73. Ins Bräutigams Namen

1728.


Deine Wunder-Kraft,
Liebe! hats geschafft,
Daß ich diesen Ort bewohne:
Und Dein Gnaden-Rath im Sohne,
Macht mir diesen Ort
Zum gewünschten Port.
Franken gab das Licht.
Graben solt ich nicht;
Sondern mußte mich bequemen,
Andre Dinge vorzunehmen,
Doch Dein Zug an Dich
Ubereilte mich.
Wie vor Zeiten zwar
Manche Witwe war,
Und Elias kam zu keiner
In dem Volk, als nur zu einer,
Wo ihn Deine Hand
Schleunig hingesandt:
[201]
Also gings mit mir
Ungewöhnlich für.
Denn, mein Graf, der Deine Regung
Ehret ohne Widerlegung,
Hieß mich mit sich gehn,
Eh er mich gesehn.
Wilt du, hub er an,
Mit zu diesem Mann,
Welchen meine Seele kennet,
Den mein Herz die Liebe nennet?
Folge meinem Schritt
In die Fremde mit.
Kaum, daß ich gesagt,
Ja! das sey gewagt;
Zog ein freundliches Erzehlen
Von des Samuels Erwehlen,
Mein noch irdisch Herz
Kräftig Himmelwerts.
Wer nur beten kan;
Dem geht alles an.
Dieser Rath ward mir gegeben,
Und zugleich der Weg zum Leben.
Unser Bürg und Held,
Ward mir vorgestellt.
Also zogen wir
Her in diß Revier,
Wo mein Herr und ich nicht hatten,
Einen Stein zu überschatten;
Und erharrten da,
Was hernach geschah.
Auf derselben Bahn
Kam noch mancher an,
Den die Liebe überwogen,
Und von ferne hergezogen;
[202]
Aber wer bekleibt?
Ohne, der da gläubt.
Mancher innre Kampf,
Mancher äußre Dampf
Uebte damals Herrn und Knechte:
Endlich führte Gottes Rechte
Das Gericht und Strauß
Bis zum Siege aus.
Seelen regten sich
Damals mächtiglich:
Und in unsers Hauses Hütte
Stiegen auf Gebet und Bitte
Um die beste Wahl,
Zu des Herrn Gemahl.
Kaum, daß wir gehört,
Was uns Gott beschehrt,
Legete sich unser Haufe,
Nach vollführtem Pilgrims-Laufe,
In ein Bethlehem,
Das dem Herrn bequem.
Starb der Prediger;
Kam ein andrer her,
Welcher sich zu Ehr und Schande,
Als vor Gott, mit uns verbande.
Und so waren wir
Damals unsrer vier.
Schleunig rief der Herr
Einen Wanderer,
Aus Paris der grossen Stätte,
Und nach ringendem Gebete
Band Er diesen Mann
Kräftig an uns an.
[203]
Meine Seele weiß
Was für Angst und Schweiß,
Was für Kampf in sieben Jahren
Unsre Brüderschaft erfahren.
Doch gelobt sey Gott
Auch für diesen Tod.
Mir kam dann und wann
Erst ein Schauer an,
Wenn ich meines Herren Regung
Ohne merkliche Bewegung,
Die die Herzen rührt,
Gegen mich verspürt.
Eine lange Zeit
Währete der Streit.
Eine unverrükte Beugung,
Wider alle meine Neigung,
That dem eignen Muth
Aeusserlich nicht gut.
Mitten in dem Streit,
Mit der Eigenheit,
Hieß mich Gott, (so muß ich denken,)
Einer meine Liebe schenken,
Die voll Tugend zwar,
Doch nicht lebend war.
Aber dieses Herz
Zog Er Himmelwerts,
Eben um dieselben Zeiten,
Da sich andre sonst bereiten.
Jesus gab sich an;
Da wars bald gethan.
Unser neues Band
Ging uns aus der Hand:
Denn wir suchten alle beide
Nichts, als unsre Seelen-Weide,
[204]
Welches Tag und Jahr
Unser Alles war.
Meine liebe Braut
Ward dem Lamm vertraut;
Uebergab Ihm ihre Sinnen:
Und dis selige Beginnen
Trieb sie höchst erfreut
Auf die Ewigkeit.
Itzo kommt der Tag
Da ich sagen mag:
Herr, mein König, Du kanst machen;
Denn ich sehe meine Sachen
Alle so gemacht,
Wie ichs nicht gedacht.
Gott erhebt mein Haupt,
Das ich nie geglaubt,
Unter Seines Sohnes Glieder,
Unter eine Wolke Brüder;
Und diß Heer des Herrn
Sieht mich Armen gern.
Meine theure Braut
Wird mir angetraut,
Als ein Pfand von Christi Liebe,
Deren aufgebrachte Triebe,
Christo nachzugehn,
Uns vor Augen stehn.
Meines Herren Sinn
Gehet blos dahin,
Sein geheimes Liebes-Neigen
Zu mir öffentlich zu zeigen,
Und das ganze Haus
Macht sich Freude draus.
[205]
Herr! ich bins nicht werth,
Was Du mir beschehrt.
Herr! hie hast Du mich Geringen,
Wilst Du mich zu Stande bringen?
Herr! da hast Du mich:
Denn nun kenn ich Dich.

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TextGrid Repository (2012). Zinzendorf, Nikolaus Ludwig von. Gedichte. Teutsche Gedichte. 73. Ins Bräutigams Namen. 73. Ins Bräutigams Namen. Digitale Bibliothek. TextGrid. https://hdl.handle.net/11858/00-1734-0000-0005-B52C-F