Heiratsgeschichten

1. Das erfolgreiche Konzert

Ein lebenslustigeres Städtchen als St. fand sich gewiß weit und breit nicht. Man konnte gar nicht sagen, wann der Kreis geselliger Vergnügungen anfing und wann er schloß, ob mit dem Schmaus nebst Punsch in der Neujahrsnacht, mit den Winterbällen und Kasino mit Sprichwörterspiel nebst den prachtvollen Schlittenfahrten; oder ob mit den Wasserfahrten und Landpartien im Frühling, mit den Waldspaziergängen zur Sommerzeit in den Eichenhain, wozu der Schwanenwirt einen Wagen mit Bierfässern nachführte; oder mit den Kirchweihsamstagen, die man in allen Dörfern des ganzen Amts besuchte, bis der Herbst erschien mit dem Hauptfest, der Weinlese, nebst Herbstball und Feuerwerk, und bis eine gemeinsame großartige Metzelsuppe für den Eintritt der schlimmen Jahreszeit trösten mußte.

Eine Hauptrolle bei all diesen Herrlichkeiten spielten die vier stattlichen Töchter des Herrn Stadtpflegers, auch Salzfaktors. Es war wirklich eine Lust, dieses ansehnliche Kontingent zu sehen, mit dem der glückliche Vater bei jeder Gelegenheit ausrückte. Ganz vollständige Frauenzimmer waren es, die Auguste wie die Therese, die Karoline wie die Lotte, und tat einem die Wahl weh, welche die andre übertraf an starkem Gliederbau, vollen Wangen und kräftigen Gebärden. Dazu hatte jede noch ein besonderes Talent. Auguste war eine Köchin aus dem Fundament und wurde bei allen Familienfesten gebeten, hilfreiche Hand zu leisten. Therese schlug das Klavier, daß die Fenster in der Nachbarschaft davon erzitterten, sang auch mit heller Stimme: »Einsam bin ich nicht alleine«, »Weit in nebelgrauer Ferne« und erhob dazu die Augen gen Himmel, also daß nur noch das Weiße davon zu sehen war. Karoline hatte [230] sich hauptsächlich auf feine Arbeiten gelegt, häkelte Hauben und Halskragen, stickte Schemel, Pantoffeln und Serviettenbänder zu allseitiger Verwunderung; der Triumph ihrer Kunst, ein Glockenzug mit einer ganzen Chinesenfamilie, hing inmitten der Wand des väterlichen Staatszimmers, ohne die Möglichkeit einer Glocke daran. Lotte aber hatte Zeichnen und Malen gelernt, und alle Wände des Vaterhauses waren behängt mit etwas rätselhaften gemalten Naturansichten: Schweizergegenden, wo die Schneeberge wie entkleidete Zuckerhüte und die Seen wie das davon abgefallene Papier anzuschauen waren; auch Blumenkörbe mit umhergestreuten Blümchen davor; Urnen mit trauernden Jungfrauen und so weiter, darunter allerhand rührende Inschriften, als: »Lotte M. ihrem treuen Vater aus Hochachtung«, »Ihrer geliebten Schwester aus Liebe« und so weiter. Neben diesen schönen Talenten waren sämtliche vier Paläste, wie der Papa sie in zärtlichen Stunden nannte, zu allen häuslichen Geschäften angehalten; das hätte schon Tante Juliane nicht anders getan, die seit der Mutter Tod die Haushaltung und die Erziehung der Töchter leitete. Wenn sie denn nun des Tages Last und Hitze redlich getragen hatten, so war es nicht mehr als billig, daß sie unter der Obhut des Papas ausziehen durften zu allen Kasinobällen und Landpartien; daß sie allenthalben zu sehen waren:


»An aller Tempel und Paläste Pforten,
An allen offnen und verborgnen Orten,
Wo sich die schöne Unschuld zeigen kann.«

