[361] Lisanders Klage nach dem Frantzösischen
1.
Unlängsten hört' ich schmertzlich flöhen
ein götlichs mänsch bei dieser fluht;
Der träuste buhler mus vergehen/
wo ihm sein Lieb nicht hülfe tuht.
2.
O süßer strohm/ geh hin und zeuge/
geh/ zeug' es seiner Liebsten an:
daß er sich schon zum grabe neuge/
und ohne sie nicht leben kan.
3.
Dis eis ist kalt/ doch mus es schwinden
für seiner heissen liebes-gluht:
wer aber kan ihr hertz entzünden/
das kälter ist als eis und fluht?
4.
Kan er sie nicht durch Liebe zwingen/
daß sie vernähme seine pein/
so würd er doch ihr hertz ümringen/
und für die Lieb ihr seufzen sein.
[362] 5.
Mich deucht/ ich seh sie schohn geschlagen/
wie sie Lisanders tod beweint/
ich höre sie für schmertzen klagen/
wie sie betrauret ihren freund.
6.
Kein buhler ist jemahls gewesen
so foller ehr' und so beglükt:
Lisanders nahmen würd man lesen
in seiner Liebsten Hertz getrükt.
7.
Er liegt im hertzen seiner Lieben/
o welch ein ädles grab ist das!
sein nahme steht darbei geschrieben.
es rührt ihn nuhn kein neid noch has.
8.
Weil er ihm dan nuhn lässt genügen/
und ruht in ihres hertzens schrein/
so wil er/ daß man bei sol fügen
auf einen ewgen grabe-stein:
9.
Lisander lebt' und ist gestorben
für seine liebste Silvie/
doch hat er ihr nicht gnug erworben/
das ihrer würdigkeit gleich steh.