Zweiter Aufzug
An der Heerstraße.
ERNST
in geringer Tracht.
Dort hebt der Dom von Basel sich empor;
Nicht darf ich's wagen, der Landflüchtige,
Ins Tor der Stadt, das gastlich offensteht,
Hineinzuschreiten wie ein andrer Mann.
Der breite Heerweg ziehet sich hinauf,
Ich aber darf gebahnte Straßen nur
Durchkreuzen wie ein aufgescheuchtes Wild,
Das quer hinüber nach dem Walde flieht.
Zween Herren reiten mit Gefolg heran,
Am Kreuzweg halten sie, sie steigen ab,
Sie wandeln hieher nach dem Schattensitz.
Er ist's, er ist's, Graf Odo, ja er ist's,
[76] Und auch den andern sollt ich kennen, ja:
Wie schlägt mein Herz, der Vater Edelgards!
Ernst tritt in das Gebüsch zurück, während die Grafen Hugo von Egisheim und Odo von Champagne auftreten.
HUGO.
Ich bat Euch abzusteigen, werter Graf!
Wir trennen uns an diesem Scheideweg:
Euch führt die Straße links nach der Champagne,
Mich jene rechts zum kaiserlichen Hof.
Damit nun diese Scheidung unsrer Bahn
Nicht eine Trennung sei für immerdar,
Vergönnt ein wohlgemeintes Abschiedswort!
Es ist in vor'gen Zeiten wohl geschehn,
Daß Ihr den ältern Freund um Rat befragt,
Vergebt ihm, wenn er ungebeten jetzt
Mit seinem Rat erscheinet!
ODO.
Sprecht, Herr Graf!
HUGO.
Ihr habt in Basel selbst Euch überzeugt
Von der burgund'schen Großen Wankelmut;
Ihr saht die stürmischen Versammlungen
Herüber und hinüber wogen.
ODO.
Nun?
HUGO.
Als erst gemurmelt ward, daß Herzog Ernst
Entlassen sei aus seiner Kerkerhaft
Und hergestellt in herzogliche Macht,
Da war es all vergessen, daß man jüngst
Dem Erbvertrag einhellig beigestimmt,
Den Rudolf mit dem Salier neu beschwor.
Um Euch, den Blutsverwandten Ernsts, den gleich
Beteiligten, erhob sich das Gedräng,
Die Losung: »Ernst und Odo.«
ODO.
Und wozu
Mir dieses jetzt?
HUGO.
Als aber bald darauf
Der Bann, die Ächtung Ernsts verlautet war,
Da wechselte der Wind.
ODO.
Erlaßt mir das!
HUGO.
Die Losung: »Kunrad«.
ODO.
Graf, gehabt Euch wohl!
HUGO.
Noch nicht, mein Freund! Das eben macht mir Sorge,
Daß Ihr so feindlich, mit verbißnem Groll
[77] Nach Hause kehret.
ODO.
Wißt Ihr das gewiß?
HUGO.
Noch ist mein Auge nicht so alterschwach,
Daß ihm der Blicke Zorn, der Lippen Trotz
Und jeglicher Bewegung Hastigkeit
An Euch verborgen bliebe. Teurer Freund,
Nicht in vereinter Kraft mit Herzog Ernst
Wär's Euch gelungen, noch viel weniger
Könnt Ihr's allein erzwingen. Hofft es nicht!
Unbeugsam steht des Kaisers Wille, groß
Ist seine Macht. Vermeidet seinen Grimm,
Verzehren würd er Euch. O schleudert nicht
Die Fackel in das unglücksel'ge Land,
Das noch vom alten Kriegesbrande raucht!
Ihr werdet nicht: Gebt mir darauf die Hand!
Ernst tritt hervor und faßt den Mantel des Grafen Odo.
ODO.
Ein Bettler zerrt mich hier und einer dort.
Was bettelst du?
ERNST.
Das Erbe von Burgund.
ODO.
Ernst!
HUGO.
Herzog Ernst!
ERNST.
Nicht er, sein Schatten nur,
Sein irrer Geist, der auf dem Kreuzweg spukt.