Daheim bei der Tante blieb dann »die Kleine«, das Nanettle, des Hauses jüngster Sproß, von den Schwestern mit großer Zärtlichkeit behandelt, solang' sie sich's nicht einfallen ließ, groß sein zu wollen. Sie war fünf Jahre jünger als Lotte und darum verurteilt, das Kind zu bleiben; wollte sie einmal daran denken, daß sie achtzehn Jahre alt sei und doch auch mitmachen könne, dann war's rein aus mit der schwesterlichen Zärtlichkeit: »Das naseweise Ding! Wirst bald genug alt werden! In deinem Alter haben wir noch gar nicht gewußt, daß es Bälle gibt.« [231] Und sie hätten sie doch unbesorgt mitnehmen dürfen; das schmale Gesichtchen und schlanke Figürchen wäre neben ihren gewaltigen Gestalten fast verschwunden. Nanettle schickte sich geduldig darein und war glücklich, wenn sie in Abwesenheit der Schwestern deren leeren Arbeitsplatz am Fenster einnehmen durfte; denn waren sie daheim, so war ihr ihr Plätzchen im Hintergrund am Nähstock der Tante angewiesen.

Eine hochwichtige Person für sämtliche Schwestern war Herr Beutter, ein junger Kaufmann, Besitzer eines sehr gemischten Detailgeschäfts gerade gegenüber; ein überaus stiller Mann, der aber im Ruf vorzüglicher Solidität stand und dessen eheliche Versorgung Gegenstand der Besprechung und Fürsorge der ganzen Stadt war. Die Schwestern schienen wirklich rührenden Anteil an ihm zu nehmen. Frühe am Tag, wenn er unter der Tür seines Ladens erschien, um das Täfelchen mit »Neue holländische Heringe« und die Ankündigung der besten Fettglanzwichse herauszuhängen, saßen stets etliche der Schwestern bereits in voller Arbeit am Fenster. Auguste verlegte sogar manche Küchengeschäfte, als da sind Zwiebelschneiden, Schaumschlagen, Butterrühren, unter großem Protest der Schwestern ins Zimmer; Therese sang und schlug den Pantalon, daß es einen Stein hätte erbarmen können; Karoline war glücklich im Bewußtsein, daß sie am Stickrahmen doch die beste Figur mache, während Lotte neben ihrem Zeichenbrett noch einen Vogelkäfig vor dem Fenster hielt, in dem ein Stieglitz das üppigste Leben von der Welt führte, denn er wurde des Tags wohl sechsmal mit frischem Grün und Wasser versorgt. Infolge dieses Stieglitzen stellte Therese ein Blumenbrett und Auguste etliche Kisten mit Schnittlauch und Petersilie vors Fenster; Karoline, um das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden, hatte allzeit feine Wäsche an Schnüren draußen hängen.

Nanettle hatte bisher alle Einkäufe fürs Haus besorgen müssen; in neuerer Zeit aber fand Auguste, daß sie Reis und Gerste, Kaffee und Farinzucker am allerbesten bekomme, wenn sie selbst danach gehe; Therese war sehr vergnügt, zu entdecken, daß der Herr Nachbar auch Notenpapier führe; da konnte Karoline [232] nicht umhin, selbst nach Stickgarn und Faden bei ihm zu sehen, und bei Lotte vollends war es natürlich, daß sie ihren Farbenvorrat in eigener Person auswählte.

Herr Beutter hätte viel zu tun gehabt, wenn er auf all diese Zeichen stummer Liebe hätte Antworten bereit halten wollen; darum unterließ er es gänzlich, war zwar allzeit dienstbereit, zeigte aber außer einigen allgemeinen Bemerkungen, als: »A bissele frisch, Fräulein Auguste, a bissele kühl heut«, »Immer fleißig, Fräulein Karoline?« und dergleichen, wenig Gesprächsamkeit. Er machte von Zeit zu Zeit eine Visite beim Herrn Stadtpfleger und erschien auf den Kasinobällen, wo er nach der Altersreihe mit jeder der vier Schwestern tanzte, wenn's keine Polka war, die er nicht gelernt hatte; aber zu welcher der vier sich sein Herz neigte, wenn es sich überhaupt neigte, das blieb ungewiß.

Da erschien einst ein glorreicher Tag für die Familie. Ein höchst musikalischer Provisor, der seit kurzem im Städtchen war, veranstaltete ein Privatkonzert, ein bis dahin in St. ganz neuer [233] Gedanke, und Therese sollte darin in einem Duett mit ihm auftreten. Tagelang erscholl die ganze Straße von den schmelzenden Tönen, die sie einübte, und glänzend waren die Vorbereitungen, die auf dieses Ereignis getroffen wurden. Der Papa mußte den Beutel ziehen und vier neue Foulardkleider anschaffen, ein unerhörter Luxus in St. Selbst die Tante und Nanettle sollten diesmal mitgehen. Karoline putzte der ersteren eine äußerst fashionable Haube heraus, und für die Kleine wurde ein rosenrotes Jakonettkleid, ein Erbstück von Auguste, zurechtgemacht.

