Damit einer liebe, ist es nicht nötig, daß viel Zeit verstreiche, daß er Überlegung anstelle und eine Wahl treffe, sondern nur, daß bei jenem ersten und alleinigen Anblick eine gewisse Übereinstimmung gegenseitig zusammentreffe oder das, was wir hier im gemeinen Leben eine Sympathie des Blutes zu nennen pflegen . . . Demgemäß ist auch der Verlust der Geliebten durch einen Nebenbuhler für den leidenschaftlich Liebenden ein Schmerz, der jeden andern übersteigt.

Schopenhauer


» . . . bei der Sortenkasse anfragen, ob er da noch was hat . . . Nein, da hat er ja nichts . . . Paske, Parmel, Panter . . . 2645, dann gehen die 500 ab, aha! da ist ja noch ein Eingang, dann schuldet er uns also gar nichts. Doch: 78 Mark – die stehn noch offen. 78 . . . 78 . . . 78 . . . Siebzig, siebzig, siebzig . . . was sich neckt, das liebt sich . . . Formular! Also:

Ihnen anliegend den Auszug Ihrer werten Rechnung bei uns zu überreichen, abschließend mit einem Saldo von – Es widerspricht ihrer Moral, sagt sie. Na, so ein Zimt! Moral! Moral! Als ob Liebe was mit Moral zu tun hat! Himmelherrgottdonnerwetter – das wär mal eine [156] Frau gewesen! Gibts das alle Tage? Nein, das gibts nicht alle Tage. Eine wirklich vernünftige Person und lustig und frisch wie ein junges Mädchen und in puncto puncti . . . na, lassen wir das. Wie die hier alle stehn und rechnen – also von den Kollegen versteht ja das Mädel keiner. Keiner. Saldo von . . . Gleich das erstemal, wie ich sie gesehen habe . . . also das war wie ein Blitz. Ich habs ihr auch gesagt. Doch, man muß das sagen. Und was sagt sie da? Ihre Moral –! Wirklich, ich habe ein Pech . . . Kommt schon mal ne leere Droschke, dann sitzt einer drin! Und das wäre ja alles noch zu ertragen, aber das Gemeinste an der Sache ist: sie liebt ja. Sie ist ja gar nicht so. Sie liebt. Aber verdammt noch mal: einen andern.

Und das hat sie mir auch noch erzählt! Mit allem Komfort hat sie mir das erzählt! Nein! Fragen Sie oben in der Registratur! Ich hab ihn nicht. Affe! Ja . . . alles hat sie erzählt. Raffinement? Glaub ich nicht. Nö, raffiniert ist die nicht, dazu ist sie wohl zu raffiniert. Aber . . . sie liebt. Doch – ja. Ich habe ganz frech gefragt: Wo denn? Ich sage: Wo denn? Wenn Mama so aufpaßt? Sie sagt: Gottes Natur ist groß. So, sage ich. Na, kurz und klein: ich habe dann manches aus ihr rausgekriegt. Saldo von . . . der Teufel soll diesen Panter holen und das ganze Kontokorrent! Ich hab es alles rausgekriegt. Und jetzt bin ich seit drei Tagen reine wie besoffen – ich werde das Bild nicht los, ich . . . , werde das nicht mehr los.

Ich seh sie immerzu, mit dem. Ein schöner Kerl wird das sein – wahrscheinlich irgend so ein Sportfatzke. Blond, groß . . . oder klein, vermiekert . . . hähä . . . nein, das liebt sie nicht . . . das kann nicht sein. Blond, groß . . . Wo hab ich denn meinen Spiegel? Ich seh heute gar nicht gut aus . . . sonst seh ich ganz gut aus . . . aber heute . . . kein Wunder. Das Mädel geht mir nicht aus dem Kopf. Und immerzu das, immerzu das Bild. Die gehen Hand in Hand zusammen in den Wald . . . dann schlenkern sie so mit den Armen dabei, tralala – verflucht, verflucht . . . und diese Tannen, ganz dunkelgrün, ganz dicht . . . und sie –

Ich glaube das nicht. Ich glaube das einfach nicht. Das tut sie nicht. Doch, das tut sie doch. Der Kerl ist ja gar nicht da – im Augenblick ist er mal nicht da – also daran ist kein Zweifel, vorläufig bin ich mal da! Aber das nützt mir nichts . . . das nützt mir gar nichts. Er ist nicht da! Aber er wird da sein. März, April . . . Mai . . . noch zwei Monate. Nein, ich fahre weg. Nein, also dann will ich nicht hier sein! Nee – ich nehme dann meinen Urlaub. Dann könnt ich ja gar nicht arbeiten, wenn der da ist . . . Gehen in den Wald und lachen und –. Der Bursche wird ja gar nicht richtig küssen können. Kann er ja gar nicht. Und überhaupt: bei ihm empfindet sie bestimmt nichts. Sicher nichts. Sicher nicht. Das ist unmöglich. Was ist schon dabei . . . laß sie doch . . . ! Das ist eine leere Formalität. Sie wird ihn überkriegen, und dann komme ich. [157] Dann komme ich. Und dann wird sie sagen: Vor dir habe ich nicht gewußt, was Liebe ist. Sicher. Und dann bleiben wir zusammen. Das Telefon? Vielleicht ruft sie an? . . . Ist gar nicht für mich . . . äh – Und immer wieder die beiden . . . Das ist, glaube ich, Psychoanalyse, ich habe da neulich einen Vortrag drüber gehört . . . Das wird ja eine fixe Idee, wenn das so weitergeht . . . Donnerschlag, ich bin doch sonst nicht so, aber diesmal hats getroffen. Saldo . . . zu seinen Gunsten? Nein, zu unseren Gunsten . . . muß noch mal nachsehen . . . Aber das ist mal sicher:

Von der nichts zu bekommen, ist immer noch hübscher, als mit einer andern zu schlafen!


Mit einem Saldo von

RM 780. – zu unsern Gunsten, welcher auf neue Rechnung vorgetragen worden ist.«


»Hat angeklingelt und noch einen Brief geschrieben und sich beschwert . . . Stornieren Sie das! 780 Mark zu unseren Gunsten! Es ist ein Skandal! Das ist jetzt schon das zweitemal! Wie kommt denn das? Was machen Sie denn?«

»Ich weiß es nicht, Herr Direktor. Ich kann es mir nicht erklären. Ich weiß es nicht –.«


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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Tucholsky, Kurt. Werke. 1930. Warum mein Kontoauszug neulich einen Fehler hatte. Warum mein Kontoauszug neulich einen Fehler hatte. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-6774-F