ODO.
Wahnwitziger!
ERNST.
Wär ich wahnsinnig worden,
Wen dürft es wundern? Doch ich bin es nicht.
Noch weiß ich gut, daß du Graf Odo bist,
Mein Vetter und Miterbe von Burgund.
Dir laur ich an den Straßen auf, von dir
Begehr ich Hülf in meiner tiefen Not.
ODO.
Zur bösen Stunde bist du mir genaht,
Wo mir's im Busen kocht, im Hirne brennt,
Wie du so schmählich, schmählich mich getäuscht.
Als Herzog hoch zu Roß, an Heeresspitze
Einziehend in Burgund, mein Kampfgenoß,
So hab ich dich erwartet, und es stand
In deiner Macht. Für einen Landsverwiesnen
Betrogst du mich und läufst nun selbst daher,
Ein weggejagter Bettler, und verlangst,
Ich soll die nackten Lenden dir mit Purpur
[78] Bekleben, soll dir auf dein struppig Haar
Die Krone stoßen, soll auf meinen Schultern
Thronan dich schleppen. Nein, du kennst mich falsch:
Nicht will ich an Geächtete mich ketten,
Frei will ich schreiten an mein hohes Ziel.
Gelüstet's dich nach Kronen, frage nur
Den Alten hier! Der weiß für alles Rat.
Abgehend.
Mein Roß!
ERNST.
O Schmach! o rachelose Schmach!
Auch du bist ehrlos, herzogliches Schwert,
Und keines Freien Klinge kämpft mit dir.
HUGO.
Unglücklicher!
ERNST.
Du fühlest Mitleid noch,
Und ungetröstet soll ich nicht von hier.
Du siehst dich sorglich um – sei ohne Furcht!
Wir sind hier unbehorcht, kein Lauscher wird's
Verraten, wenn du den Verbannten hörst.
Ich will dir ferne stehen, daß mein Hauch
Dich nicht berührt, noch mein Gewand dich streift.
HUGO.
Könnt ich dir Trost gewähren, o wie gern!
ERNST.
Ehrwürd'ger Greis, wenn die Erinnerung
Vergangner Tage dich nicht ganz verließ,
So wirst du dich entsinnen, daß ich einst,
In schönrer Zeit, um deine Tochter warb.
Nicht will ich die Bewerbung jetzt erneun;
Ich wär ein unglücksel'ger Bräutigam:
Wollt ich zur Kirche führen meine Braut,
Kein hochzeitlich Geleite trät uns nach,
Vor meinem Anblick kreuzte sich das Volk,
Kein Festklang tönte von dem Glockenhaus
Noch die Posaune von des Turmes Kranz,
Und wollt ich mit ihr nahen dem Altar,
So schwiege Chorgesang und Orgelschall,
Der Priester höbe dräuend seine Hand
Und spräche Fluch statt Segen über uns.
Nein, werben darf ich nicht um Edelgard,
Auch hab ich's um dich selber nicht verdient:
Drei feste Burgen hab ich dir zerstört,
Weil du zum Kaiser, deinem Vetter, hieltst.
Nur eines bitt ich, sag es mir zum Trost:
[79] Hat deine Tochter, wenn einmal von mir,
Von meinem Mißgeschick die Rede ward,
Hat sie, ich meine nicht, um mich geweint,
Nein, ob das Aug ihr flüchtig überlief,
Nur wie ein leichter Hauch den Spiegel trübt;
Ob sie, geseufzet nicht, nein: tiefer nur
Geatmet, wie man oft im Traume pflegt?
HUGO.
Von Tränen und von Seufzern merkt ich nichts,
Nur, daß sie ernster, feierlicher ward.
Mildtätig, hülfreich war sie schon zuvor,
Jetzt gab sie gänzlich sich der Armut hin:
Wie fromme Witwen pflegen, spendete
Die jungfräuliche Witwe jeden Tag
Almosen, war der Kranken Wärterin,
Erquickte Pilger und Gefangene ...
ERNST.
Gefangene!
HUGO.