Der große Tag brach an. Sämtliche vier Paläste liefen vom frühen Morgen an mit aufgewickelten Haaren herum, so daß heute das Nanettle, deren glattgescheiteltes Haar keine so mühsame Vorschule brauchte, Schnittlauch, Blumen und Stieglitz allein versorgen mußte. Die Stube dampfte vor Wärme, weil den ganzen Tag Bügelstähle glühend gemacht wurden, um die Kleider und Chemisetten auszubügeln. Lotte mußte all ihr Gummi elastikum aufopfern zur Reinigung der hellen Glacéhandschuhe; kurz, es war ein Leben und Treiben, wie wohl schwerlich in einem Palais vor einem Hoffeste. Endlich dämmerte der Abend, der Putz war beendet; die als Wache aufgestellte Magd kam mit der Kunde, daß die Familie des Apothekers und des Gerichtsnotars bereits hineingezogen seien (niemand wollte zuerst kommen); der galante Provisor erschien, um seine Sängerin zu geleiten – sein Musiktalent hatte ihn um eine Rangstufe erhoben –, und der Zug setzte sich in Bewegung: der Papa mit den vier Palästen voraus, daneben als Zugabe der Provisor; dann mit hochklopfendem Herzen Nanettle, das seinen ersten Ausflug in die Welt machte, an der Seite der Tante, die zu großem Entsetzen der Schwestern noch weite Ärmel an ihrem Tibetkleid hatte, weshalb sie sich etwas von ihr wegmachten; denn man konnte nicht wissen, was für Fremde, durch das Konzert angelockt, heute erscheinen würden.

Der Saal war glänzend hergestellt, zum wenigsten sechs Talglichter brannten an den Seitenwänden in blechernen Wandleuchtern, und ein Transparent mit einer Leier und der [234] Inschrift: »Willkommen!«, von Tannenzweigen umgeben, prangte in der Mitte; das Anzünden der Lämpchen dahinter wurde aber von dem Herrn Oberamtmann für feuergefährlich erklärt und unterblieb.

Nach einer Art Ouverture und einem Quartett von ausgezeichneten Mitgliedern des Liederkranzes, wobei nur leider Tenor und Baß in einigen Zwiespalt kamen, trat der Provisor auf, an der Hand zierlich Fräulein Therese führend, die zur Auszeichnung vor den Schwestern ihr Haupt mehrfach mit roten Chenillen umwunden hatte. Mit hohem Erröten arrangierte diese ihre Stellung und überschaute das versammelte Publikum; da gewahrte sie den eben angekommenen Herrn Beutter, höchst elegant, im blauen Frack mit gelben Knöpfen, weißer Weste und blaugestreiftem Atlasschlips, und, o Freude! er unterhielt sich mit keiner der Schwestern, bloß mit der Tante und Nanettle. Dieser tröstliche Anblick stärkte ihren Mut, und mit gewaltiger Stimme hob sie, gegen die Gruppe mehr als gegen den Provisor gewendet, zu singen an:


»Wenn mir dein Auge strahlet,
Ist mir so wohl, so gut,
Und meine Wange malet
Die nie gefühlte Glut!«
Bescheidentlich sang der Provisor dagegen:
»Ach dämpfen Sie dieses Feuer,
Uns trennen fordert Pflicht;
Dem Freunde sind Sie teuer,
Doch fordern Sie Liebe nicht!«

Obgleich durch die höfliche Änderung des Du in Sie von seiten des Provisors der Rhythmus hie und da Not litt, so wurde doch das Duett glücklich unter rauschendem Applaus zu Ende gesungen, und in stolzer Bescheidenheit begab sich Therese an den Tisch, wo die Familie bereits bei Bratwürsten versammelt saß.

