[220] Von schönen händen
Du bist, o zart schneeweiße hand,
der beste zeug, die lieb zu weben,
du bist der treu erwünschtes pfand,
damit man kan vernüget leben;
wan auf der lieb, bit oder frag
du wilt zu fridlichem vertrag
stillschweigend deine zusag geben.
Du kanst, o hand, bald den verdruß,
bald das gefallen verursachen,
bezeugend zweier lieb beschluß,
bist du die ursach, daß sie lachen;
gleichwie wan du der buhler schoß
zurück verstoßest hofnungslos,
du sie kanst leichtlich weinen machen.
Schnell, laufend, zittrend und kunstreich
kanst du das instrument berühren:
und der wolredenheit recht gleich
in das gehör die herzen führen:
und mit schneeweißem hellen glanz
von deiner fingern leichtem danz
den ton, die stim, die saiten zieren.
Was immer uns der natur gunst
verleihet, kanst du bald vergleichen
und es mit farbenreicher kunst
bald überkünstlich herausstreichen:
du kanst mit des verstands gesatz
und der gedanken großem schatz
getreulich das papier bereichen.
In meiner hand, o süßer lohn!
wan du, o schöne hand, gefangen,
gedrucket druckest du mit wohn
und lust mein herz, hand und verlangen:
[221]gefangen fanget deine zucht
also, daß niemals durch die flucht,
der dich gefangen, dir entgangen.
Gehalten bist du stolz und frei,
du überwindest mich gebunden,
du bist getreu und ungetreu,
als triumfierend überwunden:
du pflegest mit unruh und ruh
je sanfter und je bloßer du,
je tiefer mein herz zu verwunden.
O zartes, glattes helfenbein,
welches die rosen etwas färben!
o von der morgenrötin schein
gezierter schnee, schwer zu erwerben!
auf deiner lieblichkeit bericht
gib ich dir hiemit meine pflicht
bei dir zu leben und zu sterben.