Bis nun die Botschaft kam,
Daß du mit Acht belegt und Kirchenbann;
Da bat sie freundlich eines Morgens mich,
Sie zu geleiten zum Ottilienberg.
(Du kennst das Kloster, das von seiner Höh
Das schöne Elsaß weithin überschaut.)
Als sie vom Zelter dort gestiegen war
Und in der Hand den Ring der Pforte hielt,
Da sprach sie: »Wohlgelegen ist dies Stift;
Man sieht von seiner Schwelle weit umher
Die Städt und Burgen, Fluß und Feld und Hain
Und allen Reichtum dieser schönen Welt
So freundlich und so blühend hingelegt,
Daß, wem nicht alles Erdenglück erstarb,
Wem nicht die Hoffnung ganz entwurzelt ist,
Hier an der Pforte noch umkehren muß.«
Mit diesem trat sie in der Mauern Kreis.
Und dort im Hofe quillt ein heil'ger Born,
Ein wunderkräft'ger, der die Augen stärkt
Und selbst der Blindheit nächt'ge Binde löst;
Damit benetzte sie der Wimpern Saum.
»Mein Aug ist trübe worden«, hub sie an,
»Und wohl bedarf ich, daß ein Himmelstau
Zur ew'gen Klarheit mir den Blick erschließt.«
So sagte sie dem Ird'schen lebewohl.
Ab.
[80]ERNST.
Auch du hinab, du goldner Liebesstern,
Der meiner Jugend Pfade schön erhellt,
Der tröstend in mein Kerkergitter schien!
An dieses Weibes liebevoller Brust
Hätt ich genesen können. Vieles noch
Und Härtres hätt ich auszustehn vermocht,
Wenn sie mir blieb. Noch kannt ich keine Schmach,
Kein Drangsal, keine Wunde, keinen Schmerz,
Dafür nicht sie der süße Balsam war;
Ja, sie erquickte mich Gefangenen;
Sie hätte dem erschöpften Pilgersmann
Noch einst den frischen Lebenskelch gereicht.
Nun muß ich wandern meinen rauhen Pfad
Einsam, umnachtet, ewig herberglos.
Er will abgehen, ein Kriegsknecht vertritt ihm den Weg.
KRIEGSKNECHT.
Halt!
ERNST.
Wer da?
KRIEGSKNECHT.
Halt!
ERNST.
Zurück! ich sag zurück!
Du bist gedungen, mich zu morden. Ja,
Schon lang verfolgst du mich. Heb dich hinweg!
Noch wehr ich um mein elend Leben mich,
Noch bin ich Mördern kampfgerecht.
KRIEGSKNECHT.
Stoß zu!
Triff dieses Herz!
ERNST.
Mein Werner! O mein Werner!
WERNER.
Dein Werner und der Deinige so ganz
Und so mit jedem Atemzug, mit jedem
Blutstropfen ...
ERNST.
Jetzt bin ich geborgen. Gott
Verließ mich nicht.
WERNER.
O du getreuer Freund!
Du edles Herz! Du lautres Gold!
ERNST.
Halt ein!
WERNER.
Wieviel, wieviel hast du für mich getan,
Geduldet! Nie vergelt ich dir's.
ERNST.
WERNER.
Nichts hab ich getan.
Du bist der einzig Treue.
[81]ERNST.
Laß uns hier
Im Schatten ruhn! Ich bin vom Wandern müd;
Die Eiche breitet uns ein wirtlich Dach.
Mir ist, als ob ich wieder Herzog sei,
Als wären wir an einem schönen Tag
Hinausgeritten auf die Falkenjagd
Und hätten uns zu Mittag hier gesetzt.
Erzähle, Werner, wo du warst indes,
Wie du gelebt!
WERNER.
In Frankreich sah ich zu,
Wie dort der König seine Fürsten zähmt;
Da kam von Aachen her mir der Bericht
Durch einen Kriegsknecht, der nach Solde ging,
Daß du aus deiner Kerkerhaft befreit,
Daß du geächtet und gebannet seist,
Und zwar um meinetwillen. Augenblicks
Riß ich dem Knechte seinen Mantel ab
Und gürtete sein kurzes Schwert mir um
Und lief nach deinen Fährten, edles Wild,
Und habe dich ergriffen.