Nach einem Solo des Provisors und einem Chor mit Echo, [235] vorgetragen vom Liederkranz, wobei die Sänger, die das Echo vorstellten, sich unter das Bett im anstoßenden Schlafkabinett legten, was eine überraschende Wirkung hervorbrachte, war der Ohrenschmaus vorüber, und die Sänger schauten nach dem Speisezettel, um zu sehen, was das gerührte Publikum für sie übriggelassen hatte.

Herr Beutter war heute ungemein gesprächig und brachte sogar einige Späße zutage, so daß der belesenen Therese die Sage vom Orpheus einfiel. Die Tante gefiel sich auch ungemein, zumal da niemand an ihren Blusenärmeln Anstoß zu nehmen schien und ihr im Gegenteil der Herr Kameralverwalter einmal ums andre seine silberne Dose präsentierte. Die Kleine aber war ganz in sich hinein vergnügt, glückselig, auch einmal in der großen Welt zu sein, und antwortete auf Herrn Beutters freundliche Redensarten, ohne aufzusehen, fast nur mit Lächeln.

Elf Uhr schlug's. Das war die Zeit zum Aufbruch, obgleich der Buchhalter noch etwas von einem Tänzchen gesprochen hatte. Die Kerzen waren herabgebrannt, und der Schwanenwirt bezeigte keine Lust, neue aufzustecken; die Papas waren schläfrig, das Orchester müde: so wurden denn die Schale und Mäntel angezogen, die Laternchen angezündet, und jedermann zog seine Straße, unsre Familie zuletzt; es dauerte so gar lange, bis sie gerüstet war und der Papa sich mit dem Schwanenwirt über die eigentliche Anzahl der genossenen Würste und Brote verständigt hatte. Endlich waren alle auf der Straße; da entdeckte Therese mit großem Wehklagen, daß sie ihre Tasche vergessen habe. »Die läßt man morgen im Schwanen holen,« meinte der Vater. »Nein, ach nein,« rief Therese ängstlich, »um keinen Preis!« und gestand zuletzt, daß ihr Stammbuch in besagter Tasche stecke, das sie bei solchen Gelegenheiten immer bei sich führe, da man ja nicht wissen könne, wo man eine interessante Bekanntschaft mache, und das wolle sie um keine Welt über Nacht in der Gewalt der naseweisen Schwanenwirtstöchter lassen. – »Ich laufe geschwind zurück und hole dir's,« erbot sich das gefällige Nanettle. »Ihr braucht nicht auf [236] [238]mich zu warten; gebt mir nur das Laternchen und geht langsam voraus!«

Unbesorgt ließ man die Kleine gehen, die nach langem Suchen endlich die Tasche samt Stammbuch fand und sich auf den Rückweg machte. »Erlauben Sie, daß ich Sie heimbegleite, Fräulein Nanette?« fragte unter der Haustür des Gasthofs eine bekannte Stimme. Erstaunt erhob Nanettle ihr Laternchen und erkannte den Herrn Beutter, den sie längst mit den Schwestern voraus geglaubt hatte und der nun in artiger Stellung mit zierlich gekrümmtem Arm dastand, um sie heimzuführen. – Das war dem guten Nanettle noch nicht vorgekommen. Den »Faust« hatte sie nicht gelesen, somit fiel ihr keine Entgegnung ein, und hocherrötend, mit frohem Zittern legte sie die Fingerspitzen auf Herrn Beutters Arm und ließ sich heimführen. Herr Beutter aber fühlte heute Löwenmut und wollte die Stunde nicht ungenützt verstreichen lassen. »Fräulein,« hob er an, »Sie sind aber so grausam!« – »Grausam, warum?« fragte das Nanettle in höchstem Erstaunen. Seit sie in der Schule das schöne Sprüchlein gelernt:


»Quäle nie ein Tier zum Scherz,
Denn es fühlt wie du den Schmerz«,

hatte sie nie mehr etwas über Grausamkeit gehört und wußte gar nicht, warum man sie eines solchen Lasters beschuldige. – »Ja, weil Sie mich gar nicht mögen und nicht merken wollen, wie ich Sie so lieb habe,« platzte Herr Beutter heraus, ließ aber, erschreckt über seine eigene Keckheit, ihren Arm los und sprang davon aus Leibeskräften.

