Soll man das tun?
Soll man seine Bücher mit Anmerkungen versehen? Mit Strichen? Mit Bravo-Ausrufungszeichen und mit Na-na-na-Fragezeichen? Soll man das–?
Schopenhauer tats. Die Bände seiner Bibliothek sind voll von herrlichen und wetterfesten Beschimpfungen, von Ergänzungen, Marginalien und fixierten Wutausbrüchen, wenn dem Herrn Buchautor etwas schief gegangen war. Auch schrieb er in viele Bände ein Generalurteil hinein . . . Der also tats. Sollen wir auch –?
Manchmal juckts einen. Es ist ja nicht so übermäßig tapfer, denn der Autor ist nicht dabei, er kann sich nicht wehren, er sitzt, während du ihn beschimpfen oder Ei-ei machen willst, am Bach und angelt (wenn er klug ist), oder er schreibt grade ein neues Buch (wenn sein Verleger klug ist). Es ist also, was du da treibst, ein etwas einseitiger Sieg . . .
Immerhin: es prickelt uns doch manchmal in allen Fingerspitzen, [286] dem Herrn einen hinzumalen. Der deutsche Leser ist ein ordentlicher Leser; dreiviertel aller Kritiken werden also wohl:
WIDERSPRUCH! SIEHE SEITE 95!
heißen. Aber nichts hat so viel Unlogik in sich wie die Logik . . . man sollte da wohl etwas vorsichtig verfahren . . .
Der Tadelmöglichkeiten gibt es viele. Wir wollen es nun nicht so treiben wie jener hohe Herr, der »Blödsinn!« und »Quatsch!« an den Rand seiner Akten schrieb – doch macht sich das gequälte Gemüt des Lesers gern Luft in solchen Strichen – dick! zweimal! immer gib ihm! und jeder Strich heißt: »Hat man je so etwas . . . !« Das ist der Herr Lehrer, der aus dem Leser spricht; eigentlich müßten solche Striche mit roter Tinte gemacht werden . . .
Lange Anmerkungen schreiben die Leser von Romanen heute selten an den Rand . . . für wen auch? Vielleicht für ihre Nachleser oder Nachleserinnen – für den Autor und gegen den Autor aber wohl nicht mehr. Der Respekt vor dem gedruckten Buch ist sehr geschwunden . . . Und der schärfste Tadel ist wohl der, der den Autor wirklich träfe, könnte er ihn hören: »Ich habe den Kram gar nicht zu Ende gelesen!«
Und wie ist es mit dem Ei-ei? Das sieht schon anders aus.
Ich für mein Teil bin ein Unterstreicher jener Stellen, die mir zusagen. Ich nehme einen Bleistift und in wilden Lagen des menschlichen Lebens den Fingernagel und male an. Wenn ich dann das Buch noch einmal lese, dann weiß ich: »Hier ist gut ruhen – da paß auf.« Und welche Stellen loben wir?
Die, mit deren Inhalt wir uns identifizieren. Das unausgesprochene ›Ich auch! ich auch!‹ ist in diesen Strichen, Punkten, kleinen Linien . . . es muß hübsch sein, diesen stummen Applaus entgegenzunehmen. Schauspieler haben es gut – Schriftsteller merken nur mittelbar, was sie gekocht haben.
Die angestrichenen ›schönen Stellen‹ sind wie kleine Laternen in der Nacht. Die Leserin fühlt sich von ihrem Schein getroffen, es entsteht ein Induktionsstrom, etwas klingt in ihr auf . . . klingt mit . . . ich auch! ich auch! Und da streicht man dann an.
Wird das Buch dadurch verunglimpft? Damit ist es so:
Es fragt sich, ob man mit dem Buch eine Liebschaft hat oder mit ihm verheiratet ist – ich wage nicht, eine dieser beiden Möglichkeiten mit dem Wort ›nur‹ zu versehen . . .
Ein kostbares Buch, das man liebt . . . das soll man lassen stahn und nichts hineinmalen. Aber wenn man mit dem Buch zusammenlebt, jahraus, jahrein – dann darf man schon diese oder jene kleine Anmerkung anbringen. Etwa auf Seite 167, wo der Held morgens beim Zähneputzen so laut gurgelt, daß die ganze Lyrik zusammenstürzt, darf man schreiben:
genau wie Egon