ERNST.
Werner, sprich!
Auf dir auch lastet Acht und Kirchenfluch:
Wie hast du es gemacht, daß du so fest,
So aufrecht bliebest? Höher, kräftiger
Erscheinst du mir, als ich dich je gekannt.
WERNER.
Es heißt, die Saat gedeih im Wetterschein;
Vom Bannstrahl, glaub ich, wuchs auch mir die Kraft.
ERNST.
Mir dünkt es, deine Treue hat's getan.
WERNER.
O! macht' uns Treue kräftig und gesund,
Dann müßtest du wie eine Rose blühn.
Woraus mein Leben seine Nahrung zieht,
Was mich erhält und was mich kräftiget,
Ist die Erinnrung eines großen Tags,
An dem die deutsche Freiheit mir erschien
In offnem Wirken, in lebend'ger Kraft.
Dies Angedenken trug ich auf der Flucht
Mit mir als ein gerettet Heiligtum,
Und unter dieser hohen Eiche hier,
Uralt, doch grünend wie die Freiheit selbst,
Stell ich mein wundertätig Bild dir auf,
Daß es gerad im Abgrund unsrer Not
[82] Erhebend sich beweise dir und mir.
ERNST.
Wenn etwas noch mich aufzurichten taugt,
Ein Wort aus deinem Munde muß es sein.
WERNER.
Nicht bloß, daß in der Stunde der Geburt
Der Sterne Wechselstand geheimnisvoll
Die menschlichen Geschicke vorbestimmt,
Noch mitten oft ins Leben tritt ein Tag,
Der unsrem Wesen erst den Vollgehalt,
Der unsrer Zukunft, allem unsrem Tun
Die unabänderliche Richtung gibt.
Auch mich ergriff ein Tag für alle Zeit;
Vollkommen klar bin ich mir des bewußt:
Der fromme Kaiser Heinrich war gestorben,
Des sächsischen Geschlechtes letzter Zweig,
Das glorreich ein Jahrhundert lang geherrscht.
Als nun die Botschaft in das Reich erging,
Da fuhr ein reger Geist in alles Volk;
Ein neu Weltalter schien heraufzuziehn,
Da lebte jeder längst entschlafne Wunsch
Und jede längst erloschne Hoffnung auf.
Kein Wunder jetzo, wenn ein deutscher Mann,
Dem sonst so Hohes nie zu Hirne stieg,
Sich heimlich forschend mit den Blicken maß;
Kann's doch nach deutschem Rechte wohl geschehn,
Daß, wer dem Kaiser heut den Bügel hält,
Sich morgen selber in den Sattel schwingt!
Jetzt dachten unsre freien Männer nicht
An Hub- und Haingericht und Markgeding,
Wo man um Esch und Holzteil Sprache hält,
Nein, stattlich ausgerüstet zogen sie
Aus allen Gauen, einzeln und geschart,
Ins Maienfeld hinab zur Kaiserwahl.
Am schönen Rheinstrom, zwischen Worms und Mainz,
Wo unabsehbar sich die ebne Flur
Auf beiden Ufern breitet, sammelte
Der Andrang sich; die Mauern einer Stadt
Vermochten nicht das deutsche Volk zu fassen.
Am rechten Ufer spannten ihr Gezelt
Die Sachsen samt der slaw'schen Nachbarschaft,
Die Bayern, die Ostfranken und die Schwaben;
Am linken lagerten die rhein'schen Franken,
[83] Die Ober- und die Niederlothringer.
So war das Mark von Deutschland hier gedrängt,
Und mitten in dem Lager jeden Volks
Erhub sich stolz das herzogliche Zelt.
Da war ein Grüßen und ein Händeschlag,
Ein Austausch, ein lebendiger Verkehr!