»Warten Sie doch, Herr Beutter,« rief das Nanettle, »ich bin ja nicht grausam!« und lief ihm eiligst nach in lauterer Seelengüte, Herr Beutter davon in vollem Galopp, bis der seltsame Wettlauf an seiner Ladentür ein Ende nahm, wo sie beiderseits zur Besinnung kamen und Nanettle sich tief beschämt dem eigenen Hause zuwandte. »Ja, mögen Sie mich denn?« flüsterte eiligst noch Herr Beutter. – »Ich glaube, aber ich weiß nicht,« war ihre Antwort, und im Nu [238] war sie an der Tür, die von der besorgten Tante aufgezogen wurde.

Der Tante wurde noch in der Nacht unter vielen Tränen und heißem Erröten die Geschichte der ganzen großen Begebenheit anvertraut. Sie legte keinen großen Wert darauf und demütigte das arme Kind tief durch die Vermutung, Herr Beutter werde etwas im Kopf gehabt und gar nicht gewußt haben, was er sage; sie stellte dies auch so wahrscheinlich dar, daß das arme Kind in noch größeren Jammer kam, da sie sich ihres eigenen unbedachten Benehmens jetzt aufs tiefste schämte. Zuletzt schlief sie unter bitteren Tränen ein, indem sie rechtes Mitleid mit sich selbst hatte, daß sie noch so jung sei und doch schon so gar unglücklich.

Aber am Morgen kommt die Freude. Und sie kam zuerst in Gestalt von Herrn Beutters dickköpfigem Ladenbuben, der ein schön gefaltetes Schreiben auf Postvelin Nummer eins an den Papa überbrachte. Dieses Schreiben fiel nun wie eine Bombe in das friedliche Haus, denn es enthielt eine Werbung in bester Form »um Dero jüngste Tochter, Fräulein Christiana«. Das fuhr wie ein Schlag aus heiterem Himmel in den Schwesternkreis; das war nicht möglich, es mußte ein Irrtum obwalten, so dumm konnte doch der Beutter nicht sein! Das durfte der Papa nicht zugeben, wäre ja eine Sünde! Ein solches Kind – und heiraten!

Da fing das Nanettle herzlich zu weinen an und sagte, es wisse wohl, daß ihm nichts Gutes beschieden sei; es wolle sich in alles schicken, vielleicht sterbe es bald, das sei am besten. Nun ward die Tante weichherzig und sprach für ihren Liebling; der Vater sah gar kein Hindernis, und die Schwestern begannen, sich zu fassen. Sie waren gutmütige Mädchen und gescheite dazu; denn jede erklärte jetzt, sie sei recht froh, daß der Beutter sie nicht gewollt, für keine hätte er getaugt, und keine hätte ihn genommen. Der Auguste war er viel zu still, zu wenig alert; Therese erklärte, sie nehme keinen, der nicht musikalisch sei; der Karoline wäre es viel zu langweilig gewesen, ihr Leben lang in der nämlichen Gasse wohnen zu müssen, und die Lotte, die [239] konnte gar nicht daran denken, in ein offenes Geschäft zu gehen, wo man Öl und Essig, Käse und Schnupftabak verkaufe und in der Ladenstube wohne. Ja ja, es war recht gut so gegangen, und einen Korb hätte man doch auch nicht gern gegeben. Mit der Kleinen, die noch gar nichts sei, sei der Mann freilich angeführt, aber man könne sie ja noch anleiten – und so weiter.

So wurde dem Papa gestattet, ein Jawort unter der Bedingung gehörigen Aufschubs der Hochzeit zu schreiben. Herr Beutter kam im schönsten Staat und ward vom Vater mit Anstand, von der Tante mit Freudentränen, von den Schwägerinnen mit kühler Freundlichkeit und von dem Bräutchen mit höchster Verlegenheit empfangen. Es brauchte recht lange, bis die beiden sich in die Rolle eines Brautpaars finden konnten; hat sich aber alles gegeben, und wer die hübsche, gewandte Frau jetzt hinter ihrem Ladentisch sieht, glaubt gar nicht mehr, daß sie einst das schüchterne Nanettle war, das dem Herrn Beutter bis an seine Ladentür nachgelaufen ist.

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Zitationsvorschlag für dieses Objekt
TextGrid Repository (2012). Wildermuth, Ottilie. Erzählungen. Bilder und Geschichten aus Schwaben. Heiratsgeschichten. 1. Das erfolgreiche Konzert. 1. Das erfolgreiche Konzert. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-A72D-D