Berliner Bälle
»Mit dir – mit dir – möcht ich mal sonntags angeln gehn –
Yes, Sir, that's my baby!
Mit dir – mit dir – da denk ich mir das wunderschön! –
I wonder, where my baby is to night –«
Junge Rechtsanwälte biegen sich im Boston –
dies Mädchen ist nicht von hier; die ist aus dem Osten!
Kleine Modezeichner schlenkern viel zu viel mit die Beine –
ein dubioser Kerl tanzt im Rund seinen Charleston alleine.
Der Saal kocht in Farben, Musik, Lärm, Staub und Gebraus –
die Frauen schwimmen im Tanzmeer, das spült sie aus den Logen heraus –
In dreißig Sälen dieselben schwarzen Jüdinnen, in Silber eingewickelt wie die Zigarren, beturbant; dieselben Melodien . . .
Heute nacht tanzen sechzigtausend Menschen in Berlin.
»Wo
sind deine Haare –
What did I kiss that girl,
du mußt nach Berlin,
Barcelona – Parlez-vous français?«
In allen Ateliers näseln die Grammophone;
weinrot stehn die Lampions in der grauen Luft – die Frau ist gar nicht so ohne –
Kein Licht machen! Treten Sie nicht auf die Paare!
Wo sind deine Haare –?
August . . .
Jetzt sinkt das Fest sachte zu Boden wie ein müdes Blatt,
Gehst du schon? Wohl dem, der jetzt eine bunte kleine Wohnung hat.
In allen nächtlichen Hauswürfeln dieselben Neckrufe, Gelächter, ratschenden Nadeln, Seufzer, feinen Melancholien.
Heute nacht tanzen sechzigtausend Menschen in Berlin.
[174] Sachliche Liebe, die du mit ohne Seele blühst;
berliner Knabe, der du dich kaum noch bemühst!
Das Wo ist meistens schwieriger als das Ob –
Aphrodite mit dem berliner Kopp!
Aphrodite, schaumgeborne, laß mal sehn,
wie sie alle, alle mit dir angeln gehn!
»Hallo? Wie is Ihn denn gestern bekomm? Gut? ja? Ausgeschlafen?
Hach! Daran kann ich mich gahnich erinnern. Nein. Der hat doch
Sonja das Chinesenkostüm geliehn . . .!«
Als wär nie nichts gewesen
telefonieren dreißigtausend Paare in Berlin.
· Theobald Tiger
Die Weltbühne, 08.03.1927, Nr. 10, S. 384.