Und jeder Stamm, verschieden an Gesicht,
An Wuchs und Haltung, Mundart, Sitte, Tracht,
An Pferden, Rüstung, Waffenfertigkeit,
Und alle doch ein großes Brüdervolk,
Zu gleichem Zwecke festlich hier vereint!
Was jeder im besondern erst beriet,
Im hüllenden Gezelt und im Gebüsch
Der Inselbuchten, mählich war's gereift
Zum allgemeinen, offenen Beschluß.
Aus vielen wurden wenige gewählt,
Und aus den wenigen erkor man zween,
Allbeide Franken, fürstlichen Geschlechts,
Erzeugt von Brüdern, Namensbrüder selbst,
Kunrade, längst mit gleichem Ruhm genannt.
Da standen nun auf eines Hügels Saum
Im Kreis der Fürsten, sichtbar allem Volk,
Die beiden Männer, die aus freier Wahl
Das deutsche Volk des Thrones wert erkannt
Vor allen, die der deutsche Boden nährt,
Von allen Würdigen die Würdigsten
Und so einander selbst an Würde gleich,
Daß fürder nicht die Wahl zu schreiten schien,
Und daß die Wage ruht' im Gleichgewicht;
Da standen sie, das hohe Haupt geneigt,
Den Blick gesenkt, die Wange schamerglüht,
Von stolzer Demut überwältiget:
Ein königlicher Anblick war's, ob dem
Die Träne rollt' in manchen Mannes Bart.
Und wie nun harrend all die Menge stand
Und sich des Volkes Brausen so gelegt,
Daß man des Rheines stillen Zug vernahm
(Denn niemand wagt' es, diesen oder den
Zu küren mit dem hellen Ruf der Wahl,
Um nicht am andern Unrecht zu begehn,
Noch aufzuregen Eifersucht und Zwist),
[84] Da sah man plötzlich, wie die beiden Herrn
Einander herzlich faßten bei der Hand
Und sich begegneten im Bruderkuß:
Da ward es klar, sie hegten keinen Neid,
Und jeder stand dem andern gern zurück.
Der Erzbischof von Mainz erhub sich jetzt:
»Weil doch«, so rief er, »einer es muß sein,
So sei's der Ältre!« Freudig stimmten bei
Gesamte Fürsten und am freudigsten
Der jüngre Kunrad; donnergleich erscholl,
Oft wiederholt, des Volkes Beifallsruf.
Als der Gewählte drauf sich niederließ,
Ergriff er seines edeln Vetters Hand
Und zog ihn zu sich auf den Königssitz.
Und in den Ring der Fürsten trat sofort
Die fromme Kaiserwitwe Kunigund:
Glückwünschend reichte sie dem neuen König
Die treubewahrten Reichskleinode dar.
Zum Festzug aber scharten sich die Reihn,
Voran der König, folgend mit Gesang
Die Geistlichen und Laien; so viel Preis
Erscholl zum Himmel nie an einem Tag.
Wär Kaiser Karl gestiegen aus der Gruft,
Nicht freudiger hätt ihn die Welt begrüßt.
So wallten sie den Strom entlang nach Mainz,
Woselbst der König im erhabnen Dom
Der Salbung heil'ge Weihe nun empfing.
(Wen seines Volkes Ruf so hoch gestellt,
Dem fehle nicht die Kräftigung von Gott!)
Und als er wieder aus dem Tempel trat,
Erschien er herrlicher als kaum zuvor,
Und seine Schulter ragt' ob allem Volk:
Das ist der große Tag, der mich ergriff,
Der mich in allem Drangsal frisch erhält.
ERNST.
Ein großer Sinn faßt große Bilder auf,
Ein andrer andre. Dazumal, als du
Dem freien Vaterland ins Auge sahst,
Erglänzte mir der ersten Liebe Huld
In eines Mägdleins minniglichem Blick.
Ich war ein Jüngling, stand in Vormundschaft
Von meinem Ohm, dem Erzbischof von Trier,
[85] Und noch war mir des Reiches Sache fremd.
Wohl kamen andre Zeiten, strengere,
Die mich gerüttelt aus dem Liebestraume.
WERNER.
