[154] Sechstes Lied
Der Berg von Trapani
Heut, Mißgünst'ge, vernehmt's, bestieg ich den wolkigen Eryx.
Aber fragt ihr warum? geb' ich die Antwort euch gern.
Schön zwar ist's vom felsigen Haupt, dem taubenbewohnten,
Nieder zu blicken auf Thal, Ufer und Insel und Meer.
Jene Klippen, von Wellen umschäumt, bezaubert die Sage;
Denn der wilde Cyklop warf sie hinaus in das Meer.
Seinem Vater feierte hier Aeneas das Kampfspiel,
Wo der rauschenden See Trepanons Sichel entsteigt.
Dort um die Inseln schlug der Römer blutige Seeschlacht
Und zu Frieden und Bund bot der Karthager die Hand.
Ueber die Ebene blick' ich hinweg, die rebenbegrünte,
Lilybaeon erglänzt sonnig am äußersten Strand,
Dem mit Aeolus Gunst das Schiff am Abend entwandert,
Um mit dem Frühroth schon glücklich in Tunis zu sein.
Schön zu schauen ist das; doch wißt, den ermüdenden Bergpfad
Stieg der Wandrer darum nicht, der verhaßte, hinan.
Eine Wallfahrt gebot ihm das Herz; zum Tempel der Venus
Trieb ihn die Andacht, es trieb ernstlicher Dank ihn empor.
Fromm ist jeder nach eigener Art, mir vergönnet die meine,
Nur dem eigenen Drang bin ich ja immer gefolgt.
Heuchelt, wie's euch bedünkt; ich bekenne fröhlich, der Göttin
Hab' ich Jugend und Kraft gerne zu Dienste geweiht.
Nicht mit Asche bestreut' ich mein Haupt, doch kränzt' ich's mit Rosen,
Wenn ein Mädchen mich oft feurigen Armes umschlang.
Drum erhöre mein brünstig Gebet, o Himmlische, wende
Deine Gunst von dem Schwarm, der dich verläugnet, hinweg.
Dir zu opfern gebietet Natur allmächtigen Dranges,
Und zu läugnen versucht's Frömmler und Heuchler umsonst.
Nimm mein Opfer und gieb mir ins Leben Schönheit in Fülle,
Gieb der Grazie Huld, aber die edelste, mir!