O nicht vergeß ich's: mit dem alten Welf
Von Altdorf und mit andern schwäb'schen Herrn
War ich geritten auf das Maienfeld;
Wir tränkten eben unsre Pferd im Rhein,
Da kamest du den Strom herabgeschifft
Auf einer leichten, buntverzierten Jacht,
Du selbst im Fürstenschmuck, zur Seite dir
Graf Hugo mit der schönen Edelgard,
Und schwebend auf dem Schiffesrande saß
Ein Sänger, der die Harfe lieblich schlug;
Des Stromes Klarheit aber spiegelte
Die glänzenden Gestalten.
ERNST.
Schöne Zeit!
Wie ist das alles längst den Strom hinab!
WERNER.
Auch was vor mir so groß und herrlich stand,
Es ist nicht mehr, nur im Gedanken lebt's:
Der Mann, den wir zum König uns gewählt,
Und der so demutsvoll das Haupt geneigt,
Er hat's emporgeworfen; ihn verlangt
Nach Unbeschränktheit, nach Alleinherrschaft
Und nach der Erblichkeit in seinem Stamm.
Die ihn erwählten, tritt er in den Staub;
Den Kunrad, den er jenes Mal geküßt,
Hat er genötigt, nach dem Schwert zu greifen;
Des Reichs verwiesen ist der graue Welf,
Der Herzog Adalbert von Kärnten irrt
Mit seinen Söhnen heimatlos umher;
Und du, mein Herzog, o wie hat er dich
Vom Anbeginn verfolgt, beraubt, zerknirscht!
Ich bin dir zugetan durch Lehenseid,
Der Freundschaft heilig Band verknüpfet uns,
Doch wär ich nicht dein Mann und nicht dein Freund,
Dein Banner hätt ich dennoch aufgesucht,
Damit ich ihn bekämpfe, dem auch ich
Einst zugerufen auf dem Feld der Wahl.
ERNST.
Wohl wittert jedes Wesen seinen Feind,
Drum hegt auch dir der Kaiser wildern Haß
Und unversöhnlicheren als mir selbst.
[86]WERNER.
Von diesem Haß, den ich allein verwirkt,
Mußt du, Unglücklicher, das Opfer sein.
Nicht ich bin elend, denn mich treibt die Glut,
Die ich an jenem Tag in mich gesaugt.
Du aber hast nach Frieden dich gesehnt
Und mußt nun so unendlich friedlos sein
Und hast für all die Treue keinen Dank
Von mir, als daß ich schadenfroh und stolz
Auf dich hinblicke, wie du nun so ganz
Verlassen dastehst und so ganz entblößt,
Und wie nun ich dein einz'ger Lehensmann,
Der einz'ge bin, der dich noch Herzog nennt,
Und wie nun mir allein die Ehre bleibt,
Dir Dienst zu leisten bis zum letzten Hauch.
ERNST.
Gewaltiger, was neigst du dich vor mir?
WERNER.
O wahrlich, nie in deinem Fürstenglanz
Erschienst du mir so herrlich, so erlaucht,
So würdig jeder tiefsten Huldigung,
Als wie du jetzt in freierkorner Schmach,
In deiner Selbstverbannung vor mir stehst.
Doch nein, so ganz vergessen bist du nicht:
In Schwaben, wo dein Vater Herzog war,
Wo ihn und dich ein biedres Volk geliebt,
Wo mancher jetzt auf seiner Feste haust,
Der unter deinem Banner einst gekämpft,
Dort muß von dir noch ein Gedächtnis sein;
Dorthin sei unser irrer Pfad gelenkt,
Des Schwarzwalds dichter Schatten nehm uns auf!
ERNST.
Dir folg ich, und wenn alles mich verschmäht,
Du wirst mich nie verlassen.
WERNER.
Siehst du hier?
Der Handschuh, den ich aus dem Koller zieh,
Er ward vom Kaiser in den Staub geschleudert,
Daß er verschmähet und zertreten sei.
Der Kriegsknecht hob ihn auf und gab ihn mir,
Und dieser Handschuh liegt an meiner Brust.
Beide ab.
[87]